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Kehrtwende bei Porsche, Daimler & Opel: Das sind die Gründe der Autobauer für den Einstieg in die Produktion von Batteriezellen

Noch werden die bei der Produktion des Porsche Taycan verwendeten Zellen von LG Chem produziert.
Noch werden die bei der Produktion des Porsche Taycan verwendeten Zellen von LG Chem produziert.

Für die meisten europäischen Autobauer spielte die Batterie bei den E-Autos in den letzten Jahren eine eher untergeordnete Rolle. Die Manager nahmen das Thema lange auf die leichte Schulter und kauften die Batteriezellen, oder teilweise sogar die kompletten Stromspeicher bei asiatischen Zulieferern wie CATL oder LG Chem ein. Anstatt die Entwicklung und Fertigung dieser elementaren Bauteile selbst in die Hand zu nehmen, konzentrierte man sich stattdessen auf die klassischen Autobauer-Disziplinen. Dies hat nicht nur zu einer überwältigenden Marktmacht, sondern auch zu einer großen Abhängigkeit von den chinesischen und südkoreanischen Produzenten geführt.

Angesichts des aktuell rasant steigenden Marktanteils reiner Elektroautos, sowie der damit verbundenen Steigerung des Produktionsvolumens, müssen die Konzernlenker umdenken. Kein Wunder, schließlich haben sich die deutschen Hersteller bei der Transformation hin zur E-Mobilität ambitionierte Ziele gesetzt. Audi hatte beispielsweise Mitte Juni angekündigt, dass schon ab 2026 keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickelt werden sollen und 2033 der letzte Benziner oder Diesel mit den vier Ringen im Grill die Werkshallen verlassen soll. Da hierzulande schon bald jährlich Millionen von batteriebetriebenen PKW vom Band laufen werden, wollen VW, Daimler und Co. sicherstellen, dass auch das mitunter wichtigste und teuerste Bauteil der Stromer zukünftig aus heimischer Produktion kommt.

Ein hoher Anteil an der Wertschöpfung

Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach hält dies für einen längst überfälligen Schritt: "Die Autobosse haben noch vor wenigen Jahren gesagt, dass die Batterie eine bloße Commodity sei, die man dazukaufen könne. Das war und ist Unsinn, das sehen nun wohl die neuen Chefs an den Hebeln der Autobauer ebenfalls so", äußert sich der Auto-Experte gegenüber Business Insider. Die heimische Produktion mache vor allem aus wirtschaftlicher Sicht Sinn. "Die Batterie ist der teuerste Teil des E-Autos, sie macht rund 40 Prozent der Gesamtkosten aus. Entsprechend hoch ist ihr Anteil an der Wertschöpfung." Zeitgleich sieht Stefan Bratzel bei den Stromspeichern noch ein großes Verbesserungspotenzial, dass sich die für ihren Erfindergeist bekannten deutschen Hersteller zu Nutzen machen können: "Die Batterie wird wohl im Wettbewerb einer der wichtigsten Vor- oder Nachteile sein. In der Eigenproduktion können die deutschen Autobauer die Qualität durch Innovation deutlich steigern", resultiert der Fachmann.

Porsche entwickelt innovative Hochleistungszellen

Dieses Potenzial hat offenbar auch Porsche erkannt. Deshalb hat die Traditionsmarke zusammen mit den Spezialisten von Customcells aus Itzehoe das Gemeinschaftsunternehmen Cellforce Group gegründet, welches seinen Stammsitz in Tübingen hat und Hochleistungszellen entwickeln soll. Das Endprodukt soll ab 2024 in der Nähe des Stammwerks in Zuffenhausen gefertigt werden und in den Rennfahrzeugen, sowie Kleinserienmodellen wie potenziellen zukünftigen Supercars eingesetzt werden. "Diese Anwendungsfälle verlangen nach einer speziellen Zellchemie, die andere, extreme Anforderungen erfüllen muss als eine Zelle für das Volumensegment. Porsche setzt auch bei der Entwicklung von hochleistungsfähigen Batteriezellen auf das Erfolgsprinzip „vom Motorsport in die Serie. Von den bekannten Lieferanten am Weltmarkt sind solche speziellen Zellen, wie wir sie benötigen, heute nicht verfügbar. Batteriezellen mit Silizium-Anoden sind eine Innovation mit Gamechanger-Potenzial. Unser Ziel: die Spitze im weltweiten Wettbewerb um die leistungsstärkste Batteriezelle. Wir sichern unsere globale Wettbewerbsfähigkeit und unseren technologischen Vorsprung", erklärt Porsche auf Anfrage von Business Insider.

