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9000 Punkte? "Das halte ich für Quatsch"

Wiedergutmachung lautet das Motto für die deutschen Leichtathleten bei der Heim-EM 2022 in München.

Nach einer mehr als ernüchternden Bilanz bei der WM in Eugene zuletzt, richten die DLV-Athleten den Blick nach vorn. Auch Niklas Kaul, Zehnkampf-Weltmeister von 2019, sieht nach seinem sechsten Platz in Eugene noch Verbesserungspotenzial, wie er im Gespräch mit SPORT1 erklärt. (NEWS: Alles zur Leichtathletik)

Bei SPORT1 spricht er zudem über den Wettkampf, die unterschiedlichen Sportsysteme in den USA und Deutschland und wie er seine eigene Leistung in der Zukunft einschätzt.

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SPORT1: Herr Kaul, wie würden Sie Ihre Leistungen in Eugene rückblickend bewerten?

Niklas Kaul: Eigentlich bin ich ganz zufrieden, auch wenn ein oder zwei Sachen nicht so gut funktioniert haben - gerade die beiden langen Würfe, also Diskus und Speer. Auch Stabhochsprung am zweiten Tag war etwas wacklig. Alles andere war aber gut. Das ist das Positive, was ich mitnehme. In drei Wochen eine Form aufzubauen, ist ganz schwierig. Deswegen ist es in Richtung der EM wichtig, dass sie schon da ist. Das sieht man bei 100 m, 400 m oder den 1500 m. Bei den langen Würfen braucht es neben der Technik leider manchmal auch ein wenig Glück. Ich hoffe, dass ich in Richtung München mehr Glück habe und die Form immer noch da ist.

Terminplanung bei WM und EM? „Für alle gleichen Bedingungen“

SPORT1: Zwischen Eugene und München liegen nur drei Wochen. Wie lange braucht man, um so einen Wettkampf zu verarbeiten und wann steigt man wieder ins Training ein?

Kaul: Mitte letzter Woche bin ich wieder richtig ins Training eingestiegen. Davor habe ich nur ein bisschen lockerer trainiert. Jetzt sind wir aber auch schon wieder dabei, etwas rauszunehmen. Man hat schon ein paar Tage gebraucht - gerade mit dem Jetlag - um wieder hereinzufinden. Aber an sich fühle ich mich ganz gut.

SPORT1: Das Programm bei WM und EM ist für die Zehnkämpfer besonders ungünstig: In Eugene war der Wettkampf ganz hinten, in München ist er ganz vorne. Da stellt man sich schon die Frage nach dem Grund, oder?

Kaul: Ja genau. Da hätten sich European Athletics und World Athletics auch gerne mal absprechen können. Das hat anscheinend nicht funktioniert, aber natürlich wäre eine Woche mehr Pause schön gewesen. Auf der anderen Seite sind - bis auf eine Ausnahme - alle anderen Medaillenkandidaten auch in Eugene angetreten. Deswegen sind es für alle die gleichen Bedingungen, das passt schon so.

SPORT1: Sind Sie trotz der knappen Erholungszeit schon wieder bereit für den nächsten Wettkampf?

Kaul: Ja, ich fühle mich schon gut. Es ist jetzt nicht so, dass ich aus Eugene ein Wehwehchen mitgebracht habe, was mir Kopfzerbrechen bereiten würde. Von daher bin ich echt fit für München.

Das sagt Kaul zur Kritik am DLV-Abschneiden bei der WM

SPORT1: Viele Deutsche Athleten standen bei der WM in der Kritik, weil sie ihren Fokus eher auf München gelegt haben. Bei Ihnen war das auch so. Fühlen Sie sich da zu Unrecht angegriffen?

