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Keks-Erbin Verena Bahlsen hat ihre Lektion gelernt

Verena Bahlsen ist auf einer Mission. „Mit unserer Forschung und Erfahrung helfen wir Menschen und Unternehmen beim Wandel zu einer besseren Zukunft in Sachen Ernährung.“ So steht es auf der Website des Unternehmens Hermann‘s, das die 26-Jährige in Berlin gegründet hat: ein Restaurant mit angeschlossener Unternehmensberatung. Die Miterbin des Hannoveraner Keksbäckers Bahlsen will von dort aus die industrielle Lebensmittelwirtschaft zum Guten umkrempeln. So jedenfalls der Anspruch.

In dieser Woche jedoch hat die junge Unternehmerin unfreiwillig eine Debatte um den Umgang deutscher Unternehmer mit dem Thema Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Bei Facebook und Twitter prasselten erboste Kommentare auf sie ein, die „Berliner Zeitung“ und „taz“ widmeten ihr Stücke auf der Titelseite, selbst beim internationalen Wirtschaftsdienst Reuters und der BBC tauchte ihr Name auf.

Was war geschehen? Ausgangspunkt war die Digitalkonferenz Online Marketing Rockstars (OMR), bei der Bahlsen vor gut einer Woche auftrat. Sie spricht öfter bei solchen Veranstaltungen, um ihre Botschaft zu verbreiten, Nachhaltigkeit bringe neue Kunden und mehr Gewinn.

Bahlsen illustrierte das mit einem flapsig vorgetragenen Bekenntnis: „Ich bin Kapitalistin. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen, das ist toll. Ich will mir ’ne Segel-Yacht kaufen und solche Sachen.“ Mit diesem Antrieb könne sie zugleich die Welt verbessern: „Ich wollte früher unbedingt rebellieren und kreative Schriftstellerin werden. Doch dann habe ich gemerkt, was die Wirtschaft für ein Hammer-Vehikel ist.“

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Vor Ort gab es Applaus für den lebhaften Auftritt der jungen Frau. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kamen die Sätze, losgelöst von ihrem Kontext, schlecht an: Einige Nutzer verwiesen darauf, dass die Bahlsens ihr Vermögen auch dem Einsatz von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg verdanke.

Am drauf folgenden Wochenende konfrontierte „Bild“ die Erbin mit den Vorwürfen. Die konterte: Das Unternehmen habe sich „nichts zu Schulden kommen lassen“, es habe Zwangsarbeiter „genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt“.

Die naiven Sätze lösten in den sozialen Medien einen Shitstorm aus – aber auch ernsthafte Diskussionen. „Nicht nur bei Mitgliedern der Familie Bahlsen gibt es erhebliche Wissenslücken. Das Thema NS-Zwangsarbeit ist oft noch immer ein weißer Fleck im kollektiven Gedächtnis“, mahnte etwa das Berliner Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit.

In Deutschland kam es erst zur Jahrtausendwende zur einer großen Diskussion, weil die Wirtschaft nach Opferklagen hohe Entschädigungen fürchtete. Ergebnis war die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die bis 2007 insgesamt 4,4 Milliarden Euro an 1,66 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter ausgezahlt hat – auch mit Zuwendungen der Industrie, unter anderem von Bahlsen. Dennoch hat das Unternehmen selbst in Veröffentlichungen das Bild verbreitet, Zwangsarbeiter seien im Krieg so „gut“ behandelt worden, dass sie anschließend sogar dort freiwillig weitergearbeitet hätten.

Am Mittwoch entschuldigte sich Verena Bahlsen in einer persönlichen Erklärung. Ihre „unbedachten“ Äußerungen seien ein „Fehler“ gewesen. „Ich habe auch erkannt, dass ich mich intensiver mit der Historie des Unternehmens, dessen Namen ich trage, beschäftigen muss. Als Nachfolgegeneration haben wir Verantwortung für unsere Geschichte.“ Jetzt soll der Ex-Chefhistoriker von VW, Manfred Grieger, die Geschichte aufarbeiten.