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„Im Kern völkisch, rassistisch und autoritär“

Juso-Chefin zur AfD - „Im Kern völkisch, rassistisch und autoritär“

Wie schwer es ist, sich mit der auseinanderzusetzen, zeigt der Katholikentag in Leipzig. Die rechtspopulistische Partei wurde erst gar nicht eingeladen – eine Entscheidung, die teilweise scharfe Reaktionen auslöste. Eben diese Schärfe im Umgang mit der will die künftig vermeiden. Weniger Attacke, mehr Argumente lautet die neue Strategie. Der Parteivorstand berät hierzu am Montag ein Positionspapier von Olaf Scholz, in dem der -Vizechef eine sachliche Auseinandersetzung mit der AfD empfiehlt. Zeitgleich starten die Jusos eine bundesweite Kampagne – mit einer ähnlichen Stoßrichtung. Es mache keinen Sinn die Partei und ihre Mitglieder nur als Nazis zu bezeichnen, die man nicht wählen dürfe. „Wir wollen Leute wieder zum Widerspruch befähigen. Wir wollen ihnen Argumente an die Hand geben, die ihnen helfen, rassistischen Sprücheklopfern wie der AfD Paroli zu bieten“, erläutert Juso-Chefin Johanna Uekermann die Aktion mit dem Titel „Kein Grund zur Panik!“, die an diesem Wochenende (27. Bis 29. Mai) bei einer Konferenz der Juso-Unterbezirke und -Kreisverbände in der Berliner SPD-Zentrale vorgestellt werden soll.

Welches Licht wirft es auf die politische Kultur in Deutschland, wenn viele Bürger sich für eine Partei, wie die AfD, begeistern, deren Programm in Teilen verfassungsrechtlich bedenklich ist?

Ich finde es alarmierend, dass wir im politischen Wettstreit einen solchen Rechtsruck beobachten müssen. Bedenklich finde ich auch den großen Zuspruch, den die AfD erfährt. Scheinbar gelingt es der AfD sich als demokratische Partei darzustellen. Es ist höchste Zeit für alle anderen Parteien, sich stärker mit der Programmatik der AfD auseinanderzusetzen und sie zu entlarven.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der AfD?

Man kann die Partei sehr schlecht fassen. Das hat auch mit ihrem Werdegang zu tun. Die AfD ist von Personen als antieuropäische Partei gegründet worden, die ihr auch einen gewissen bürgerlichen Anstrich gegeben haben. Und dieses Image versucht sie weiter aufrecht zu erhalten. Aber mit der Flüchtlingskrise und der gleichzeitigen Herausbildung unterschiedlicher Strömungen in der AfD hat sich diese Partei grundlegend verändert. Sie ist jetzt vor allem eine rechtspopulistische und in Teilen sogar rechtsextreme Partei, die Verbindungen zur neuen Rechten hat. Und sie verfolgt in großen Teilen eine Ideologie, die im Kern völkisch, rassistisch und autoritär ist.

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Hat sich auch innerhalb der Gesellschaft etwas verändert?

Die Debatten haben sich nach rechts verschoben. Wenn man früher mit Freunden oder Arbeitskollegen zusammenstand und einer hat einen rassistischen Spruch geklopft, dann haben alle anderen den Kopf geschüttelt und haben widersprochen. Jetzt gibt es für solche Sprüche oft Zustimmung und niemand wagt sich aus der Deckung und interveniert.

Und hier setzt Ihre Kampagne an.

Ja. Wir wollen Leute wieder zum Widerspruch befähigen. Wir wollen ihnen Argumente an die Hand geben, die ihnen helfen, rassistischen Sprücheklopfern wie der AfD Paroli zu bieten.


„Die AfD wurde schon in ihrem Gründungsjahr unterschätzt“

Warum kam die Kampagne nicht schon früher? Haben die etablierten Parteien unterschätzt, dass die AfD das Zeug haben könnte drittstärkste Kraft in Deutschland zu werden?

