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Können Startups das Klima retten? „Es wird schon eng“, sagt der Sonnen-Gründer

2010 gründete er Sonnen, 2019 verließ er das Unternehmen – mit grüner Energie befasst er sich aber schon sein halbes Leben: Christoph Ostermann. - Copyright: sonnen
2010 gründete er Sonnen, 2019 verließ er das Unternehmen – mit grüner Energie befasst er sich aber schon sein halbes Leben: Christoph Ostermann. - Copyright: sonnen

Tief im Allgäu, in Wildpoldsried, bastelt Christoph Ostermann seit zwanzig Jahren an Lösungen für das größte Problem unserer Zeit: den Klimawandel. Gemeinsam mit Torsten Stiefenhofer entwickelte er mit dem Startup Sonnen Lithiumbatterien als Energieheimspeicher für private Solaranlagen.

2019 kaufte der Energiekonzern Shell mit seiner Tochter Shell New Energie das Unternehmen. Gründer Ostermann verließ Sonnen wenig später. Dem Thema erneuerbare Energie bleibt er treu, als Investor und Beirat von Startups wie 1Komma5. Die Plattform gehört seinem ehemaligen Mitarbeiter und Ex-Tesla-Deutschland-Chef Philip Schröder. Das Unternehmen bietet Photovoltaikanlagen, Stromspeicher, Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen aus einer Hand, vom Produkt über Installation bis hin zur Smart-Home-Steuerung. Oder mit der Beteiligung von Ostermann an Esforin, einem Anbieter flexibler Stromvermarktung. Die helfen, dass grüner Strom voll genutzt werden soll, wenn er verfügbar ist, also wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.

Diese und andere Startups aus dem Bereich erneuerbare Energie können sich aktuell kaum vor Anfragen retten. In der Energiekrise wird klar, dass das bestehende System krankt. Ist das die große Zeit der Startups? Haben sie die Lösungen und ermöglichen sie nun erneuerbare Energie im großen Stil? Fragen an einen, der die Branche und ihre Hürden so gut kennt wie kaum ein anderer.

Christoph, ärgert es dich, wie wild alle erneuerbare Energie wollen, Solaranlagen, Wärmepumpen – aber erst jetzt, wo Energie knapp und teuer wird?

Ein bisschen schon. Der Stellenwert, den das Thema heute hat, ist der, den ich mir immer gewünscht habe. Und auch wie der Markt sich im Moment entwickelt, ist so, wie ich immer gehofft habe, dass es irgendwann kommt. Hat lange gedauert. Überrascht mich aber auch nicht. Wenn man die Energiewende nicht aktivistisch oder ideologisch, sondern auch als Business vorantreibt, lernt man schnell in leidvoller Erfahrung, dass die meisten Leute nur dann zu triggern sind, wenn sie selber einen Nutzen davon haben. Ich bin seit 2002, also seit 20 Jahren in der Branche. Am Anfang musste ich noch ein echter Überzeugungstäter sein und viel Spott und Häme ertragen. Dass sich das ändert, finde ich super, aber es hätte schon früher passieren dürfen. Das hätte allen und ganz sicher dem Planeten geholfen.

Wie bist du mit Spott und Häme damals umgegangen?

Ich habe verstanden, wo es herkam. Wenn man innovativ ist und etwas ganz neu anfängt, dann gibt es erst mal eine Zeit, in der neue Lösungen noch nicht wirtschaftlich sind. Als wir 2010 anfingen, einen Speicher zu bauen, war der so teuer, dass er für Privatkunden nicht mal ansatzweise wirtschaftlich Sinn gemacht hat. Die Amortisation hätte 100 Jahre und mehr gedauert, Lithium-Batterien waren damals so wahnsinnig teuer. Wir mussten erstmal eine Ochsentour durch das Tal der Tränen machen, bis die Leute die Technologie verstanden haben und akzeptierten. Bis wir auf gewisse Stückzahlen kommen und unsere Kosten dadurch senken konnten. Und so ist das bei neuen Technologien immer: Die Kosten müssen runter, damit das Produkt wirtschaftlich wird und damit überhaupt eine Chance hat. Man könnte auch darauf setzen, Subventionen zu bekommen, aber das halte ich für falsch. Ich denke, man muss den harten Weg gehen und da durch.

Aber wie denn? Was hat dir geholfen und dich durch das „Tal der Tränen“ getragen?

