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Kehrt die Euro-Krise zurück?

Aus Angst vor einem Zerfall der Euro-Zone wird die Gemeinschaftswährung verkauft, griechische Staatsanleihen bieten fast wieder zweistellige Renditen. Auch in Frankreich und Italien steigen die Risikoaufschläge rasant.

Die Wahlen in Europa werfen ihre Schatten voraus: In Frankreich sorgen die immer geringer werdenden Chancen des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon, dem vorgeworfen wird, auf Kosten der Steuerzahler seine Ehefrau und deren Kinder im Parlament beschäftigt zu haben, für eine steigende Risikofurcht der Anleger. Und auch bei italienischen Staatsanleihen verlangen Investoren einen deutlichen Risikoaufschlag.

Dramatisch ist die Lage bei den Renditeabständen französischer zu deutschen Staatsanleihen: Sie sind so hoch wie zuletzt Anfang 2014. An diesen Risikoaufschlägen zeigt sich, dass Anleger mit Blick auf Frankreich zunehmend unsicherer werden. Seit Ende Dezember ist der Risikoaufschlag für zehnjährige französische Bonds von 0,3 auf 0,75 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt. „Die Ausweitung der Renditeabstände ist spektakulär“, urteilte David Schnautz, Zinsstratege bei der Commerzbank: „Einen so schnellen Anstieg gab es in dieser Form seit dem Jahr 2012 nicht mehr.“ Dabei hielten sich die französischen Bonds in den vergangenen Tagen recht stabil. Die Renditen deutscher Bundesanleihen sanken aber.

So liegt die Rendite von französischen Anleihen aktuell bei 1,11 Prozent. Noch im Dezember des vergangenen Jahres lag dieser Wert bei 0,7 Prozent. Dahinter steckt die Furcht, dass möglicherweise Marine Le Pen mit ihrer rechtsextremen Partei Front National die französischen Präsidentschaftswahlen gewinnt. Sie will Frankreich aus der Euro-Zone herauslösen, wieder den Franc, die ehemalige französische Währung, einführen und offenbar nach britischem Vorbild eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union durchführen.

„Die Frage, welche zwei Kandidaten es in die Stichwahl schaffen, ist extrem spannend geworden, da die Hürde, um die zweite Runde der Wahl zu erreichen, aufgrund der Schwäche Fillons nur noch bei knapp über 20 Prozent liegt“, betonte Felix Herrmann, Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock.

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Die Analysten von JP Morgan rechnen damit, dass der Euro im Falle eines Wahlsiegs der 48-Jährigen um rund zehn Prozent zum Dollar abwerten könnte. „Dunkle Wolken also für das Europa, das wir kennen?“, schrieben die Experten der Metzler Bank in einem Kurzkommentar. „Ein potenziell europafeindlicher Wahlausgang lässt die Anleger wohl doch nicht kalt.“

Der Renditevergleich zwischen zehnjährigen Bundesanleihen und italienischen Staatsbonds mit gleicher Laufzeit zeigt ein ähnliches Bild. Die Spreizung (Spread) liegt bei 1,97 Prozent und damit so hoch wie in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr. Die Rendite der entsprechenden Bonds aus dem südeuropäischen Land hat die Marke von 2,33 Prozent erreicht. Zuletzt lag sie im November 2014 höher.

Dabei steht in Italien noch kein Termin für eine Neuwahl fest. Doch wenige Wochen nach seiner Niederlage beim Verfassungsreferendum hat Matteo Renzi klargemacht, dass er eine Schlacht verloren hat, nicht den Krieg. „Die Regierung von Paolo Gentiloni“, sagt Renzi da über seinen gerade frisch gewählten Nachfolger als Italiens Ministerpräsident, „wird stark und stabil sein – so lange sie im Amt ist.“ Um dann gleich zu ergänzen: „Wir sollten so schnell wie möglich neu wählen – im April, spätestens im Juni.“

Somit ist in Italiens stets unsicherer politischer Lage wohl nur eines sicher: Die stärkste Partei im Parlament, die Sozialdemokraten, streben unter ihrem Vorsitzenden Renzi, der so krachend Anfang Dezember verlor, eine kurze Übergangszeit an. An deren Ende soll der neue Regierungschef der alte sein: Renzi. Der 62-jährige Paolo Gentiloni wäre nur ein Platzhalter.

Mit Renzi konkurriert der Ex-Komiker Beppe Grillo, Anführer der Fünf-Sterne-Bewegung, um die Stimmen der Unzufriedenen; er ist vor allem bei der Jugend und im akademischen Protestmilieu beliebt. Beide sind erklärte Anti-Europäer und Globalisierungsgegner.


Griechische Anleihen bieten eine fast zweistellige Rendite

Nervös machte Börsianer am heutigen Dienstag außerdem der Streit um weitere Finanzhilfen für Griechenland. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat bislang noch nicht entschieden, ob er sich an dem bis zu 86 Milliarden Euro schweren Hilfspaket finanziell beteiligt. Sollte sich der Fonds dagegen entscheiden, ist das Programm nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beendet.