Die AfD wurde schon in ihrem Gründungsjahr unterschätzt. Viele dachten, denen wird es bestimmt so gehen, wie den Piraten. Die verschwinden bald wieder in der Versenkung. Viele wussten auch gar nicht, wie man sich mit dieser Parteineugründung konkret auseinandersetzen soll. Statt die AfD mit Argumenten zu entzaubern, hat man sich darüber gestritten, welcher Umgang der richtige ist: Soll man sie ignorieren, soll man widersprechen, soll man mit ihr diskutieren oder nicht. Ich bin froh, dass wenigstens die SPD sich mit der Stimmung im Land und mit der AfD auseinandersetzt, etwa mit der Kampagne „Meine Stimme für Vernunft“.

Eine Aktion, die von Prominenten wie Iris Berben, Udo Lindenberg und Clemens Schick unterstützt wird.

Ja. Als Jusos haben wir immer darauf gedrungen, Widerspruch zu organisieren, um die AfD zu entlarven. Mit unserer Kampagne versuchen wird jetzt noch konkreter bei den Themen Geflüchtete und Integration aufzuklären, weil die AfD hier in unverantwortlicher Weise Ängste schürt.

Liegt ein Grund für das Erstarken der AfD auch darin, dass Deutschland von einer Großen Koalition regiert wird?

Da besteht ein Zusammenhang. Man muss nur nach Österreich schauen. Dort wurde die Große Koalition immer kleiner und die FPÖ immer größer. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass die großen Parteien, wenn sie miteinander koalieren, an Profil verlieren. Wenn nicht mehr über politische Konzepte gestritten wird und unscharf bleibt, was die einzelnen Parteien wirklich wollen, dann bleiben am Ende auch nicht mehr viele Alternativen übrig, die man wählen kann. Das hilft den Populisten – in Österreich der FPÖ und in Deutschland der AfD.

Drohen in Deutschland österreichische Verhältnisse?

Noch haben wir keine österreichischen Verhältnisse. Es ist aber höchste Zeit, jetzt etwas zu tun, damit wir den Trend umkehren. Ich sehe mehrere Angriffspunkte. Das eine ist, die Positionierung der AfD mit Fakten zu widerlegen. Wir müssen aufzeigen, dass die Mehrheit im Land nicht will, was die AfD will. Man muss andererseits hinterfragen, wie es der AfD gelingt, so viele Leute für ihre Ideologie zu mobilisieren. Mit welchen Ängsten spielt sie da. Hier muss man genau schauen, ob diese Ängste gerechtfertigt sind.

Was glauben Sie?

Mein Eindruck ist, dass viele Leute Abstiegsängste haben und der Ansicht sind, dass wir eine soziale Schieflage in Deutschland haben. Die ungleiche Vermögensverteilung spielt sicherlich auch eine Rolle. Die AfD lädt solche Themen mit rassistischen Argumenten auf, um gegen die Politik Stimmung zu machen. Da sind wir alle gefordert. Vor allem die Sozialdemokraten müssen sich den tieferliegenden Ursachen dieser Stimmungsmache stellen und nicht nur über soziale Gerechtigkeit reden, sondern sie auch in konkrete Regierungspolitik umsetzen.


„Innenminister Thomas de Maizière ist ein Totalausfall“

Besteht in der Auseinandersetzung mit der AfD vor allem nicht auch das Problem, dass man den Parteifunktionären mit Argumenten nicht beikommt?

Wir wussten immer schon aus Studien, dass es in Deutschland durchaus ein Potential gibt für rechte Parteien. Das zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten. Nur gab es bisher keine Partei, die dieses Potential abschöpfen konnte. Mit der AfD hat sich das nun geändert. Ich glaube nicht, dass es einfach ist, sie zu bekämpfen. Unser Ansatz ist nicht, die Funktionäre oder den harten Kern der AfD zu erreichen. Die sind für das demokratische Spektrum kaum ansprechbar, weil sie sich in ihrem geschlossenen Weltbild bewegen. Unser Ziel ist es, an die Freunde oder an die Bekannten heranzukommen. Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen und Aufklärung leisten, dass die Argumente der AfD falsch sind.

In welchem Format soll diese Aufklärung stattfinden?

