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Kerosinsteuer, Ticketabgabe, CO2-Preis: Die Ideen der Politik alarmieren Airline-Manager

In der Europäischen Union werden gerade die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt. Nach der Europawahl werden nicht nur Topämter vergeben, auch die strategische Agenda der EU wird von den Staats- und Regierungschefs und dem Europaparlament neu justiert. Für eine Branche verheißt das nichts Gutes: die Luftfahrt.

Der Klimaschutz – das beherrschende Thema im EU-Wahlkampf – rückt nun unter den politischen Prioritäten ganz nach oben. „Wir haben die umweltfreundlichen Verkehrsträger Bus und Bahn sehr stark belastet, während der Flugverkehr von vielen Steuern und Abgaben befreit ist“, sagt der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU). Dies müsse sich ändern.

Der Spitzenkandidat der Grünen bei der Europawahl, Bas Eickhout, fordert: „Die Airlines müssen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten – auch damit andere Verkehrsmittel wie die Bahn attraktiver werden.“

Auf Regierungsebene machen Frankreich und die Beneluxstaaten Druck. Sie wollen mit gleichgesinnten Ländern die neue EU-Kommission beauftragen, zügig nach dem Amtsantritt im November Pläne für eine stärkere Belastung des Flugverkehrs etwa über den Emissionshandel (ETS), eine Ticket- oder eine Kerosinsteuer vorzulegen. „Wir werden zusammenarbeiten müssen, um die Luftfahrt zu besteuern“, sagt ein niederländischer Diplomat.

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Branche fürchtet Belastungen

Airline-Manager sind alarmiert. Sie fürchten massive zusätzliche Belastungen, deren Wirksamkeit sie noch dazu anzweifeln. „Insellösungen, auch auf europäischer Ebene wie das ETS, bringen in einer globalen Industrie gar nichts“, warnt Ralf Teckentrup, der Chef der Ferienfluggesellschaft Condor.

Das sehe man schon an der Einführung der deutschen Luftverkehrsabgabe im Jahr 2011. „Zunächst als Lenkungsabgabe geplant, sollte sie Umweltfolgen des Luftverkehrs wie Lärm oder Energieverbrauch steuern“, so der Condor-Chef: „Faktisch hat sie nur dazu geführt, dass ausländische Airlines schneller gewachsen sind und wir in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil erfahren haben.“

Hinzu kommt: Die weltweite Luftfahrtindustrie hat sich darauf geeinigt, ab 2020 klimaneutral zu wachsen. Die „Corsia“ genannte Vereinbarung soll gewährleisten, dass die Airlines ab dann jede mehr als bisher ausgestoßene Tonne CO2 kompensieren, etwa durch die Finanzierung von Aufforstungsmaßnahmen. „Mit Corsia wird ein entscheidender Baustein der weltweiten Klimaschutzstrategie eingeführt“, sagte Condor-Chef Teckentrup.

Schon diese Selbstverpflichtung ist eine gewaltige technische und finanzielle Herausforderung für die Branche, in der ein harter Preiswettbewerb herrscht. „Vielen Airline-Managern dämmert erst jetzt, auf was sie sich da eingelassen haben“, sagt die Führungskraft einer Airline: „Wenn jetzt auch noch Ticketsteuer, Kerosinsteuer und eine Ausweitung des Emissionsrechtehandels kommen, sieht es düster aus mit den Gewinnen.“

Doch in den Führungsetagen realisiert man langsam, dass die Branche um Mehrbelastungen kaum herumkommen wird. Das Problem: Wegen der Übergangsphase in Brüssel weiß keiner, worauf man sich einstellen muss – ein Grund, warum sich so viele Airline-Manager bei dem Thema bislang auffällig zurückhalten. „Je mehr wir auf einem Thema herumreiten, desto schneller und heftiger wird es an anderer Stelle krachen“, beschreibt eine Führungskraft einer Airline die Stimmung.

Tatsächlich läuft die Diskussion um die Luftfahrt und das Klima gerade richtig hoch. Vergangene Woche sprachen sich die Fraktionschefs von CDU und CSU in Bund und Ländern dafür aus, die Steuerbefreiung von Kerosin zu überprüfen. Auch SPD und Grüne fordern dies, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reagierte aber skeptisch.

Dass die Airlines in den Fokus rücken, kommt nicht von ungefähr. Wer einmal von London nach New York und zurückfliegt, stößt dabei so viel Kohlendioxid aus wie ein Durchschnittsbürger beim Heizen seiner Wohnung im gesamten Jahr. Der weltweite Luftverkehr ist derzeit für 2,8 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Wäre er ein Land, würde er sich unter den Top-Ten-Emittenten des klimaschädlichen Gases wiederfinden. Der Ausstoß ist bereits stark gestiegen und dürfte sich nach der Prognose der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO bis 2050 noch einmal mindestens vervierfachen.

Das Verkehrsaufkommen selbst ist aber regulatorisch kaum zu steuern. Ein Verbot etwa von innereuropäischen Kurzstrecken, wie es derzeit diskutiert wird, ist rechtlich problematisch. Die Richtlinien der European Common Aviation Area, ein wichtiges Regelwerk für die Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs, sehen eine solche Beschränkung schlicht nicht vor. Der Politik bleibt daher nur eine Steuerung der Nachfrage über die Preise, sprich: eine Verteuerung der Flugtickets über Steuern und Abgaben.

Liese und Eickhout fordern deshalb unisono, die Branche stärker in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Die EU-Kommission bereitet bereits eine Studie vor, wie sich dies auf die Wettbewerbssituation der europäischen Fluggesellschaften auswirken würde. Sie soll im kommenden Jahr vorgelegt werden.

