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Kanadas neue Cannabis-Ära startet holprig

Der Konsum von Cannabis ist in Kanada ab sofort weitgehend legalisiert. Bei Reisen in die USA ist aber immer noch Vorsicht geboten.

Zielstrebig, mit leicht federndem Schritt geht der junge Mann auf das in den Abendstunden hell erleuchtete Geschäft an der „Bank Street“ im Zentrum der kanadischen Hauptstadt Ottawa zu. Über Schaufenster und Eingangstür prangt das Logo „Weeds“, der Schriftzug stilistisch geformt durch sehr markante, gezackte Blätter.

Aber die Regale im Verkaufsraum sehen merkwürdig leergeräumt aus. Eine Verkäuferin macht ihm klar: „No weed today. No herbs today.“ Es gibt kein „Weed“, „Gras“, keine „Herbs“ (Kräuter), wie die umgangssprachlichen Bezeichnungen für Marihuana, die getrockneten Blüten der Cannabispflanze, lauten. Ein Schild weist die Kunden darauf hin: „Wegen starker Nachfrage in dieser Woche sind Blüten, Knospen und Joints ausverkauft.“

In den Auslagen sind noch Päckchen von Gummidrops mit den Cannabiswirkstoffen Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC) und Ganja-Drops mit Heidelbeer-, Mango- oder Apfelgeschmack zu finden, ferner Öle und Kapseln mit unterschiedlicher Konzentration dieser Wirkstoffe. Aber daran hat der junge Mann kein Interesse. „Ätzend“, sagt er, „vielleicht morgen“, und zieht enttäuscht von dannen.

Von einem „historischen Augenblick“ sprechen kanadische Medien mit Blick auf den 17. Oktober, der die seit 1923 bestehende fast hundertjährige Prohibition von Marihuana beendet. Kanada ist das erste G7-Land, das sich auf diesen Weg begibt. Zuvor hatte nur Uruguay den Cannabis/Marihuana-Konsum nicht nur entkriminalisiert, sondern legalisiert.

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In den USA haben mehrere Bundesstaaten Marihuana legalisiert, nach dem Bundesgesetz aber ist die Droge weiter illegal. Der Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen war in Kanada bereits 2001 legalisiert worden. Nun gilt dies – mit Alters- und Mengenbeschränkungen – auch für Marihuana als Freizeitdroge, das so genannte „recreational marihuana“.

Nach mehr als einjähriger intensiver Debatte hatten die Kammern des kanadischen Parlaments im Juni das Cannabis-Gesetz verabschiedet und sich auf den 17. Oktober als Tag festgelegt, an dem es in Kraft tritt. Premierminister Justin Trudeau wollte so den Provinzen, die schon seit langem wissen, was auf sie zukommt, zusätzlich Zeit geben, den Verkauf zu regeln und ein Vertriebs- und Lizenzsystem aufzubauen.

Mehr als 15 Millionen Haushalte in Kanada erhalten in diesen Tagen von der Bundesregierung eine Postkarte, die über das Cannabis-Gesetz und die dahinter stehende Motivation informiert. Die Trudeau-Regierung begründet das Gesetz mit dem Gesundheitsschutz. Es soll durch strikte Regulierung von Produktion und Verkauf „Cannabis von Jugendlichen fernhalten und Kriminellen und organisiertem Verbrechen den Gewinn entziehen“.

Sie hofft, dass durch die Regulierung und Aufklärungskampagnen über die Gefahren des Drogenkonsums die Zahl der Cannabis-Konsumenten unter Jugendlichen deutlich zurückgeht. Nach Angaben der Regierung ist der Cannabis-Konsum in Kanada unter jungen Menschen einer der höchsten weltweit.

2015 konsumierten 21 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren sowie 30 Prozent der 20- bis 24-Jährigen Marihuana. Erwartet wird, dass über das von den Provinzen aufzubauende Verkaufssystem Cannabis zu einem Preis von rund zehn Dollar (etwa sieben Euro) pro Gramm gekauft werden kann. Hinzu kommt eine Steuer von einem Dollar pro Gramm, die vor allem in die Provinzen fließen soll.

Mit dem Cannabis-Gesetz wurden neue Straftatbestände für den Verkauf von Cannabis an Jugendliche eingeführt und die Strafvorschriften für Autofahren unter Drogeneinfluss verschärft. Der Bund muss nun die Polizei unterstützen, Fachkräfte auszubilden, die bei Verkehrskontrollen erkennen, ob Cannabis im Spiel sein könnte.

