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Katrin Göring-Eckardt fordert „Guter-Job-Bonus“ für Kassiererinnen während Coronakrise

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion fordert mehr Gesundheitsschutz in Supermärkten. Stark systemrelevante Arbeitnehmer sollen zudem eine Prämie erhalten.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag macht sich in der aktuellen Debatte keine Gedanken über die Umfragewerte ihrer Partei. Foto: dpa
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag macht sich in der aktuellen Debatte keine Gedanken über die Umfragewerte ihrer Partei. Foto: dpa

Katrin Göring-Eckardt, Jahrgang 1966, ist seit 2013 zusammen mit Anton Hofreiter Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Zuvor war sie bereits Vizepräsidentin des Bundestags. Aufgrund der Coronakrise arbeitet die gebürtige Thüringerin derzeit auch im Homeoffice in ihrem Haus in Brandenburg, Sitzungen finden per Videocall statt.

Göring-Eckardt sieht die Grünen momentan nicht in der klassischen Oppositionsrolle. In einer Krise dieses Ausmaßes müssen Regierung und Opposition zusammenarbeiten, sagt die Grünen-Politikerin im Interview mit dem Handelsblatt. „Wir bieten der Regierung im Bundestag unsere Unterstützung an.“ Jetzt müsse es darum gehen, dass vor allem die kleinen Unternehmen, die keine Rücklagen bilden konnten, eine schnelle und unbürokratische Unterstützung bekommen. Alle Maßnahmen sollten regelmäßig überprüft werden, doch keiner könne derzeit sagen, wie lange die Krise andauern werde. Umso wichtiger sei es, dass Unternehmen und Beschäftigte eine klare Zusage bekämen, dass alles dafür getan werde, um Jobs zu erhalten.

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Ein besonderes Anliegen sind Göring-Eckardt neben den Menschen in der Gesundheitsbranche auch die Kassiererinnen in den Supermärkten. Sie plädiert dafür, dass den Leuten, „die jetzt hart für uns alle arbeiten, über eine Prämie Anerkennung gezeigt wird: wer für die Allgemeinheit unter so schwierigen Bedingungen im Einsatz bleibt, der hat mehr verdient als schöne Worte.“

Das komplette Interview lesen Sie hier:

Frau Göring-Eckardt, das Coronavirus zwingt die Wirtschaft in die Knie. Sind die Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden sollen, die Richtigen?
Im Grundsatz gehen sie in die richtige Richtung. In einer Krise dieses Ausmaßes müssen Regierung und Opposition zusammenarbeiten. Wir bieten der Regierung im Bundestag unsere Unterstützung an. Worum es jetzt gehen muss: dass vor allem die kleinen Unternehmen, die keine Rücklagen bilden konnten, jetzt eine schnelle und unbürokratische Unterstützung bekommen.

Was genau stellen Sie sich vor?
Kleine Unternehmen sind auf Direktzuschüsse angewiesen. Bei großen Unternehmen kann man auch mit Krediten arbeiten, aber wenn man will, dass es die kleinen Restaurants, die kleinen Läden in den Städten, das Fitnessstudio auch nach der Krise noch gibt und die vielen Selbständigen wieder auf die Beine kommen, dann sind sie darauf angewiesen, dass man ihnen schnell Geld überweist.

Das wird ein Fass ohne Boden …
Alle Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, müssen zeitlich begrenzt sein. Wir müssen uns regelmäßig anschauen, was wie wirkt. Keiner kann derzeit sagen, wie lange die Krise andauern wird. Umso wichtiger ist, dass wir den Beschäftigten und Unternehmen eine klare Zusage geben, dass wir alles dafür tun werden, um Jobs zu erhalten.

Soll man den kleinen Unternehmen und Selbständigen bei den Mieten helfen? Schließlich brechen ihnen die Einnahmen völlig weg.
Ja, Zuschüsse für betroffene Mieter sind erforderlich. Auch Räumungsklagen darf es jetzt nicht geben. Aber auch der Vermieter ist natürlich darauf angewiesen, dass er das Geld bekommt, das er braucht. Betriebskosten fallen weiter an, möglicherweise ist auch die Finanzierung der Immobilie zu stemmen. Hier kommen die Banken ins Spiel, die Kredite stunden sollten. Das betrifft im Übrigen auch Sozialbeiträge, Krankenversicherungsbeiträge oder Steuern – all das kann man für mehrere Monate stunden, damit keiner etwa die Sorge haben muss, nicht mehr krankenversichert zu sein.

Wer soll die Entscheidungen treffen, dass Zuschüsse gewährt werden?
Wir schlagen vor, die Sozialversicherungen anzuweisen, die Möglichkeiten der zinslosen Stundung bei nachgewiesenen finanziellen Engpässen aufgrund der Coronakrise unbürokratisch und großzügig zu gewähren. Daneben geht der Weg über die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder die Hausbank. Wichtig ist, dass über Hilfen unbürokratisch und schnell entschieden wird.