Kaul: Man muss klar festhalten - und das hat Gina Lückenkemper auch immer wieder gesagt - dass wir zum Großteil Studenten sind, die nebenbei noch eine Ausbildung machen. Man darf nicht den Fehler machen und die Athleten irgendwohin zwingen. Das ist natürlich übertrieben gesagt, aber am Ende des Tages ist München für die meisten emotional wichtiger, weil es zu Hause ist. Das muss man auch verstehen können. Da finde ich es schwierig, alle Athleten zu kritisieren, das macht aus meiner Sicht nicht viel Sinn. Es ist trotzdem jeder nach Eugene gefahren und hat sein Bestes gegeben, auch wenn der Formaufbau eher auf München abgezielt hat. (BERICHT: „Unverschämt“: Lückenkemper rechnet ab)

SPORT1: Apropos Gina Lückenkemper: Sie hat auch die Kritik angestoßen, dass sich deutsche Athleten bei der WM, überspitzt gesagt, als Amateure mit Vollprofis gemessen haben. Wie sehen Sie das?

Kaul: Schwierig, damit machen wir jetzt ein längeres Thema auf. Wir haben bei uns ein völlig anderes Sportsystem als zum Beispiel in den USA. Bei uns gibt es das Vereinssystem, das in den USA so gar nicht existiert. Das ist für den Breitensport super und auch wichtig, weil man nach der Ausbildung oder der Uni in Vereinen Sport betreiben kann. Das ist in den USA schwieriger möglich. Dafür ist das Leistungssportsystem dort besser, weil Uni und Sport sehr eng verwoben sind und auch riesige Budgets für den Sport vorhanden sind. Die Ausgangssituation ist eine andere. In den USA gibt es wahnsinnig hohe Semestergebühren, um dort studieren zu können. Das haben wir in Deutschland in dieser Form weniger. Viele können sich dort ein Studium nur leisten, wenn sie ein Stipendium bekommen. Da ist die Motivation für den Sport nochmal eine ganz andere. In den USA ist es so, dass man sein Studium gut finanzieren kann, wenn man gut im Sport ist. Hier hören die meisten auf mit dem Sport, weil sie sich auf das Studium konzentrieren. Gesamtgesellschaftlich ist es bei uns sicherlich besser, weil es einer breiteren Bevölkerung offen steht zu studieren. Aber für den Sport ist es natürlich eher schlechter als in den USA. Wenn man sich die WM anschaut, da studieren auch viele Leute aus anderen Nationen auf den US-Colleges.

Viele Deutsche gehen ins Ausland

SPORT1: Es gibt die Tendenz, dass einige deutsche Athleten ebenfalls ins Ausland gehen, um dort zu trainieren. Konstanze Klosterhalfen trainiert schön länger in den USA, Alexandra Burghardt zum Beispiel in der Schweiz. Ist das in Zukunft noch häufiger zu erwarten, dass hiesige Athleten ins Ausland gehen?

Kaul: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass man ins Ausland geht, weil die Bedingungen in Deutschland so schlecht sind. Es gibt Trainer, wie zum Beispiel bei Alexandra (Burghardt, Anm. d. Red.), die dort einfach eine Stelle haben und mit denen man sehr gut klarkommt. Prinzipiell glaube ich, dass wir in Deutschland kein infrastrukturelles Problem haben. Die Verbindung zwischen Studium und Sport ist in den USA eben ein bisschen einfacher. Da möchte ich jetzt nicht sagen, dass es bei mir schlecht ist. Ich hatte mit der Uni in Mainz immer einen super Austausch. Wenn Athleten aber aus der Schule herauskommen und in den nächsten zwei Jahren keine Aussichten auf einen Startplatz bei den Erwachsenen haben, dann ist es für sie einfacher, ein Stipendium in den USA zu nehmen, dort den Sport zu betreiben und das Studium finanziert zu bekommen. Das ist natürlich ein Anreiz. Dafür gibt man die Freiheit auf, die Wettkämpfe so zu planen, wie man es möchte. Am Ende muss man bei den NCAA-Meisterschaften und den Wettkämpfen des Colleges starten und kann sich eher schlechter für internationale Großveranstaltungen qualifizieren. Oder der Zeitpunkt der Großveranstaltung liegt so in der Saison, dass man sich nicht richtig vorbereiten kann. Dem muss man sich bewusst sein, wenn man diesen Weg einschlägt.

