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Kühnerts Kehrtwende sorgt für Ärger bei SPD-Linken

Juso-Chef und oberster GroKo-Gegner Kevin Kühnert warnt plötzlich vor einem schnellen Ausstieg aus der Koalition. Für die gesamte SPD-Spitze wird das zum Problem.

Kevin Kühnert (SPD), Bundesvorsitzender der Jusos, hat auch Genossen mit seinen Äußerungen zur Großen Koalition überrascht. Foto: dpa
Kevin Kühnert (SPD), Bundesvorsitzender der Jusos, hat auch Genossen mit seinen Äußerungen zur Großen Koalition überrascht. Foto: dpa

Zwischen Kevin Kühnerts Interview-Aussagen und seiner „Klarstellung“ in den sozialen Netzwerken lagen an diesem Mittwoch nur wenige Stunden. Doch die reichten aus, um das derzeit schaukelnde Schiff SPD noch mehr in Unruhe zu versetzen.

In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ hatte Kühnert, seit gut zwei Jahren das Gesicht der „GroKo-Gegner“ in der SPD, urplötzlich vor einem schnellen Ausstieg aus dem Bündnis mit der Union gewarnt. „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung“, so der Juso-Bundesvorsitzende.

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Das sollten die SPD-Delegierten auf dem Parteitag am kommenden Wochenende berücksichtigen, wenn sie ihre Anforderungen an die Koalition beschließen. „Nicht weil sie Angst bekommen sollen, sondern weil Entscheidungen vom Ende her durchdacht werden müssen.“

Kontrolle aus der Hand geben? Vom Ende her denken? So hatte der Juso-Bundesvorsitzende bislang nicht geklungen. Entsprechend groß war die Aufregung in der Öffentlichkeit und in der SPD, insbesondere unter denen, die mit der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue Parteivorsitzende die Hoffnung verbunden hatten, dass nun gilt: „An Nikolaus ist GroKo-Aus.“

Kühnerts Aussagen trafen in eine Stimmung, in der sich im linken Lager der SPD bereits erste Ernüchterung über die designierte Parteispitze breit machte. Am Dienstagabend war der Entwurf des Leitantrags für den Parteitag durchgesickert. Und was viele Genossen da lasen, blieb hinter ihren Vorstellungen zurück.

Zwar fanden sich darin etliche Forderungen aus Eskens und Walter-Borjans‘ „Fortschrittsprogramm“. Aber ihre Punkte wurden vom Rest der Parteispitze ordentlich weichgespült. Jedenfalls so stark, dass etwa Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit den Passagen zur schwarzen Null, die kein Dogma sein dürfe, „gut leben kann“, wie es aus seinem Lager hieß.

Ebenso fand sich in dem Papier nicht die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Auch war nirgends von einer „Nachverhandlung“ des Koalitionsvertrags zu lesen, auf die Esken zuvor gepocht hatte. Stattdessen war nur von „Gesprächen“ die Rede, die man mit der Union führen wolle, wie ein Spitzengenosse zufrieden anmerkt, der nicht gerade als Freund der neuen Parteispitze gilt.

Als dann Kühnert auch noch vor dem schnellen GroKo-Ausstieg warnte, drohte die Enttäuschung in Ärger umzuschlagen. Vor allem, weil er auf dem Parteitag als einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden kandidieren will. Manch ein Genosse ätzte, kaum ginge es um höhere Posten, falle „der ach so standfeste Kevin“ um.

Der Juso-Vorsitzende versuchte noch am Vormittag via Video-Erklärung auf Twitter, seine Aussagen aus seiner Sicht klarzustellen. Er habe lediglich den Hinweis gegeben, dass Delegierte auf einem Parteitag Verantwortung trügen. „Das relativiert meine Ablehnung zur Großen Koalition kein bisschen.“

Doch so richtig gelang es Kühnert nicht, die Wogen zu glätten. „Ich war über die Aussagen schon irritiert“, sagte die Parteilinke Hilde Mattheis dem Handelsblatt. Sie begrüße Kühnerts Kandidatur für einen der Stellvertreterposten. „Aber ich hoffe nicht, dass die Kandidatur mit einer Kompromisshaltung einhergeht. Ich erwarte eine klare Haltung, so wie das in der Vergangenheit auch der Fall war“, sagte Mattheis.

Lauterbach: Leitantrag grundlegend verändern

Ähnlich klang der Parteilinke Karl Lauterbach. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „man habe sich mit scharfen Worten gegen die Große Koalition in Ämter wählen lassen und könne sich danach an nichts mehr erinnern“, sagte er.

Die Parteilinke will auf dem Parteitag nun darauf drängen, den Leitantrag grundlegend zu verändern. „Nach den Relativierungen muss klar sein: Wir Linken in der SPD wollen keine Große Koalition“, sagte Mattheis. Vor allem die Passagen zur schwarzen Null und zum Mindestlohn will sie deutlich verschärfen.

Würde die SPD auf dem Parteitag allerdings so harte Bedingungen aufstellen, könnte die Union kaum mitgehen. Ein schnelles Ende der Koalition wäre absehbar. Das allerdings will die neue Parteispitze genau verhindern. „Wir wollen nicht Hals über Kopf aus der Großen Koalition raus“, sagte der angehende Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans der SPD-Zeitung „Vorwärts“.

Diese Haltung wird auch von etlichen Parteilinken geteilt. „Ich halte das jetzige Vorgehen für vernünftig. Ein Ausstieg wäre im Moment wohl niemandem zu vermitteln“, sagt Uli Grötsch, der im SPD-Vorstand als Kritiker der Großen Koalition gilt. Es gilt daher als unwahrscheinlich, dass der Leitantrag deutlich verändert wird.

Union soll Mitverantwortung tragen

Denn auch der neuen SPD-Parteiführung ist bewusst: Wenn die Partei raus aus der Koalition will, braucht sie ein Thema, an dem es zum Bruch kommen könnte. Deshalb soll es erst mal Gespräche mit der Union geben. Und die Hürden dafür dürfen auch nicht von vornherein unrealistisch hoch gelegt werden.

Wenn die Koalition bricht, soll die Union jedenfalls eine Mitverantwortung tragen. SPD-Mitglieder, die auf ein schnelles Ende der Koalition gesetzt hatten, müssen ihre Hoffnungen daher vorerst begraben. Oder wie es Michael Roth, der auch für den SPD-Vorsitz kandidierte, twitterte: „Angekommen in der Wirklichkeit.“ Gemeint war die neue SPD-Spitze.