Wir lassen zum Beispiel Bierdeckel produzieren. Auf der einen Seite steht eine AfD-Parole und auf der anderen Seite Fakten, die sie widerlegen. Wir wollen damit zeigen, dass man die Partei und ihre Politik entzaubern kann. Deswegen bilden wir auch sogenannte Stammtischkämpferinnen und Stammtischkämpfer aus. Wir schulen Leute darin, rechtspopulistischen Äußerungen mit Argumenten zu widersprechen. Es macht keinen Sinn nur zu sagen, die AfD, das sind Nazis, die dürft ihr nicht wählen. Wir müssen sagen, warum man diese Partei nicht wählen kann, warum es gefährlich ist, was sie vertreten, warum es im Kern rassistisch und demokratiefeindlich ist.

In Deutschland tun sich die etablierten Parteien schwer im Umgang mit der AfD. Würden Sie sich wünschen, dass man parteiübergreifend bei diesem Thema an einem Strang zieht?

Es ist sehr bezeichnend, dass man in der Auseinandersetzung fast nur die SPD-Minister, insbesondere Heiko Maas, wahrnimmt. Die Union hat immer noch nicht ihren Weg gefunden. Die ist mit ihrem Anbiedern an die Themen der AfD genauso ein Totalausfall wie Innenminister Thomas de Maizière, der auf Ignorieren setzt. Auf kommunaler Ebene kann eine parteiübergreifende Zusammenarbeit gegen die AfD schon eher funktionieren, indem man sich gemeinsam gegen Anträge der Partei stellt und damit deutlich macht, dass die AfD außerhalb des demokratischen Konsens‘ steht.

Und das reicht?

Grundsätzlich bin ich dafür, dass wieder mehr zwischen den Parteien gestritten wird. Wir brauchen unterschiedliche politische Konzepte, um die gerungen wird. Es muss klar werden, wo die Parteien stehen, welche alternativen Gesellschaftsentwürfe es gibt und wo die Unterschiede sind. Es hilft nichts, nur zu sagen, dass wir gemeinsam gegen die AfD sind. Das bestärkt die Partei nur in ihrer Opferinszenierung.

Auch wenn immer wieder gefordert wird, sie vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen?

Das allein hilft ja nicht. Nur vom Beobachten durch den Verfassungsschutz wird die Zahl der Anhänger ja nicht geringer. Wir müssen dazu übergehen, die Kritik an der Partei mit argumentativem Leben zu erfüllen. Unser Ansatz ist es, auf diese Weise zu zeigen, dass sich die AfD mit ihrer rassistischen und völkischen Grundausrichtung außerhalb des demokratischen Spektrums bewegt.

KONTEXT

AfD-Programm: Das fordert die Partei

Mindestlohn

Die AfD ist für den gesetzlichen Mindestlohn. Damit liegt sie auf einer Linie mit SPD, Grünen, der Linkspartei und Teilen der Union.

Erbschaftssteuer

Geht es nach der AfD soll die Erbschaftssteuer abgeschafft werden. Dafür setzt sich aktuell auch die FDP ein.

Bundespräsident

Die AfD möchte, dass der Bundespräsident künftig direkt vom Volk gewählt wird. Dieser Vorschlag kam 2009 auch vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Zustimmung erhielt er dafür nur aus der FDP.

Volksentscheid

Die AfD will mehr direkte Demokratie durch Volksentscheide. Auch die SPD, die Linke und die Grünen wollen, dass die Hürden für Volksentscheide abgesenkt werden. Ihre Vorschläge gehen aber nicht so weit wie die Ideen der AfD.

Familie

Die traditionelle Familie gilt der AfD als Keimzelle der Gesellschaft. Das Loblied auf die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie taucht in dieser Form auch im Parteiprogramm der CSU auf.

Freihandelsabkommen

Die AfD lehnt die Freihandelskommen TTIP und CETA ab. Auch die Linke und die Grünen sind dagegen.

KONTEXT

Wie die Parteien mit der AfD umgehen

CDU und CSU

Als Spezialproblem der Union wird die AfD ausdrücklich nicht betrachtet. Aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel ist dem Protest die Spitze zu nehmen, indem man Probleme anspricht und zu lösen versucht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) beharrt darauf, die AfD zu ignorieren. Die CSU fährt einen eigenen Kurs. Mit scharfer Kritik an Merkels Kurs versucht Parteichef Horst Seehofer, eine dauerhafte AfD-Etablierung rechts von der Union zu verhindern.