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Noch bedeutender für die Region Stuttgart dürfte jedoch sein, dass auch Daimler seine Pläne geändert hat. Der Konzernchef Ola Källenius wollte zwar lange Zeit auf eine eigene Zellfertigung verzichten und stattdessen auf diesem Gebiet die Zusammenarbeit mit dem fernöstlichen Branchengiganten CATL stärken, sowie die Zellen ab 2022 von dem amerikanisch-chinesischen Partner Farasis im sachsen-anhaltischen Bitterfeld produzieren lassen. Der Bau des deutschen Farasis-Werks verzögert sich jedoch und die Qualität der ersten "Muster-Zellen" sei laut Insider-Berichten katastrophal gewesen. Business Insider hat jetzt aus Unternehmenskreisen erfahren, dass sich Daimler zukünftig selbst um die Produktion der essenziellen und mitunter zukunftsentscheidenden Bauteile kümmern möchte. Genauere Infos zu den Plänen der Stuttgarter sind jedoch noch nicht bekannt.

VW plant gleich sechs europäische Gigafactories

Bei seinen Volumenmodellen wird Porsche schon alleine aus Kostengründen auf die geplante Einheitszelle des VW-Konzerns setzen. Im Rahmen des "Power Days" hatten die Wolfsburger im März angekündigt, dass in Europa bis 2027 insgesamt sechs sogenannter "Gigafactories" entstehen sollen. Das Konzept erinnert nicht nur zufällig an das des Elektro-Vorreiters Tesla. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass VWs Konzernchef Herbert Diess Elon Musk sehr respektiert und sich mitunter auch von dessen Strategie inspirieren lässt. Die Fabriken sollen jährlich insgesamt beeindruckende 240 Gigawattstunden produzieren - Jedes Werk steuert also innerhalb von 12 Monaten 40 GWh bei. Durch die Massenproduktion der Zellen sollen die Kosten pro kWh auf unter Hundert gedrückt werden können. Natürlich sollen die elementaren Komponenten auch in Deutschland gefertigt werden. Volkswagen baut derzeit an dem niedersächsischen Traditionsstandort Salzgitter eine der sechs Gigafactories, die ab 2025 die Einheitszelle für diverse Modelle des Konzerns liefern soll.

Opel wird zukünftig aus Kaiserslautern beliefert

Opels Mutterkonzern Stellantis, der aus der Fusion von PSA und Fiat-Chrysler hervorgegangen ist, hat im vergangenen September mit der Total-Tochter Saft das Joint Venture "Automotive Cells Company" gegründet, das ganz ähnliche Ziele verfolgt. Derzeit bezieht der europäisch-amerikanische Autogigant seine Zellen, wie der Großteil seiner Konkurrenten, aus Fernost. Ab 2025 sollen diese jedoch aus zwei neuen, konzerneigenen Gigafactories stammen. Als Produktionsstandorte wurden bisher das nordfranzösische Douvrin, sowie das rheinland-pfälzische Kaiserlautern auserkoren. Allein die drei Produktionsblöcke des deutschen Werks sollen jährlich 24 GWh und Lithium-Ionen-Batterien für insgesamt 500.000 E-Autos liefern.

In fernerer Zukunft wird der Bau von weiteren Fabriken erwägt, die laut Aussage von Opel pro Jahr bis zu 250 Gigawattstunden hervorbringen sollen. Stellantis hat dafür mehrere Standorte in Nordamerika und Europa im Blick. Berichten zufolge soll auch Italien im Gespräch sein. Ein Unternehmenssprecher des Rüsselsheimer Autobauers erklärt die Beweggründe hinter der eigenen Zellfertigung gegenüber Business Insider so: "Wir sind überzeugt, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette der Elektromobilität abdecken müssen und dass wir die Expertise bei Batteriezellen nicht aus der Hand geben dürfen. Wir investieren gemeinsam mit unserem Partner Saft einen Milliardenbetrag und bringen bis zu 40% des Fahrzeugwerts – also der Kosten eines Elektroautos – von Asien nach Europa. Das sind gute Nachrichten. Gut für Opel, aber auch gut für die Region und gut für den Technologiestandort Deutschland. Das ist ein Wandel hin zum zukunftssicheren E-Mobilitäts-Standort."