SPORT1: Zurück zum Zehnkampf in München: Ihr Ziel ist es vermutlich, eine Medaille zu holen, oder?

Kaul: Ja, das ist es schon. Natürlich guckt man immer erstmal auf sich, ob man die Leistung und Punktzahl abliefert, die man sich vorgestellt hat und die Einzelleistungen stimmen. Aber natürlich ist das große Ziel, eine Medaille zu holen.

Konkurrenz bei Heim-EM: Mayer, Ehammer und die Esten

SPORT1: Kevin Mayer ist jetzt doch dabei und gilt als großer Favorit. Wen haben Sie noch auf der Liste?

Kaul: Simon Ehammer muss man ganz klar auf der Liste haben, der jetzt in Eugene Bronze im Weitsprung gewonnen und dort eben keinen Zehnkampf absolviert hat. Er kann sich deswegen nochmal besser auf München vorbereiten. Man muss die Esten immer auf der Liste haben - alle drei. Ich weiß gerade nicht, wer als Dritter starten wird, ob es Johannes Erm oder Karel Tilga ist. Mit Maicel Uibo haben sie aber den Vizeweltmeister von 2019 dabei und Janek Öiglane war dieses Jahr auch sehr stark. Und dann haben wir auch noch ein oder zwei Deutsche.

SPORT1: Sie haben schon Simon Ehammer angesprochen, wie sehen Sie seine Entwicklung? Kann es bei ihm in Zukunft Richtung 9000 Punkte gehen?

Kaul: Seine Schnell- und Sprungkraft sind sehr stark. Die Würfe sind noch so ein bisschen sein Problem, genau wie die 1500m. Eigentlich ist er also der Gegenentwurf zu mir. Trotzdem muss man abwarten. Im Zehnkampf ist es nicht einfach, sich in den schwachen Disziplinen stark zu verbessern. Das muss ich leider auch immer mal wieder selbst lernen und geht mir dann eben bei Schnellkraft- und Sprungdisziplinen so. Für ihn ist wichtig, dass er gesund bleibt und die nächsten Jahre gesund bestreitet, dann kann man gucken, in welche Richtung es geht. Zu sagen, dass er im nächsten Jahr 9000 Punkte machen muss, halte ich für Quatsch, da man ihm nur einen Druck macht, den man nicht gebrauchen kann.

Kaul über das eigene Leistungsvermögen

SPORT1: Sie haben in Doha vor drei Jahren im Alter von 21 knapp 8700 Punkte geholt. Dann kamen die beiden Corona-Jahre sowie einige Verletzungen. Wie optimistisch sind Sie, dass Sie Ihre Bestleistung in den kommenden Jahren nochmals verbessern können?

Kaul: Auf jeden Fall sehr zuversichtlich. Ich glaube, dass uns Corona leider viel kaputt gemacht hat. Bei mir persönlich kommen noch ein oder zwei Verletzungen hinzu. Da geht es gar nicht so sehr darum, dass man während Corona nicht trainieren konnte, aber es fehlt einfach die Wettkampf-Routine. Deswegen ist es gut, dass ich in dieser Saison ziemlich viele Wettkämpfe gemacht habe, weil ich da einfach wieder reinkommen muss. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich nochmal eine Bestleistung aufstellen kann und eine Schippe drauflege. In Ansätzen funktioniert das, was wir jetzt im Training ein bisschen umgebaut haben, auch schon ganz gut. Gerade in den Laufbereichen haben wir im April das Training nochmal verändert, weil ich im Winter aufgrund einer Problematik mit meinem linken Knie leider gar nicht sprinten konnte. Deswegen bin ich schon sehr zufrieden, was die 400m, 110m Hürden und 100m angehen. Ich glaube, dass ich da auf einem guten Weg bin. Aber auch bei mir gilt: verletzungsfrei bleiben! Das ist das Allerwichtigste. Und wenn ich das bleibe, dann werde ich auch noch Zehnkampf-Bestleistungen machen. Gucken wir mal, was da am Ende der Karriere für eine Punktzahl steht.