SPD

Die SPD fordert, der Verfassungsschutz müsse die AfD beobachten. Als schräg empfanden es viele, dass in Mainz SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer sich einem TV-Duell mit der AfD verweigerte - ihr SPD-Landeschef ging dann hin. Die AfD könnte auch der SPD kleinbürgerliche Anhänger abjagen, die denken, der Staat kümmere sich nur noch um Flüchtlinge. So fordert Parteichef Sigmar Gabriel ein Solidarpaket für sozial benachteiligte Bürger.

Grüne

Die Grünen haben die geringsten politischen Schnittmengen mit der AfD und müssen von den etablierten Parteien wohl am wenigsten eine Abwanderung ihrer Wähler befürchten. Korrigiert wurde aber das Nein zu TV-Talkrunden mit der AfD. Die Rechtspopulisten haben laut Grünen-Chefin Simone Peter "eine Wucht erzeugt", dass man sich mit der Partei "an einen Tisch setzen" müsse.

Linke

Die Linke setzt auf klare Abgrenzung zur AfD. Durch die leichten Zugewinne bei den Kommunalwahlen in Hessen sieht sie diesen Kurs bestätigt. Union und SPD wirft die Linke dagegen vor, als Reaktion auf die AfD-Erfolge nach rechts zu driften. "Wir können durchaus von einer Polarisierung nach rechts reden", sagt Parteichef Bernd Riexinger.

FDP

FDP-Chef Christian Lindner wollte die AfD lange ignorieren. Doch spätestens nach den Silvester-Übergriffen überwiegend ausländischer Täter auf Frauen in Köln und Hamburg, die auch die bürgerliche Mitte verunsicherten, war dieser Kurs nicht durchzuhalten. Lindner sieht die AfD aber nicht als direkte Konkurrenz: "Die Freien Demokraten sind unter allen Parteien der schärfste Kontrast zur AfD".

KONTEXT

Wird sich die AfD etablieren oder wieder verschwinden?

Träger

Das hängt vom Auftreten der AfD-Abgeordneten in den Landtagen, von der inhaltlichen und strategischen Ausrichtung der Partei sowie von der Bedeutung der Flüchtlingssituation als dem dominierenden Thema ab. Aber auch ohne Flüchtlingssituation würde die AfD wahrscheinlich nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden, sondern könnte ein Kernwählerpotenzial von mehr als fünf Prozent an sich binden und dann - allerdings in deutlich kleinerer Formation - in weitere Parlamente einziehen. Wenn aber die CSU bundesweit antreten würde, könnte es rechts der CDU eng werden; das könnte dann auch zulasten der AfD gehen. Und gelegentlich hat man den Eindruck, dass das Tischtuch von CDU und CSU große Risse hat, aber beide Seiten aus Gewohnheit oder Angst vor einer Zukunft alleine vor dem Gang zum Scheidungsanwalt zurückschrecken.

Poguntke

Die AfD wird nicht verschwinden, aber sie wird auch nicht so stark bleiben.

Auf Bundesebene wird sie sich vielleicht auf Dauer zwischen 5 und 10 Prozent einpendeln, auf Landesebene wird es regionale Unterschiede geben. Es wird Regionen geben, in denen die AfD fast keine Rolle spielen wird, und Regionen - vor allem in Ostdeutschland - bei denen sie als politische Kraft im Landtag sitzen wird.

Andererseits kann man aber auch sagen, dass bei neuen Parteien immer die Gefahr besteht, dass sie sich selbst zerlegen. Der wirtschaftsliberale Flügel der AfD hat sich ja bereits abgespalten.

Es gibt vieles, was darauf hinweist, dass im nächsten Bundestag vermutlich sieben Parteien vertreten sein werden: CDU, CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD.

Lewandowsky

Zurzeit ist die AfD noch stark abhängig von der Protestorientierung der Wähler sowie dem Thema "Flüchtlingskrise". Beruhigt sich die Lage, dann wird der AfD dieses Mobilisierungsthema abhanden kommen. Es wird für die Partei dann entscheidend sein, ob sie in der Lage ist, die Unzufriedenheit mit der Politik weiter zu bedienen und entsprechend zu mobilisieren. Die AfD hat ein großes Wählerpotenzial, ist aber aus meiner Sicht noch nicht in dem Sinne etabliert, als sie über eine ausreichende Zahl von Stammwählern verfügt.