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Im Kampf gegen Hasskommentare erhöht die Politik den Druck auf Online-Plattformen

Hasskommentare sind ein negativer Aspekt des Internets (Symbolfoto: Getty)
Hasskommentare sind ein negativer Aspekt des Internets (Symbolfoto: Getty)

Zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten steht das Gesetz gegen strafbare Inhalte im Internet weiter in der Kritik. Die Bundesjustizministerin will die Defizite jetzt beseitigen.

Seit zwei Jahren müssen sich Online-Plattformen wie Facebook oder Twitter an das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz halten. Das NetzDG, so die Kurzform, soll die Internetkonzerne zum schnellen Löschen von strafrechtlich nicht zulässigen Inhalten zwingen. Wer den Vorgaben wiederholt und systematisch nicht nachkommt, dem drohen Strafen in Millionenhöhe.

Die Vorschriften waren von Anfang an umstritten. Kritiker sahen die Meinungsfreiheit bedroht, da die Plattformbetreiber vorschnell Beiträge aus Furcht vor Geldbußen löschen könnten. Auch wenn ein solches Overblocking von Inhalten laut Bundesjustizministerium nicht eingetreten ist, soll das Gesetz nun verschärft werden. „Wir werden die sozialen Netzwerke insgesamt stärker in die Pflicht nehmen“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dem Handelsblatt. „Facebook & Co. müssen ihrer Verantwortung gerecht werden für das, was auf ihren Plattformen geschieht.“

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Was konkret geändert wird, hängt vom Ergebnis der Evaluierung des NetzDG ab, die derzeit vorbereitet wird. Dass Verbesserungsbedarf besteht, zeigt indes der unterschiedliche Umgang der Netzwerke mit gemeldeten Inhalten. Facebook hatte sich jüngst ein Bußgeld von zwei Millionen Euro eingehandelt, weil ein Transparenzbericht laut Bundesamt für Justiz (BfJ) unvollständig war.

Bemängelt wurde zudem, dass das Meldeformular für Nutzerbeschwerden „zu versteckt“ sei. Dies dürfte auch erklären, warum bei Facebook im ersten Halbjahr 2019 nur knapp 680 Beschwerden eingingen, während Twitter im selben Zeitraum rund eine halbe Million Eingaben registrierte.

Der CDU-Digitalpolitiker Tankred Schipanski plädiert deshalb dafür, die Kriterien für die Transparenzberichte im Gesetz klarer zu fassen, um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Plattformen zu erreichen. „Wir werden prüfen, ob es hier weiterer Konkretisierungen bedarf“, sagte auch der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann. Die Koalition lege noch in diesem Jahr Vorschläge zur Weiterentwicklung des NetzDG vor.

Lambrecht kündigte im ZDF „Lösungen“ für einfachere Meldewege an. Außerdem will die Ministerin die Abstimmung zwischen Plattformen und Strafverfolgungsbehörden „noch enger verzahnen, damit Strafverfolgung eben auch schnell möglich ist“.

Der Deutsche Richterbund sieht hier sogar dringenden Handlungsbedarf: „Bisher treten die Strafverfolger den sozialen Netzwerken als Bittsteller gegenüber“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Handelsblatt. Facebook zum Beispiel beantworte Anfragen regelmäßig mit der „inhaltsleeren“ Auskunft, dass ein Rechtshilfeersuchen an die USA zu richten sei, was wegen der dortigen Rechtslage aber aussichtslos ist. „Es braucht dringend eine gesetzliche Pflicht für die Netzwerke, bei Verdacht auf Straftaten Nutzerdaten wie Name und Mail-Adresse herauszugeben, wie es das vergleichbar für Telekommunikationsanbieter gibt.“

„Gesetzgeberische Lethargie ist absolut unverständlich“

Verweise auf Rechtshilfegesuche will auch der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) „nicht länger als Antwort akzeptieren“, wie er sagte. Wenn die Staatsanwaltschaft eine Auskunft brauche, müssten die inländischen Zustellungsbevollmächtigten der Netzwerke sich um strafrechtliche und um zivilrechtliche Streitfälle kümmern. Der SPD-Politiker Zimmermann plädierte überdies dafür, zu prüfen, „ob es eine Stärkung der zivilrechtlichen Instrumente, etwa mit Blick auf Auskunftsansprüche, bedarf, damit Betroffene sich besser zur Wehr setzen können“.