Die Wahrheit ist: Unternehmer sind mit einer großen Naivität und mit einem hohen Maß an Optimismus ausgestattet. Das meine ich positiv: Wären sie das nicht, würden sie nicht machen, was sie tun. Denn rein statistisch spricht ja alles gegen das Gründen. Die wenigsten haben Erfolg. Man muss also sehr tief im Glauben stehen und für das, was man tut, wirklich brennen. Dann trägt einen das Emotionale über die rationalen Hürden. Wenn man dazu noch über eine Portion Resilienz verfügt und sich und allen anderen gern mal etwas beweisen will, dann kann man es durchziehen.

Heute haben Startups im Bereich der erneuerbaren Energie aber teils genau gegenteilige Probleme. Die werden von Nachfragen überrannt.

Auch schwierig, ja. Das Wichtigste für Gründerinnen und Gründer in dieser Situation ist, nicht zu glauben, dass dieser Zustand für immer anhält. Es wäre fatal zu sagen: Vertrieb brauchen wir nicht, weil die Leute Schlange stehen. Das ist jetzt so und das ist sicher für die Branche schön, aber das vergeht auch wieder. Die aktuelle Gesamtgemengelage birgt aber andere Herausforderungen.

Welche sind das?

Zum einen das Thema Installation. Durch das Standesrecht darf in Deutschland Speicher und eine Solaranlage nur ein Elektrikermeister anschließen. So, wie der Chefarzt am Herzen operiert. Da ist eine der Lösungsmöglichkeiten, die Installation effizienter zu organisieren, etwa über digitale Tools. So dass der Chefarzt, also der Elektriker, nur noch von Baustelle zu Baustelle reist und am Tag drei Herz-OPs vornehmen kann und nicht mehr wie früher zwei Tage an der selben Baustelle bleibt.

Was noch?

Eine andere Herausforderung ist die Supply Chain. Hardware für erneuerbare Technologien kommen zu unserem Leidwesen seltenst aus Deutschland. Die Orderbücher voll zu haben, ist toll. Nur wenn man keine Ware hat, die man verkaufen kann, wird aus dem Auftrag kein Umsatz. Und wenn aus dem Auftrag kein Umsatz wird, kommt kein Geld rein. Unternehmen müssen also verschiedene Dinge tun: Unter anderem sollten sie mehr Working Capital bereit halten als sonst, um lieferfähig zu bleiben. Man muss Anzahlungen machen, man hat wahnsinnig lange Lieferzeiten. Viele Dinge sind nicht verfügbar. Chip-Mangel hat jeder schon mal gehört. Vor fünf Jahren war das ein No-Brainer, wer damals bezahlen konnte ist mit massenhaft Chips beliefert worden, in fünf Wochen. Jetzt dauert es acht Monate – wenn man Glück hat.

Müssten Startups also nicht hier ansetzen? Brauchen wir mehr Gründer und Gründerinnen, die Hardware für erneuerbare Energien machen?

Absolut. Die Energiewende kann nicht allein durch Software gelöst werden. Man braucht auch Hardware, man braucht auch Technologie, die man anfassen kann, um etwa verändern zu können. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass es ein Problem ist, das viel zu wenige Gründerinnen und Gründer das hierzulande machen. Und ich glaube, dass dieses Problem auch durch Investoren verursacht wird. Die allermeisten Fonds sagen: Du hast Hardware? Ach, dann nicht. Das ist ja nicht Asset-light und Hardware ist auch nicht so schön skalierbar.

Sprich: Für Hardware gibt’s kein Investorengeld.

Ja, zumindest schwieriger als für Software und digitale Geschäftsmodelle. Wahrscheinlich auch weil mit die großen Plattform-Businesses, Amazon, Airbnb, Uber, Facebooks wahnsinnig profitable, monopolartige Modelle entwickelt haben, bei denen die Investoren ihr Glück nicht fassen konnten, wie wahnsinnig viel Geld sie damit verdienen konnten. Deshalb gehen viele Investoren lieber auf so etwas. Aber das ist nicht der richtige Weg. Ich glaube, Plattformen und Software sind nur ein Puzzlestein bei dem, was wir vorhaben, in der Energiewende.

Du bist doch auch als Investor unterwegs. Machst du es anders?