Wie kann man da schwarze Schafe herausfiltern?
Wenn man später auf diese Zeit zurückblickt, wird man zwangsläufig Fälle finden, wo anders hätte entschieden werden sollen. Jetzt aber wäre es um einiges schlimmer, nicht schnell zu handeln. Das Gros werden Leute sein, die wirklich Hilfe brauchen und darauf kommt es jetzt an.

Welche Personengruppen brauchen ebenfalls mehr Schutz?
Neben den Menschen in der Gesundheitsbranche ganz klar, die Kassiererinnen in den Supermärkten. Drei Punkte sind mir wichtig. Erstens: Sie brauchen einen stärkeren Schutz vor Ansteckung Ich rufe die Ketten auf, hier so gut wie möglich nachzulegen. Beim Gesundheitsschutz ist weit mehr möglich als bisher getan wird, beispielsweise durch Plexiglasscheiben an den Kassen. Zweitens: Es braucht eine funktionierende Betreuung für ihre Kinder.

Und drittens?
Ich bin dafür, dass man den Leuten, die jetzt hart für uns alle arbeiten, über eine Prämie Anerkennung zeigt: wer für die Allgemeinheit unter so schwierigen Bedingungen im Einsatz bleibt, der hat mehr verdient als schöne Worte.

Ein Corona-Bonus?
Man kann es so nennen. Ich finde den Begriff „Guter-Job-Bonus“ besser, weil diese Menschen einfach einen wichtigen und guten Job machen. Da sollte es jetzt eine Zulage geben. Außerdem sollte man geringfügig Beschäftigen den Umstieg in einen sozialversicherungspflichtigen Job ermöglichen. Das wäre jetzt eine gute Gelegenheit, auch um die Mehrarbeit, die anfällt, aufzufangen.

Was halten Sie von dem Vorschlag, Menschen beispielsweise aus dem Handel in der Landwirtschaft einzusetzen?
Es sollen alle mit anpacken können, die mit anpacken möchten. Das können Leute sein, denen jetzt ihr Job wegbricht, die Arbeit suchen oder auch Geflüchtete, die bislang nicht arbeiten dürfen. Dazu muss nur das Arbeitsverbot aufgehoben werden. Sie alle brauchen natürlich einen fairen Lohn. Die Arbeitsagenturen sollten das jetzt in die Hand nehmen. Das hätte einen doppelten Effekt: Wer anpacken möchte, kann das auch und die Landwirte bekommen die dringend benötigten Arbeitskräfte.

Nimmt die Klimapolitik jetzt nachhaltig Schaden, weil erstens die Menschen etwas völlig anderes im Kopf haben und zweitens den Unternehmen das für den wirtschaftlichen Umbau notwendige Geld fehlt?
Jetzt müssen tatsächlich die akuten Herausforderungen gelöst werden. Das wird für viele Unternehmer und Unternehmerinnen sehr kritisch werden und wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass wir ihnen, wo wir können, zielgenau helfen. Um das zu finanzieren, ist die Nutzung der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse richtig und sinnvoll. Diese sieht übrigens auch vor, dass gleichzeitig mit der Aufnahme von Krediten ein Tilgungsplan vorgelegt werden muss. Wir halten es für wichtig, die Tilgung so anzulegen, dass die wirtschaftliche Erholung und die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung und den ökologischen Umbau nach der Krise nicht gefährdet werden.

Und nach dieser Phase?
Nachdem Existenzen in der Akutphase gerettet worden sind, geht es darum, gemeinsam in Europa neue wirtschaftliche Dynamik zu entfachen. Das sollte dann natürlich klimaverträglich geschehen. Das birgt dann auch die Chance, Ökonomie und Ökologie neu zusammenzudenken und damit wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Die Grünen haben in den vergangenen zwei Jahren kräftig in der Wählergunst zugelegt – auch dank des Klimathemas. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Umfragewerte jetzt wieder leiden?
Ganz ehrlich: unsere Umfragewerte machen mir gerade die geringsten Sorgen. Wir sind gerade auf verschiedenen Ebenen gefordert, Krisen zu lösen. Neben den wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten treibt mich die Klimakrise genauso um wie der Populismus oder die Stabilität Europas – das wird alles weiter auf der Agenda sein.

Muss Ostdeutschland besonders gefördert werden?
Es stimmt, die Wirtschaft im Osten lebt noch häufiger von der Hand in den Mund. Doch wenn wir beschließen, kleine Unternehmen zu unterstützen, dann sollten wir nicht zwischen Ost und West unterscheiden, sondern nach Bedürftigkeit.

Befürchten Sie, dass die Krise die Milliarden-Investition von Tesla in Brandenburg noch einmal in Frage stellen könnte?
Nein. Die Investition ist weit über Brandenburg hinaus von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Frau Göring-Eckardt, vielen Dank für das Interview.