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Der Kampf um Nord Stream 2 geht in eine neue Phase

Wird die Pipeline der strengen EU-Regulierung unterworfen? Während die Bundesnetzagentur darauf eine Antwort geben muss, werden die Klingen geschärft.

In wenigen Wochen wird die Bundesnetzagentur entschieden haben, ob die Ostseepipeline Nord Stream 2 von der EU-Regulierung freigestellt wird oder nicht. Für die Investoren ist der bevorstehende Beschluss der Bonner Regulierungsbehörde von grundsätzlicher Bedeutung. Sie verweisen auf ein Rechtsgutachten, das ihre Forderung nach einer Freistellung stützt.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Grundsätze der Netzregulierung, die bislang nur für Pipelines gegolten haben, die ihren Start- und Endpunkt innerhalb der EU haben, auch für Nord Stream 2 gelten. Nord Stream 2 ist eine Import-Pipeline, die Erdgas aus Russland quer durch die Ostsee bis nach Deutschland leiten soll. Der Bau der Pipeline ist noch nicht abgeschlossen.

Auf Druck der USA musste die Verlegung weniger noch fehlender Rohre Ende des vergangenen Jahres unterbrochen werden. Würden die Grundsätze der europäischen Netzregulierung für Nord Stream 2 gelten, müssten die Betreiber der Pipeline im deutschen Hoheitsgebiet der Ostsee auch Dritten Zugang zu der Leitung gewähren – außerdem würden die Entgelte für die Nutzung der Pipeline von der Regulierungsbehörde kontrolliert.

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Noch gravierender wäre die Entflechtung: Gasproduzent und Betreiber des Pipeline-Stücks auf deutschem Hoheitsgebiet dürften nicht identisch sein. Die Pipeline ist ein Projekt des russischen Gaskonzerns Gazprom, der die Pipeline betreiben und auch das Gas liefern will.

Die Nord Stream 2 AG, die zu hundert Prozent Gazprom gehört, hat bei der Bundesnetzagentur schon vor Wochen den Antrag gestellt, von der EU-Regulierung freigestellt zu werden. Grundsätzlich sieht die EU-Binnengasmarktrichtlinie eine Freistellung von der Regulierung vor; allerdings eröffnet sich die Möglichkeit der Freistellung nur für Pipelines, die vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden.

Gutachten liefert neuen Fokus

Das Unternehmen sieht sich in seinen Rechten verletzt, weil die EU-Regulierung erst geschaffen worden sei, als man wesentliche Investitionsentscheidungen längst getroffen habe und wesentliche Teile der Leitung bereits fertiggestellt gewesen seien.

Neue Argumente liefert dem Unternehmen ein Rechtsgutachten der Tübinger Hochschullehrer Martin Nettesheim und Stefan Thomas. In ihrem Gutachten, dessen Zusammenfassung dem Handelsblatt vorliegt, kommen die beiden Juristen zu dem Ergebnis, es fehle schon „an einer nachvollziehbaren Begründung dafür, welchen Sinn eine Regulierung von Leitungen, die aus einem Drittstatt in die EU führen, für das Funktionieren des Binnenmarktes innerhalb der EU haben sollte“.

„Die neue Regulierung erfasst unvermittelt und übergangslos Gasinfrastrukturen, deren Bau schon weit fortgeschritten ist. Hätten die Investoren bei der Planung und Beantragung von der neuen Regulierung gewusst, hätten sie womöglich ganz anders kalkuliert“, sagte Stefan Thomas dem Handelsblatt.

Das Gutachten legt einen besonderen Fokus auf den Begriff der Fertigstellung. Es greife zu kurz, „den Begriff allein im baulich-technischen Sinne auszulegen“, sagte Thomas. „Denn es muss Beachtung finden, wenn die Nord Stream 2 AG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie im Vertrauen auf die frühere Rechtslage bereits Milliardeninvestitionen getätigt hat.“

Ebenso müsse berücksichtigt werden, „wenn die Bauarbeiten im deutschen Hoheitsgebiet, auf die sich die Anwendbarkeit der neuen Richtlinie insoweit beschränkt, bereits praktisch abgeschlossen waren“. Nach Überzeugung des Hochschullehrers muss man den Begriff Fertigstellung daher „im wirtschaftlich-funktionalen Sinne begreifen“. Im Ergebnis, so das Resümee des Juristen, würde die enge Auslegung des Begriffs Fertigstellung zu einer Ungleichbehandlung in vergleichbar gelagerten Fällen führen.

„Denn baulich fertiggestellte Pipelines und die baulich noch nicht komplett fertiggestellte Leitung Nord Stream 2 sind in wesentlichen Merkmalen vergleichbar: Es wurden jeweils Investitionen getätigt, die irreversibel sind. Es wäre unverhältnismäßig, sie nicht gleich zu behandeln“, warnt Thomas.

Negative Stimmen zum Projekt

Die Gegner des Projektes sehen das anders. Sie argumentieren, Nord Stream 2 erhöhe die Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen und schwäche den Wettbewerb. Allein elf EU-Staaten haben sich nach Angaben der Bundesnetzagentur am Konsultationsprozess beteiligt, der Bestandteil des Verfahrens ist.

Die Staaten hätten „zum Teil umfangreiche Stellungnahmen abgegeben“, teilte die Behörde auf Anfrage mit. Die zuständige Beschlusskammer der Netzagentur werte die Stellungnahmen derzeit aus. Beteiligt haben sich laut Netzagentur Dänemark, Estland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden und die Slowakei.

Insbesondere die osteuropäischen Staaten bekämpfen das Projekt seit Jahren vehement. Außerdem soll nach Angaben eines Sprechers der Behörde „in Kürze“ der Beschluss über die Beiladung von Unternehmen, die sich an dem Verfahren beteiligen wollen, auf der Website der Netzagentur veröffentlicht werden.

Welche Unternehmen das sein werden, hat die Netzagentur bereits am 17. März beschlossen, aber noch nicht öffentlich gemacht hat. Eines der beigeladenen Unternehmen hat sich allerdings bereits zu erkennen gegeben: Man sei von der Bundesnetzagentur beigeladen worden, teilte der polnische Energiekonzern PGNiG Ende vergangener Woche mit.

Das Unternehmen darf seine Sicht im Verfahren präsentieren und auch Akten einsehen. „Nord Stream 2 darf keine Freistellung von der Regulierung bekommen“, sagte PGNiG-Chef Jerzy Kwiecinski. Eine Freistellung sei ausschließlich für solche Pipelines denkbar, die vor Inkrafttreten der EU-Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie schon fertiggestellt worden seien.