Und sie warnt Touristen, die nach Kanada kommen, und Kanadier, die ins Ausland – vor allem die USA – reisen: „Es ist illegal, Cannabis über die Grenze zu bringen, ob man Kanada verlässt oder einreist.“ Beim Grenzübertritt werden sich Reisende verstärkt Fragen nach Cannabiskonsum ausgesetzt sehen. Und an der US-Grenze können US-Beamte lebenslange Einreiseverbote verhängen.

Umsetzung des Gesetzes ist eine große Herausforderung

Marktbeobachter erwarten, dass die Legalisierung zu einem Angebotsengpass führen wird. „Nein, keine Chance“, lautet die knappe und klare Antwort von Bruce Linton, Chef des größten Cannabisproduzenten, Canopy Growth, auf die Frage, ob nach dem 17. Oktober ausreichend Cannabis zum Freizeitkonsum auf dem legalen Markt sein wird. Auch der Chief Executive Officer von Aphria, Vic Neufeld, erwartet Engpässe. Sowohl im Online- als auch im Ladenverkauf werde es „Ausverkauft-Schilder“ geben, meint Neufeld.

Das C.D. Howe-Institut in Toronto, das eine Marktanalyse vorgenommen hat, erwartet, dass die aktuelle Produktionsfläche zunächst nur 30 bis 60 Prozent der Nachfrage decken werde: Einem Bedarf von etwa 600 Tonnen könnten eventuell nur 200 Tonnen an Produktion gegenüberstehen.

Mitte des Jahres gab es zwar 112 staatlich lizenzierte Marihuana-Produzenten, ein erheblicher Teil habe die Lizenz aber erst in jüngster Zeit bekommen und die Zeit bis zur Legalisierung sei zu kurz gewesen, um bereits zum 17. Oktober den Markt beliefern zu können.

Das Land sei für die Cannabis-Legalisierung nicht bereit, meinen die konservative und sozialdemokratische Opposition unisono. Die Umsetzung des Gesetzes sei die größte Herausforderung, meint auch Bill Blair, der frühere Polizeichef von Toronto und im Trudeau-Kabinett als Minister zuständig für das Cannabis-Gesetz.

Es handele sich um eine „sehr signifikante Gesetzesänderung“ und für viele Bereiche seien die Provinzen und Territorien und die Polizeikräfte zuständig. Und dies deutet auf Probleme in den Provinzen hin. So wollen Manitoba und Quebec nicht den im Bundesgesetz zugelassenen Privatanbau von vier Pflanzen pro Haushalt zulassen. Provinzen erlassen unterschiedliche Regelungen, wo Marihuana in der Öffentlichkeit geraucht werden kann. Quebec will nur etwa 20 Cannabis-Geschäfte zulassen, und auch das nur schrittweise.

In Ontario, Kanadas größter Provinz, hat die Anfang Juni gewählte rechtspopulistische Regierung quasi die ganze Vorarbeit der liberalen Vorgängerregierung vom Tisch gefegt. Sie hat verfügt, dass Ontarios Marihuana-Konsumenten ihren Stoff vorerst nur Online von der neu eingerichteten Behörde Ontario Cannabis Store (OCS) beziehen können. Erst im April 2019 könnte sich ein neues Netz von lizensierten Verkaufsläden etablieren.

„Es wird legalisiert, aber dann müssen Läden schließen“

„Die Regierung wolle verdienen wie am Alkohol, klagt Kim Dolan, die seit einer Operation vor 17 Jahren Cannabis raucht. Eine Frau aus der Nachbarprovinz Quebec pflichtet bei. „Es ist verrückt. Es wird legalisiert, aber dann müssen Läden schließen. Was macht der, der nicht online von der Regierung kaufen will?“

Das C.D. Howe-Institut glaubt, dass dem Staat aufgrund von Schwarzmarkt und dem Mangel an Marihuana im legalen Verkauf im ersten Jahr mehrere hundert Millionen Dollar entgehen.

„Ja, es gibt Probleme, aber es mussten auch viele Bereiche neu geregelt werden, etwa um Autofahren unter Drogen zu bekämpfen“, sagt der 24-jährige Adam, der sich gerade ein paar Ganja-Drops gekauft hat, nachdem er die gewünschten Cannabis-Blüten für seinen Joint nicht bekommen hatte.

„Aber es ist gut, dass wir diesen Schritt der Legalisierung gehen. Viele rauchen Marihuana ohnehin.“ Nach all den Jahren des Wartens auf die Legalisierung hat er kein Problem damit, dass noch ein paar Monate vergehen werden, bis er in einem „Pot Store“ seinen Stoff kaufen kann. „In der Zwischenzeit kaufe ich halt online.“