Ja, ich investiere auch in Hardware. Ich sehe mich, der ich mein bescheidenes Vermögen investiere, eher als aktiven Investor, der eben nicht nur Geld gibt, sondern mit 20 Jahren Industrieerfahrung hilfreich für für junge, technologieaffine Gründer sein kann. Es gibt ja 1.000 Sachen, die schiefgehen können, und ich habe – offen gesprochen – die Scheiße in allen Farben gesehen und kann helfen, viele Fehler nicht zu machen, die ich selber gemacht habe. Ich habe keinen Anlagedruck, ich habe keinen Stress. Ich muss niemandem erklären, was ich mache, außer mir selbst. Deswegen bin ich da so ein bisschen ein Freestyler. Und ich mache grundsätzlich nur Dinge, die ich selber gut verstehe.

Also Solar und Speichermedien?

Na ja, schon mehr: Alles, was unmittelbar mit dem Thema Energiewende zu tun hat. Ich habe auch ein Investment in einer Firma, die machen Software für Flexibilität und Stromvermarktung. Ein ganz wichtiges Thema, gerade jetzt in diesen Zeiten, wo die Volatilität im Netz und an den Strommärkten wahnsinnig hoch ist. Es gibt also wie man sieht schon Themen, die kann man mit Software lösen. Aber ich habe unter anderem auch in ein Unternehmen investiert, das Handwerksleistungen anbietet, weil ich das wichtig finde. Und in Hardware und Solar. Wasserstoff finde ich auch spannend.

Wie ist deine Prognose? Schaffen wir das mit der Energiewende? Können Startups helfen? Vorhin hast du gesagt, du bist als Unternehmer ein Optimist.

Ja, aber ich muss schon zugeben, dass mein Optimismus ein bisschen gelitten hat. Ich habe in den vergangenen Jahren vor Augen geführt bekommen, dass einige Illusionen, die man in der Vergangenheit hatte, ganz offensichtlich den Bach runtergehen. Neben der Sicherheitsillusion eines friedlichen Europas und einer Wohlstandsillusion gehört da sicherlich auch die Illusion dazu, dass wir uns tatsächlich schon dem Ende des fossilen Zeitalters nähern. Das kann ich aus heutiger Sicht ehrlich gesagt nicht mehr erkennen. Wir bekommen schmerzhaft vor Augen geführt, wie wichtig für die Welt und jetzt auch wieder für uns in besonderem Maße, die fossilen Energieträger immer noch sind.

Was ist schiefgelaufen?

Nur über die Energiewende zu reden reicht halt nicht. Energiepolitik hat lange Zeit so funktioniert, dass vor allen Dingen formuliert wurde, was wir nicht wollen: keine Atomkraft, Kohle auch nicht. Eigentlich auch kein Gas, aber als Brückentechnologie okay. Windkraft wollen wir aber auch nicht, wenn irgendwo eine Fledermaus rumfliegt oder ein Anwohner sich beschwert. Und Solar wollen wir nicht, wenn es nicht schön aussieht. Um es sich aber leisten zu können, nur zu formulieren, was man nicht möchte, hätte man erst mal Alternativen schaffen und die Erneuerbaren wesentlich konsequenter ausbauen müssen. Man hätte also sagen müssen: Wir bauen jetzt erst mal die erneuerbare Energie, die wie wollen, wirklich aus. Und dann knipsen wir die anderen nach und nach aus. Wenn wir soweit sind.

Was passiert jetzt, wo das nicht so der Reihe nach ging?

Die Lektion, die viele Leute aus der jetzigen Sorge um Engpässe ziehen, ist die, dass Versorgungssicherheit und Zugang zu Energie wichtiger sind als CO2-Vermeidung. Es macht sich die Meinung breit, dass das fossile Zeitalter wahrscheinlich doch noch nicht vorbei ist und dass erneuerbare Energie vielleicht ein Fehler war. Und das ist natürlich fatal. Und so ist mein Optimismus aktuell ein bisschen verhalten. Was gerade passiert ist ein schockierendes Erlebnis für alle. Vieles ist anders gekommen, als man sich es gedacht hat. Möglicherweise muss man die eigene Realität und die eigene Sicht jetzt an die tatsächlichen aktuellen Umstände anpassen und gucken, welche Wege man finden kann um trotzdem das Ziel der Energiewende zu erreichen.

Also doch optimistisch!

Aber es scheint schon ein bisschen eng zu werden. Umso mehr muss man sich jetzt anstrengen.