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Kienbaums langer Weg aus der Krise – Wie sich der Personalberater gesundsparen will

Mark Schäfer* dachte an nichts Böses, als sich der neue Chef im Herbst 2018 für einen Besuch ankündigte. Prima, dachte Schäfer. Er war selbst noch relativ frisch bei Kienbaum. Die Aussagen des Familienerben klangen bisher vielversprechend.

Fabian Kienbaum hatte die Führung der Personal- und Managementberatung 2018 von seinem Vater Jochen übernommen. Und als man Schäfer sagte, 2017 sei ein starkes Jahr gewesen, fühlte er sich bestärkt in der Entscheidung, seinen gut bezahlten Job bei einem Konkurrenten aufgegeben zu haben.

Jetzt stand Fabian Kienbaum vor ihm und den Kollegen und verkündete die Hiobsbotschaft. Einschnitte wären notwendig, massive Sparmaßnahmen. Jahrelang schon habe das Unternehmen seine Ziele nicht erreicht. Die Familie könne nicht dauerhaft Geld nachschießen. Kienbaum müsse sich neu aufstellen, Personal abbauen. Schäfer zum Beispiel. Kurz nach Kienbaums Besuch erhielt der Personalberater den Aufhebungsvertrag.

Viele Jahre lang stand Kienbaum wie kaum ein anderes Unternehmen in Deutschland für Personal- und Managementberatung. Doch während die Außendarstellung funktionierte, verlor der Anspruch den Bezug zur Realität. Fabian Kienbaum selbst sagt heute: „Wir haben zu lange die menschlichen Beziehungen den harten unternehmerischen Entscheidungen vorgezogen.“

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Dabei waren solche Entscheidungen bitter nötig. Seit Jahren büßt Kienbaum Umsatz und Mitarbeiter ein. Zählte man 2013 noch 730 Mitarbeiter, 36 Büros in 21 Ländern und 112 Millionen Euro Umsatz, waren es 2018 nach Unternehmensangaben noch 600 Mitarbeiter, 27 Büros in 14 Ländern und 90 Millionen Euro Umsatz.

Warum? Einerseits trennte sich die Firma zielgerichtet von Feldern wie der Strategieberatung, weil sie sich auf ihren Markenkern konzentrieren wollte. Andererseits wurde auch der Kern kleiner. Dienstleistungen im Bereich Human Resources blieben stabil, doch ausgerechnet der wichtigste Teil darbte: die Personalberatung.

Kienbaum schrumpfte, während Deutschlands Wirtschaft wuchs und sich gerade die Branche der Personalberater prächtig entwickelte. Konkurrent Egon Zehnder etwa verbuchte 2018 ein globales Wachstum von zehn Prozent, getragen auch vom Geschäft in Deutschland. Kienbaum baute in dieser Zeit 40 Stellen ab – mehr als fünf Prozent der Belegschaft. Jahrelang schrieb Kienbaum Verluste, 2016 laut Bundesanzeiger 3,5 Millionen Euro.

Nach einem minimalen Plus 2017 drohte 2018 ohne Entlassungen schon wieder ein ordentliches Minus. Fabian Kienbaum: „Wir haben das Leistungsmanagement rigoroser angesetzt. Durch die Personalmaßnahmen haben wir einen mittleren einstelligen Millionenbetrag eingespart.“

Kienbaum hat ein schweres Erbe angetreten. Die Branche ist nicht mehr so, wie sie war, als sein Vater Jochen sie prägte. In die gerade für Kienbaum so wichtige Vermittlung von Posten im mittleren Management drängten sich neue Konkurrenten. Karriere- und Netzwerkportale wie Xing und LinkedIn kürzen viele Suchprozesse dramatisch ab – und schalten Vermittler manchmal einfach aus.

Im Ringen um Topmanager verschärfte sich der Konkurrenzkampf mit großen, teils internationalen Wettbewerbern wie Egon Zehnder, Heidrick & Struggles, Korn Ferry und Russell Reynolds.

