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Justizministerin Lambrecht weist Kritik an Passwort-Herausgabe zurück

Der von der Justizministerin geplante Zugriff auf Passwörter für Terrorermittler beschäftigt den Bundestag. Die SPD-Politikerin hält das Vorgehen für legitim.

Die Justizministerin stößt mit ihrer Forderung einer Passwort-Herausgabepflicht für Online-Dienste auf Kritik. Foto: dpa
Die Justizministerin stößt mit ihrer Forderung einer Passwort-Herausgabepflicht für Online-Dienste auf Kritik. Foto: dpa

Bundesjustizministerium Christine Lambrecht (SPD) hat ihre umstrittenen Pläne verteidigt, wonach Online-Dienste im Kampf gegen Hasskriminalität zur Herausgabe von Passwörtern an Behörden verpflichtet werden sollen. „Ich kann die Aufregung nicht nachvollziehen“, sagte Lambrecht dem Handelsblatt. „Mein Vorschlag ist ausgewogen. Und wem der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet ernst ist, der wird hier mitgehen.“

Die Ministerin betonte, dass es die Herausgabepflicht von Passwörtern für Telekommunikationsdienste schon längst gebe. Passwörter seien besondere Bestandsdaten. „Wir stellen klar, dass die Regeln zur Bestandsdatenauskunft auch für Telemedien gelten. Das war bislang gesetzlich nicht festgeschrieben“, sagte Lambrecht. „Die Staatsanwaltschaften sollen nur im Einzelfall und nur dann die Befugnis bekommen, Zugangsdaten von Internetplattformen herauszuverlangen, wenn ein Richter zugestimmt hat“, erläuterte die SPD-Politikerin

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In der Digitalwirtschaft hatte das Vorhaben der Herausgabe von Nutzerpasswörtern zu einem Aufschrei geführt. Der Verband der Internetwirtschaft Eco sprach von einem „großen Lauschangriff“ im Netz, der Digitalverband Bitkom von einem „überhasteten Vorstoß“. Eine „Katastrophe für Bürgerrechte“ klagte die FDP.

„Es geht hier um Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung“, betonte Lambrecht. „Selbstverständlich werden wir im Laufe der Gesetzgebung die eingehenden Stellungnahmen sehr genau prüfen und auf die Details achten“, versprach sie.

Auf die Frage, ob sie sich in der Sicherheitspolitik vor den Karren von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) spannen lasse, sagte Lambrecht: „Ganz bestimmt lasse ich mich nicht vor irgendeinen Karren spannen. Dieser Gesetzentwurf kommt nicht, weil ich von irgendjemandem dazu gedrängt werde.“

Ihr gehe es vielmehr darum, dass der Rechtsstaat in den Grenzen der rechtsstaatlichen Bindungen handlungsfähig sei. „Die Menschen müssen wieder das Gefühl haben, dass der Staat darauf reagiert, wenn es Bedrohungen und Beleidigungen gibt“, betonte die SPD-Politikerin.

Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus

Mit dem umstrittenen Referentenentwurf setzt Lambrecht ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität um, das die Regierung Ende Oktober vorgestellt hatte. Das Kabinett muss den Entwurf noch beschließen, bevor sich der Bundestag im kommenden Jahr damit befassen kann.

Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Anbieter von Telemediendiensten – zum Beispiel E-Mail-Dienste, soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter sowie Unternehmen, die Dienste im Internet betreiben – bei Auskunftsersuchen von Behörden sogenannte Bestandsdaten herausgeben. Dazu zählen Passwörter.

Dafür soll im Telemediengesetz (TMG) „das Auskunftsverfahren über Bestands- und Nutzungsdaten gegenüber Behörden neu geregelt werden“, wie es in dem Gesetzentwurf heißt. Die Regelung soll somit künftig auch für „Bestandsdaten“ gelten, „mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird“.

Explizit heißt es in dem Entwurf: „Für die Auskunftserteilung sind sämtliche unternehmensinternen Datenquellen zu berücksichtigen.“ Die Passwörter werden allerdings von den Diensten grundsätzlich verschlüsselt gespeichert, sie könnten also nicht im Klartext an die Behörden ausgehändigt werden.

Mit Blick auf diesen Umstand sagte Lambrecht, das sei datenschutzrechtlich so vorgegeben, und daran wolle sie auch nichts ändern. Eventuell erfülle ein Unternehmen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen aber nicht. „Da können die Ermittler zugreifen“, so die Ministerin. In anderen Fällen könnten verschlüsselte Passwörter vielleicht auch entschlüsselt werden. „In manchen Fällen muss man das zumindest versuchen, zum Beispiel bei Terrorismus, um an die Hintermänner und Komplizen heranzukommen.“

SPD hat Gesprächsbedarf

Die neue SPD-Chefin Saskia Esken meldete bereits Gesprächsbedarf. Bei der Frage, ob unverschlüsselte Passwörter weitergegeben werden sollten, sei man noch in der Debatte. „Das ist tatsächlich ein problematischer Punkt“, sagte Esken. Es gehe zwar nicht darum, Anbieter zu zwingen, Passwörter unverschlüsselt zu speichern. „Aber bei manchen Anbietern sind sie eben unverschlüsselt gespeichert“, so die Digitalpolitikerin. „Das gehört sowieso verboten“, sagte sie mit Verweis auf den Datenschutz.