Daraufhin warfen Investoren griechische Anleihen in hohem Bogen aus ihren Depots und trieben damit die Rendite der zweijährigen Titel um einen guten Prozentpunkt auf ein Siebeneinhalb-Monats-Hoch von 9,927 Prozent. Gleichzeitig sicherten sich Euro-Investoren verstärkt gegen Kursausschläge der Gemeinschaftswährung ab. Der entsprechende Terminkontrakt, der die Zeit bis zur Stichwahl am 7. Mai in Frankreich abdeckt, setzte seinen Höhenflug fort und stieg auf bis zu 9,325 Prozent.

Denn aus Furcht vor einem Zerfall der Euro-Zone haben Anleger am Dienstag Euro verkauft. Die Gemeinschaftswährung verbilligte sich um einen knappen US-Cent auf 1,0675 Dollar. „Statt sich über die guten Quartalszahlen der Unternehmen und das solide Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone zu freuen, müssen sich Anleger auf noch mehr Ungewissheit einstellen“, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader.

Zur Erinnerung angesichts der gestiegenen Renditen: Bis zum Sommer 2012 bangten Anleger um den Erhalt der Euro-Zone. Griechenland hatte einen Schuldenschnitt durchgezogen, Irland, Portugal und Zypern waren unter den Euro-Rettungsschirm geflohen, und Spanien brauchte europäische Gelder für die Sanierung seiner Banken. Zehnjährige portugiesische Anleihen rentierten damals mit 11,4 Prozent, spanische mit 7,6, italienische mit 6,6 und französische mit 2,3 Prozent.

Damit waren die Risikoprämien zur zehnjährigen deutschen Bundesanleihe, die damals mit 1,3 Prozent rentierte, enorm. Erst EZB-Chef Mario Draghi machte dem Spuk ein Ende, als er bei seiner berühmt gewordenen Rede in London am 26. Juli 2012 versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten.

Seither hat die EZB ein gigantisches Anleihekaufprogramm aufgelegt und seither Anleihen – vor allem Staatspapiere – über zusammen mehr als 1,5 Billionen Euro gekauft. Die Renditen der Staatsanleihen sind massiv gesunken. Bis auf Griechenland können sich wieder alle Staaten ohne die Hilfe des Rettungsschirms refinanzieren. Dennoch steigt jetzt wieder die Nervosität.

Dabei haben Investoren einen Sieg von Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen noch gar nicht eingepreist. „Dafür sind die Risikoprämien viel zu niedrig“, sagt Francesco Garzarelli, Leiter des Makro-Researchs bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Anfang 2012 lagen die Risikoprämien zehnjähriger französischer Staatsanleihen bei 1,4 Prozentpunkten über deutschen Bundesanleihen. Wenn Le Pen gewählt würde, könnten die Risikoprämien wieder in diese Richtung steigen, meint Daniel Lenz, Zinsstratege bei der DZ Bank. „Dann könnten die Märkte ein Ende der gesamten EU einpreisen.“ Damit wäre die Euro-Krise mit aller Wucht zurück.

KONTEXT

Das Prinzip festverzinslicher Wertpapiere

Zinsen und Rückzahlung

Festverzinsliche Anleihen haben einen fixen Zinskupon, der sich auf den Nominalbetrag von 100 Prozent, also zum Beispiel 1 000 Euro, bezieht. Zu diesem Betrag werden die Papiere am Ende der Laufzeit zurückbezahlt. Bei einem Kurs von 100 Prozent entspricht also die Rendite dem zugesicherten Zins.

Kurse und Renditen

Während der Laufzeit werden Anleihen gehandelt, deshalb schwanken die Kurse, die in Prozent angegeben werden. Der Rückzahlungswert bleibt unverändert bei 100 Prozent. Die Zinskupons, die sich auf den Nominalwert beziehen, verändern sich ebenfalls nicht. Weil Zinszahlungen und Tilgungen gleichbleiben, sinkt die Rendite für Neueinsteiger, wenn die Kurse steigen. Umgekehrt ist es genauso: Wenn die Kurse fallen, dann steigen die Renditen für Investoren, die neu zugreifen und bis zur Fälligkeit halten.

Renditeentwicklung

Entwicklung - Die Kurse vieler Anleihen - vor allem die von Staatsanleihen im Euro-Raum und in Japan - sind so stark über 100 Prozent gestiegen, dass Anleger trotz der Zinsen weniger Geld wiederbekommen, als sie angelegt haben. Somit sind die Renditen für Neueinsteiger sogar negativ. Das geht umso schneller, weil die Kupons stetig sinken. So haben zweijährige Bundesschatzanweisungen in Deutschland seit dem 20. August 2014 einen Kupon von null Prozent, seit dem 21. Januar 2015 gilt das auch für fünfjährige Bundesobligationen und seit dem 13. Juli 2016 auch für die neue zehnjährige Bundesanleihe.