Die wirtschaftliche Abhängigkeit bleibt bestehen

Natürlich hat die Zellfertigung in Europa auch das Potenzial, den oft kritisierten CO2-Rucksack der Stromspeicher etwas zu verkleinern. Schließlich sind die Umweltstandards meist höher und die Fabriken können mitunter ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Außerdem müssen die wichtigen Bauteile nicht mehr um den halben Globus verschifft werden. Dieser positive Nebeneffekt wird jedoch dadurch geschmälert, dass ein Großteil der für die Produktion benötigten Rohstoffe immer noch in China raffiniert und weiterverarbeitet wird.

Aus dem selben Grund wird sich die Abhängigkeit vom Reich der Mitte mit einer europäischen Zellfertigung nicht komplett aus der Welt schaffen lassen können. "Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist kaum möglich, da chinesische Firmen nicht nur die Zellfertigung, sondern auch die davor liegende Rohstoffkette beherrschen. Besonders eklatant ist dies beim Kobalt, wo die Vorkette von der Mine über die Mühle bis zur Elektrode von chinesischen Firmen beherrscht wird", gibt Thomas Puls vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln auf Anfrage von Business Insider zu Bedenken. Stefan Bratzel sieht das ähnlich: "Bei den Ressourcen für die Batteriezellen haben die Chinesen die Hand drauf. Das ist aber zum großen Teil auch die Schuld der Europäer. Die haben es schlicht verschlafen sich vor zehn Jahren darum zu kümmern, strategische Rohstoffe zu sichern. Die Autobauer übrigens auch, die hätten mehr Druck auf die Regierung ausüben müssen."

Eigene Zellen als Wettbewerbsvorteil

Thomas Puls hält es trotz dieser verpassten Chance für zukunftsentscheidend, dass die deutschen Hersteller eine eigene Produktion aufbauen: "Batteriezellen können bei einem Elektrofahrzeug eine Möglichkeit darstellen, die bestehende Marke vom Gesamtmarkt zu differenzieren. Bei Verbrennern ist das der Motor. Das sehe ich insbesondere bei dem aktuellen Projekt von Porsche, wo es anscheinend um die Leistungsabgabekapazität der Zellen geht. Zudem fällt bei Elektrofahrzeugen mit dem Motor ein erheblicher Wertschöpfungsanteil der OEM weg." Dass die heimischen Autobauer vor allem in Deutschland fertigen wollen, hält Herr Puls für wenig überraschend: "Batteriezellen sind aufgrund ihrer Produkteigenschaften bei Transport und Lagerung sensibel. Daher entsteht die Zellfertigung dort, wo große Nachfrage erwartet wird. In diesem Fall sorgt die prognostizierte Nachfrage der deutschen OEM dafür, dass Produktionsstätten hierzulande entstehen."

Professor Dr. Maximilian Fichtner, der stellvertretende Direktor des Helmholtz-Instituts in Ulm und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Batterieforschung, geht trotzdem davon aus, dass der Wandel zur E-Mobilität im Endeffekt gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein wird: "Deutschland hat sich vom großen Zögerer zum Boomland der Elektromobilität und zum zentralen Forschungs- und Produktionsstandort für Batterien und Elektrofahrzeuge in Europa entwickelt. Nirgends gibt es mehr neue Fabriken, die im Bau oder geplant sind, und nirgends läuft der Absatz besser. Natürlich wird es eine Verschiebung geben und es werden klassische Arbeitsplätze im Bereich der Verbrenner entfallen. Wenn aber alleine Tesla in Grünheide 40.000 neue Mitarbeiter plant, dann mache ich mir hier keine Sorgen. Verlieren werden diejenigen, die den Umstieg nicht schaffen oder nicht schaffen wollen."