Tatsächlich verbietet die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Speichern von Passwörtern im Klartext. Ansonsten drohen Bußgelder, wie eine Entscheidung des baden-württembergischen Datenschutzbeauftragten Stefan Brink zeigt.

Dieser hatte im November 2018 gegen die Chatplattform Knuddels.de ein Bußgeld in Höhe von 20 000 Euro verhängt, weil Passwörter von Nutzern unverschlüsselt gespeichert worden waren. Damit habe das Unternehmen aus Karlsruhe gegen die Pflicht verstoßen, die Sicherheit von personenbezogenen Daten zu gewährleisten, teilte Brink damals mit.

„Hier geht es nicht mehr nur um die Bekämpfung von Hasskriminalität, sondern um die Einrichtung umfassender Überwachungsrechte für Staat und Behörden“, sagte eco-Vorstandschef Oliver Süme. Während die Branche versuche, mit der Erfüllung der strikten Vorgaben der DSGVO die Datensicherheit zu erhöhen, fordere ausgerechnet das Justizministerium die Herausgabe von Passwörtern und anderen höchstpersönlichen Daten und forciere damit einen „massiven“ Eingriff in Datenschutz, Bürgerrechte und Fernmeldegeheimnis. „Faktisch wird damit eine umfassende Onlinedurchsuchung möglich, einschließlich Zugriff auf Kommunikationsinhalte wie E-Mails, in der Cloud hinterlegte Fotos, Dokumente“, so Süme. „Das ist der große Lauschangriff im Netz, den keiner, dem Bürgerrechte und Verfassung irgendetwas bedeuten, wirklich wollen kann.“

Lambrecht betonte indes die Ausgewogenheit des Entwurfs, etwa bei der geplanten Pflicht der Internetprovider, Straftaten an das Bundeskriminalamt zu melden. Dies solle nur auf bestimmte Straftaten beschränkt werden. „Wir haben nicht die Tür aufgemacht für alles, sondern es bewusst eng gehalten: für Morddrohungen, für Volksverhetzung, für das Nutzen von verbotenen Symbolen“, sagte Lambrecht.

Verfassungsschutzämter, BND und Zoll profitieren

Profitieren würden von der geplanten Neuregelung neben allen Polizeibehörden auch die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder, der Auslandsgeheimdienst BND sowie der Zoll. Und das in einem weit gefassten Rahmen. Denn die Änderungen im Telemediengesetz beziehen sich allgemein auf „Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten“ oder die „Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“.

Der geplante Datenzugriff wird im Gesetzentwurf damit begründet, dass das Auskunftsverfahren im TMG bislang „nur rudimentär geregelt“ sei. Dies erschwere „das Einholen von Auskünften gegenüber Telemediendienste-Anbietern, da der genaue Umfang ihrer Verpflichtungen nicht hinreichend klar geregelt ist“.

Der Bundesdatenschützer Ulrich Kelber kündigte bereits an, den Gesetzentwurf zu kommentieren, sobald es einen „belastbaren Stand“ gebe. Auf Twitter erklärte er: „Sollte es die Idee einer Passwortherausgabe – und noch dazu ohne Richterbeschluss – geben, würde uns das sicherlich auf den Plan rufen.“

Aus Anlass des umstrittenen Entwurfs debattierte am Mittwoch auch der Deutsche Bundestag auf Initiative der FDP-Fraktion in einer Aktuellen Stunde über die geplante Herausgabe von Passwörtern durch die Onlinedienste. „Bundesinnenminister Horst Seehofer kann sein Glück wahrscheinlich kaum fassen“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle.

Bislang sei das Justizministerium eingeschritten, wenn der Innenminister Einschnitte bei den Bürgerrechten plante. Nun habe Seehofer in Lambrecht „eine Gehilfin“. Zwar fänden sich im Referentenentwurf auch „richtige“ Fragen, die es zu diskutieren gelte. „Bei der Herausgabe von Passwörtern ist aber eine Grenze überschritten“, sagte Kuhle. „Dieser Entwurf muss gestoppt werden.“

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz betonte, gerade in Zeiten, in denen der Rechtsextremismus erstarke, sei Entschlossenheit in der Sicherheitspolitik gefragt. Der Bundesregierung fehle jedoch der „rechtsstaatliche Kompass“.

Der Kampf gegen Hass und Hetze im Netz sei richtig. „Aber was haben die Passwörter von 82 Millionen Bürgern damit zu tun?“, fragte von Notz.
Niema Movassat, Rechtspolitiker der Linksfraktion, sagte: „Wenn die Bürgerrechte ein schutzbedürftiger Wald wären, dann wäre die Bundesregierung der durchgedrehte Holzfäller, der alles klein hackt.“.