Der innereuropäische Luftverkehr nimmt zwar bereits seit Anfang 2012 an dem Handel mit Verschmutzungsrechten teil, deren Menge gedeckelt ist und Jahr für Jahr reduziert wird. Anders als andere energieintensive Sektoren wie die Stahlindustrie bekommen die Fluggesellschaften aber 85 Prozent der ihnen zugewiesenen Zertifikate kostenlos. Braucht ein Unternehmen mehr als die ihm zugeteilten Rechte, muss es diese am freien Markt zukaufen.

Wegen der zunächst sehr niedrigen Zertifikatepreise schmerzte das die Fluggesellschaften und deren Kunden lange Zeit kaum. Inzwischen aber haben die Preise stark angezogen. Nach Schätzung des Umweltverbands Transport & Environment (T & E) mussten die Airlines 2018 rund 700 Millionen Euro für die Zertifikate bezahlen. Würden sie künftig keine Rechte mehr kostenlos erhalten, würde dies die Unternehmen rund 800 Millionen Euro zusätzlich kosten, rechnet T & E-Experte Andrew Murphy vor.

„Verschärfung würde Wettbewerb verzerren“

Dagegen verweist die Luftfahrtbranche darauf, dass schon das bisherige System eine Benachteiligung gegenüber außereuropäischen Konkurrenten bedeutet. „Eine Verschärfung würde den Wettbewerb nun noch weiter verzerren“, warnt ein Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Corsia sei auch deshalb entwickelt worden, um ein weltweites System ohne Wettbewerbsverzerrung zu etablieren.

Doch solche Argumente verpuffen. CDU-Politiker Liese etwa bezeichnet die Corsia-Vereinbarung als „Witz“. Während die Staaten laut Pariser Klimaschutzabkommen ihre Treibhausgasemissionen um 40 Prozent senken müssten, werde der heutige CO2-Ausstoß der Luftfahrt überhaupt nicht angegangen. Die in Corsia vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen seien überdies eine „Luftbuchung“, so Liese.

Anderen geht eine Ausweitung des Emissionshandels nicht weit genug. Eickhout und Murphy fordern zusätzlich eine Kerosinsteuer. Diese würde den EU-Staaten nach Schätzung von T & E rund neun Milliarden Euro an Einnahmen bringen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Beratungsfirma CE Delft im Auftrag der EU-Kommission würden die Ticketpreise durch eine solche Steuer im Schnitt um zehn Prozent steigen und die CO2-Emissionen etwa ebenso stark sinken. Eine Rechnung allerdings, deren Validität etwa vom europäischen Airline-Verband A4E massiv angezweifelt wird.

Kerosinsteuer ist schwer umzusetzen

Gerade beim Thema Kerosinsteuer zeigt sich das Dilemma der Luftfahrt. Dass Kerosin anders als Benzin oder der Strom der Bahn nicht besteuert wird, hat einen Grund: Weltweit haben sich die Staaten bereits 1944 in der Chicago Convention darauf geeinigt, die Kosten für die Infrastruktur für den Luftverkehr nicht über Steuern, sondern durch die Nutzer zu finanzieren. Deshalb müssen die Airlines Gebühren an die Flughäfen oder die Flugsicherungen zahlen.

Darauf verweisen die Branchenvertreter wieder und wieder. Doch das Argument zieht nicht. Daran ist nicht zuletzt der in Europa extrem ausgeprägte Preiswettbewerb in der Luftfahrt schuld. „Jeder sieht, dass die Ticketpreise immer weiter sinken. Da ist die Annahme nicht fern, dass die Branche Zusatzbelastungen gut verkraften wird“, sagt ein Airline-Manager.

Die Kritiker der Luftfahrt jedenfalls wollen sich von alten internationalen Abkommen nicht bremsen lassen. Die internationalen Vereinbarungen würden zwar die Besteuerung des Flugbenzins erschweren. EU-weit ließe sich eine solche Steuer zudem nur mit Zustimmung aller Mitgliedstaaten einführen und wäre daher „kaum umsetzbar“, räumt Eickhout ein: „Trotzdem sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine Gruppe von Staaten vorangeht.“

Eine Alternative wäre, statt des Treibstoffs die Flugtickets zu besteuern. Die Niederlande etwa wollen ab kommendem Januar eine Steuer von sieben Euro pro Passagier einführen, der von den heimischen Flughäfen ins Ausland fliegt. Die Regierung würde aber eine europäische Lösung bevorzugen – notfalls im Rahmen einer Koalition der willigen Länder.

Für deutsche Airlines wie Lufthansa wäre ein solcher Ansatz wohl relativ gut zu verkraften: In Deutschland gibt es eine solche Steuer bereits seit mehreren Jahren, deren Höhe sich an der Entfernung orientiert. Die Abgabe könnte in ein europäisches System überführt werden. Allerdings zeigt Deutschland auch, dass eine solche Steuer wegen des starken Wettbewerbsdrucks nicht unbedingt zu höheren Flugpreisen führt.

Und eine Herausforderung gibt es bei allen Ideen, die derzeit kursieren: Sie dürften die Konsolidierung beschleunigen und damit die Auswahl für den Konsumenten reduzieren. „Die Starken werden stärker, denn sie können solche Zusatzkosten am besten wegstecken“, sagt ein Airline-Manager.

Mehr: Steigende Kerosinpreise, immer komplexere Entwicklungen und das Drama um die Boeing 737: Experten sehen schwierige Zeiten auf die Luftfahrtbranche zukommen.