Die Grünen im Bundestag warfen der Bundesregierung vor, bis heute jedwede Kritik am NetzDG und Verbesserungsvorschläge zu ignorieren. „Ihre gesetzgeberische Lethargie ist absolut unverständlich – insbesondere, da sich CDU/CSU und SPD bereits in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Evaluierung und Überarbeitung des Gesetzes verständigten“, schreiben die Grünen-Politiker Konstantin von Notz und Renate Künast in einem Gastbeitrag im Handelsblatt.

Konkret bemängeln die Bundestagsabgeordneten, dass die Vorschriften „an vielen Stellen zu unkonkret und Sanktionsmechanismen nicht ausreichend“ seien. Meldewege zur Überprüfung von Inhalten etwa seien für die Nutzer nur schwierig auffindbar. Außerdem fehle ein einheitliches Verfahren zur Löschung von Inhalten.

Generell ablehnend steht der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin dem Gesetz gegenüber. Das NetzDG sei „ein Gesetz für die Tonne“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Letztlich ist es nicht akzeptabel, dass einer gefühlten Verrohung in den sozialen Medien auf Kosten der Meinungsfreiheit entgegenwirkt werden soll.“

Denn tatsächlich strafbare Inhalte ließen sich auch ohne NetzDG rechtlich wirksam bekämpfen. Außerdem würden Gesetze nicht gegen Gesinnung helfen. „Solche negativen Phänomene müssen wir als Gesellschaft im Diskurs bekämpfen und nicht durch fragwürdige Gesetze“, betonte der FDP-Politiker.

Ruf nach europäischen Regelungen

Alternativ schlug Höferlin vor, sich an den Systemen der regulierten Selbstregulierung beim Jugendmedienschutz und in anderen Bereichen zu orientieren, die dort erfolgreich etabliert worden seien. „Solche Lösungen sollten auch bezogen auf soziale Netzwerke diskutiert werden“, sagte er.

„Wenn sich soziale Netzwerke etwa dazu verpflichten würden, gemeinschaftliche Meldestellen zu unterhalten und dabei mit staatlichen Kontrollstellen zusammenzuarbeiten, könnte die Gesellschaft zukünftig viel besser an der Bewältigung des Problems beteiligt werden als sie es gegenwärtig ist.“

Noch besser wäre aus Sicht des Hamburger Justizsenators Steffen ein europäischer Schulterschluss im Kampf gegen Hass im Netz. Dass kürzlich auch Frankreich mit einem eigenen NetzDG aktiv geworden ist, sei zu begrüßen. Jedoch: „Europäische Regelungen wären natürlich noch besser und könnten im Idealfall wie bei der Datenschutz-Grundverordnung zu einer Art globalem Standard gegen Hass und Hetze werden.“

Dieser Idee ist auch Lambrecht nicht abgeneigt. EU-Lösungen seien „insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wie Online-Kommunikation – grundsätzlich begrüßens- und erstrebenswert“, hieß es aus ihrem Ministerium.

Der Richterbund sieht ein europäisches Vorgehen indes skeptisch. Die EU-Staaten arbeiteten unter dem Stichwort E-Evidence zwar daran, Internetunternehmen zu viel schnellerer Zusammenarbeit mit den Strafverfolgern zu verpflichten. Und es sei sinnvoll, damit auch die Probleme bei der Hasskriminalität möglichst europäisch zu lösen, sagte Bundesgeschäftsführer Rebehn. „Der Weg über Europa hat aber den Nachteil, dass es noch zwei bis drei Jahre dauern dürfte, ehe schärfere Regelungen für Auskünfte der sozialen Netzwerke tatsächlich in Kraft treten.“