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Kaderschmieden im Krisenmodus – Britische Internate leiden unter der Krise

Der Brexit erschwert das Geschäft mit ausländischen Schülern und die Corona-Kosten zehren die Rücklagen auf. Die Branche steht vor einem Wandel.

Die Privatschule Repton in der englischen Grafschaft Derbyshire ist mehr als 450 Jahre alt. Sie wurde im Jahr 1557 auf den Fundamenten einer noch älteren Benediktinerabtei gegründet. „Ein Ort des Lernens seit über eintausend Jahren“, sagt Schulleiter Mark Semmence. Doch Geschichte und Tradition helfen ihm bei den aktuellen Problemen nicht weiter.

So wie Repton machen viele Privatschulen und Internate in Großbritannien schwierige Zeiten durch. Da ist zum einen der Brexit, der die Bedingungen für die ausländischen Schüler verkompliziert: Seit dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union können sich Interessenten aus EU-Staaten nicht mehr einfach in den nächsten Flieger setzen, um zu ihrem Internat in Südengland oder Schottland zu gelangen. Sie müssen nun erst einmal Formulare ausfüllen und Anträge stellen.

Zusätzlich schafft die Pandemie große Unsicherheit. Das Vereinigte Königreich zählt zu den am schwersten betroffenen Ländern Europas, im aktuellen Lockdown ist an normalen Unterricht nicht zu denken.

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Dabei steht viel auf dem Spiel: Britische Internate genießen international einen hervorragenden Ruf, Eton oder das Winchester College sind weltweit bekannte Einrichtungen. Die mehr als 2400 Privatschulen des Landes beschäftigen rund 303.000 Menschen und tragen 13,7 Milliarden Pfund zur Wirtschaftsleistung bei.

Laut Branchenverband Independent School Council (ISC), der rund 1300 Schulen vertritt, werden mehr als 1,8 Milliarden Pfund allein mit den Schulgebühren der knapp 60.000 ausländischen Schüler erwirtschaftet, die aus der ganzen Welt nach Großbritannien kommen.

Der Brexit macht den Schulen noch die geringsten Sorgen. Philipp Ackel von der Münchener Agentur Stanford & Ackel, die auf die Vermittlung von Internatsplätzen in Großbritannien spezialisiert ist, registriert bisher keine nachlassende Nachfrage. „Schüler aus Deutschland haben weiterhin großes Interesse an einem Auslandsaufenthalt in Großbritannien. Für den Schulstart im September 2021 sind wir recht zuversichtlich.“

In Repton sei die Zahl der Bewerber aus Deutschland und anderen europäischen Ländern zuletzt sogar gestiegen, berichtet Schulleiter Semmence. „Wir erleben einen regelrechten Wettkampf um die vorhandenen Plätze.“

Schulen mussten Gebühren reduzieren

Wesentlich gravierender sind die Folgen der Coronakrise: Bei Schulgebühren von durchschnittlich rund 12.000 Pfund pro Semester sind viele Eltern nicht bereit, Abstriche beim Unterricht in Kauf nehmen – auch nicht, wenn sie staatlich verordnet werden. Zahlreiche Schulen waren daher gezwungen, ihre Gebühren zu reduzieren, Schüler aus dem Ausland konnten nicht anreisen oder verwarfen die Idee vom Schuljahr in England ganz.

Den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hätten die Schulen überraschend gut abgefedert, sagt Christopher King, Vorsitzender des Privatschulenverbands IAPS. Doch nun seien die finanziellen Reserven vielfach aufgebraucht. Ein lang anhaltender Lockdown würde die privaten Schulen signifikant treffen, fürchtet King.

Den Colleges machen vor allem die Personalkosten zu schaffen. Diese machten etwa zwei Drittel der Gesamtkosten aus, so King. Seit den Weihnachtsferien sind die Schulen in Großbritannien geschlossen, die Schüler lernen von zu Hause aus oder werden in ihren Internatsunterkünften digital unterrichtet.

Ähnlich wie in Deutschland ringen jedoch vor allem jene Schulen um ihre Existenz, die schon zuvor zu kämpfen hatten. „In diesen Fällen hat Corona die Probleme offengelegt, die schon vorhanden waren“, sagt King. An eine Systemkrise glaubt er nicht. Ermutigend findet er, dass das Interesse an einer Internatsausbildung stabil ist. „Die Zahl der Schüler insgesamt ist nicht gefallen.“

Doch die Eliteschulen müssen sich weiterhin die gewohnte Kritik anhören: Sie seien zu teuer, zu abgehoben und zu wenig divers. Die Schulen müssten sich den veränderten Erwartungen stellen, so Rebecca Tear, Schulleiterin der Badminton School in Bristol und Vorsitzende des Internatsverbands Boarding Schools’ Association.

Und das könnten sie auch, sagt sie, und zählt auf: Stipendien für Kinder aus weniger wohlhabenden Familien, Inklusionsprogramme, Umweltschutzprojekte, Partnerschaften mit sozialen Projekten in der Nachbarschaft. „In der Pandemie haben die britischen Internate ihre Anpassungsfähigkeit bewiesen“, gibt sich Tear optimistisch. Sie hätten schnell gelernt, die digitalen Möglichkeiten bei der Vermittlung von Lehrinhalten für sich zu nutzen.

Auch Bildungsexperte King sagt: „Von außen sehen viele Privatschulen aus wie Bastionen.“ Sie seien traditionell im Hinblick auf die Werte, die sie lehrten. „Doch sie sind auch ziemlich schnell, wenn es darum geht, Lehrpläne anzupassen oder die Erwartungen zu erfüllen, die an eine moderne Schule gestellt werden.“

Chance für einen Wandel der Privatschulen

Branchenkenner erwarten, dass es in den kommenden Jahren zu Übernahmen und Zusammenschlüssen unter den Privatschulen kommt, um die Kosten zu senken. Auch das digitale Lernen wird wohl die Zeit der Pandemie überdauern und weiter ausgebaut.

Und Schulleiter Semmence blickt über die Grenzen hinaus: Er will das Erfolgsmodell der englischen Privatschule exportieren. Sechs Ableger in Asien und im Nahen Osten, darunter in China und Dubai, hat die Repton School bereits gegründet. In den kommenden zwei bis drei Jahren sollen vier weitere hinzukommen. „Wir reden hier nicht von bloßen Satelliten.“ Es gehe darum, alles, was seine Schule ausmache, zu übertragen: Lehrpläne, Anspruch, Haltung.