Zu veränderten Rahmenbedingungen gesellten sich zahlreiche eigene Fehler. Kienbaum verschlief Entwicklungen in der Digitalisierung und Diversifizierung. Die neue Welt brachte neue Ansprüche. Kienbaum hatte zu wenig gute weibliche Führungskräfte in seiner Kartei, konnte bei der wachsenden Suche nach Chief Digital Officers nicht ausreichend Kandidaten mit den richtigen Profilen bieten.

Dabei sollte doch schon ab 2014 die Wende her. Beraterlegende Jochen Kienbaum holte Stiefsohn Fabian in die Firma. Der Einstieg von Kienbaum junior, Typ Turnschuhträger statt Lackschuhfraktion, Hoodiefan statt Krawattenfreund, galt als Signal. Der Kurs des Unternehmens sollte sich ändern. Es galt, die Zukunft zu erobern.

Der damals noch keine 30 Jahre alte ehemalige Profihandballer wurde schnell in große Verantwortung gebracht. Fabian Kienbaum kümmerte sich um die Digitalisierungs- und Investmentstrategie, übernahm die Führung des Berliner Büros. All das, obwohl der Junior ob seines Alters kaum Erfahrung mitbringen konnte.

Kienbaum hatte sein Studium des internationalen Managements an der Europe Business School in Paris als Diplom-Kaufmann abgeschlossen und beim US-Unternehmen Hackett in London erste Beraterluft geschnuppert. Manch einer bei Kienbaum wunderte sich deshalb, dass die Familie den Junior nicht erst von anderen Führungskräften einarbeiten ließ – obwohl diese es anboten.

Radikaler Umbau

So gab es statt Anpassung Reibung. Vor allem der Intimus von Kienbaum senior, lange selbst als Nachfolger gehandelt, kam mit der neuen Lage nicht zurecht. Jürgen Kunz, ein Jurist alten Schlages mit dem Ruf einer gewissen Steife, harmonierte nicht mit dem hippen Kienbaum junior. Ende 2016 ging Kunz.

Die Trauer darüber hielt sich im Unternehmen in Grenzen. Kunz trug selbst nicht zum operativen Beratergeschäft bei, das kostete ihn Ansehen in der von Rivalitäten und Umsatzkönigen geprägten Branche. Als Kienbaums graue Eminenz schließlich ausschied, kostete das die Firma viel Geld. Es blieb nicht der einzige Abgang dieser Art.

Das Unternehmen wurde nicht nur von Personalien geschüttelt. Fabian Kienbaum änderte gewissermaßen den genetischen Code des Unternehmens. Er legte nicht nur Geschäftssparten zusammen, sondern führte auch ein neues Vergütungs- und Bonusmodell ein. Sein Ansatz: Im Unternehmen herrsche zu viel Silodenken und Egoismus, zu wenig Miteinander. Das sollte besser werden.

Viele Mitarbeiter stimmen ihm zu. Eine Führungskraft, die lange bei der Konkurrenz arbeitete und dann zu Kienbaum kam, berichtet: „Die Devise lautete: Ich, ich, ich. Eine Selbstmaximierung und Missgunst wie hier kannte ich in diesem Ausmaß nicht. Eine Ausrichtung auf teamübergreifende Arbeit für Mandanten – Fehlanzeige. Es kam gar mehrfach vor, dass sich bei einem Mandanten für die gleiche Aufgabe zwei Kienbaum-Teams vorstellten.“

Als Wurzel des Übels macht der Insider das alte Vergütungssystem aus. Die Verteilung der Berater-Boni war nicht an den Unternehmenserfolg gekoppelt. Wer die persönlichen Ziele erfüllte, erhielt viel Geld – auch wenn es der Firma nicht gut ging.

Inzwischen sind die Fehlanreize abgestellt. „Aber dieses Denken aus den Köpfen herauszubekommen dauert viel länger“, sagt eine ehemalige Spitzenkraft. „Und das unterschätzt Fabian.“

Wie macht die Führung den Willen zum Wandel sichtbar? Ende 2016 zog Kienbaum um. Aus dem provinziellen Gummersbach wechselte das Unternehmen nach Köln. Die neue Zentrale, gelegen in direkter Nähe zum Flughafen, ist modern gestaltet und eingerichtet. Auf mehr als 4000 Quadratmeter Fläche laden Open-Space-Arbeitsplätze und eine offene Struktur zu mehr Miteinander ein.

Neue Räume beseitigen nicht automatisch die Baustellen im Inneren. Der Wandel hinterließ Spuren, riss Löcher. Ein Unternehmen, das schwächelt, verliert oft die stärksten Mitarbeiter zuerst – vor allem, wenn die Konkurrenz wächst. Etablierte und teils sehr umsatzstarke Köpfe haben Kienbaum verlassen. Sörge Drosten und Alexander v. Preen sind zwei der jüngsten Verluste aus der Riege langjähriger Spitzenkräfte.

Wie angespannt ist die Lage? Fabian Kienbaum versucht, die Gemüter zu beruhigen. Zwei bis drei Führungskräfte hätte man nicht verlieren dürfen, sagt der neue Chef. Den Großteil der Trennungen von 20 Führungskräften habe das Unternehmen aber selbst initiiert. Kienbaum sei auf einem guten Kurs.

Ist das so? „Diesen Berater kann ich nicht finden“, lautet verdächtig oft die Antwort für denjenigen, der auf der Webseite von Kienbaum nach bestimmten Personen sucht. Selbst neue Köpfe, die für den Wandlungsprozess angeworben wurden, sind teils schon nicht mehr da.

Leistete sich Kienbaum ausgerechnet bei der Suche nach eigenem Personal Fehler? „Bei anderen Beratungshäusern muss ich Dutzende Gespräche in zig Büros durchlaufen, werde auf Herz und Nieren geprüft, kann aber auch selbst den Arbeitgeber umfassend prüfen“, sagt ein Mitarbeiter. „Hier geht es damit verglichen fast unprofessionell zu.“

Die hohe Fluktuation, Personalabbau und die Aussicht auf die Schließung weiterer Standorte wie Hannover und Karlsruhe verunsichern die verbliebene Belegschaft. Auch die Zukunft des Büros in Düsseldorf, einst eines der größten, wurde diskutiert.

Vielerorts gären Zweifel, wachsen Ängste. Das sei nicht die richtige Stimmung, tadelte Fabian Kienbaum. In einer internen Rundmail klagte er über die wenig konstruktive Mitarbeit im Wandel. Auch dies kam nicht bei allen Mitarbeitern als motivierend an.

Zuletzt aber, sagt Kienbaum, überwogen die Fortschritte. Man führe intern konstruktive Gespräche und es gehe in die richtige Richtung. Ziel sei nun profitables Wachstum mit Augenmaß und gesunder Kostenstruktur. Konkret: steigende Umsätze im Branchenschnitt von fünf bis acht Prozent. „Daran möchten wir uns messen lassen“, sagt Kienbaum. Mit der bestehenden Mannschaft müsse es möglich sein, „2020 wieder über einen Umsatz von über 100 Millionen Euro zu kommen.“

Ein Treiber sollen rein digitale Lösungen sein, mit denen man bisher nur 1,5 Millionen Euro Jahresumsatz schrieb. Es sei aber ein „realistisches Ziel, dies im kommenden Jahr zu verdoppeln“, so Kienbaum.

Es sind große Ziele, die der Junior setzt. 2017 meldete Kienbaum im Bundesanzeiger beim Jahresergebnis ein Plus von 330.000 Euro. 2018 werde es wohl etwa eine halbe Million Euro sein, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Das sind schwächere Renditen, als anderswo mit dem Handel von Seife und Waschpulver verdient werden. Kienbaum selbst war einst nicht einmal mit einer Marge von 15 Prozent zufrieden. Nun boomt die Branche, und Kienbaum dümpelt. Fabian Kienbaum hat einen langen Weg vor sich – nicht nur, weil er erst 34 ist.

* Name geändert