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Justizministerin Lambrecht startet Kampf gegen „Patenttrolle“

Durch die Digitalisierung gibt es immer mehr Patentverletzungsklagen – und Missbrauch geltender Gesetze. Christine Lambrecht geht dagegen vor.

Die Justizministerin will den Missbrauch des Patentrechts stoppen. Foto: dpa
Die Justizministerin will den Missbrauch des Patentrechts stoppen. Foto: dpa

Mit einer Reform des Patentrechts will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bestehende Missbrauchspotentiale einschränken. Angriffspunkt der Ministerin: der patentrechtliche Unterlassungsanspruch. Hier soll künftig klargestellt werden, dass die Durchsetzung eines solchen Anspruchs auch unverhältnismäßig sein kann. Das zeigt ein „Diskussionsentwurf“ aus Lambrechts Ministerium.

Die Lage ist kompliziert: Eigentlich ist es für den Inhaber eines Patents wichtig, konsequent dagegen vorgehen zu können, dass jemand seine Erfindung ohne Genehmigung nutzt. Dafür gibt es den Anspruch auf Unterlassung. Die weitere Nutzung wird untersagt.

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Im Zuge der Digitalisierung wird es für Unternehmen jedoch zunehmend schwierig, die Schutzrechte im Blick zu haben. Selbst redlichen Firmen gelingt es nicht immer, alle Patentrechte zu klären und nötige Lizenzen zu erwerben.

Vor allem die Automobilindustrie hat das mit ihren „connected cars“ leidvoll erfahren. Denn die Vernetzung bedeutet, dass Komponenten verbaut werden, in denen hunderte Patente stecken können. In der Folge kann der Inhaber eines Patents von kleinsten Bauteilen bei erfolgreicher Unterlassungsklage die gesamte Produktion stoppen.

So verklagte etwa Broadcom den Volkswagen-Konzern auf eine Milliarde Dollar für patenrechtlich geschützte Chips zur drahtlosen Kommunikation in Autos. Verschärft wird die Situation durch Patenttrolle, die mit zusammengekauften Patenten Hersteller verklagen – oder zumindest mit Blick auf einen möglichen Produktionsstopp eine Drohkulisse aufbauen, um abzukassieren.

Unternehmen fordern modernisiertes Patentrecht

Unternehmen fordern darum seit längerem eine Modernisierung des Patentrechts. Nun will Ministerin Lambrecht die Unternehmen durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung besser schützen. Mit einer Ergänzung soll „ausdrücklich“ klargestellt werden, „dass die Durchsetzung eines patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Einzelfall ausnahmsweise unverhältnismäßig sein kann.“

Im „Diskussionsentwurf“, der eine Vorstufe zum Referentenentwurf darstellt, heißt es: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unverhältnismäßig ist, weil sie aufgrund besonderer Umstände unter Beachtung des Interesses des Patentinhabers gegenüber dem Verletzer und der Gebote von Treu und Glauben eine durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellt.“

Im Klartext: Eine gerichtliche Unterlassungsverfügung darf nicht ergehen, wenn das für den Patentverletzer eine unverhältnismäßige Härte darstellt und daher treuwidrig wäre. In dem Entwurf wird aber betont, dass ein weiterhin starker Unterlassungsanspruch für die Durchsetzung von Patenten unverzichtbar sei. Die Betonung liegt also auf „Ausnahmefall“.

Kann die Wirtschaft damit zufrieden sein? In ersten Reaktionen zeigten sich Unternehmen zufrieden, dass im Patentrecht nun überhaupt etwas passiere. „Volkswagen begrüßt die Initiative des Bundesjustizministeriums, mit der zu den derzeit nicht akzeptablen Zuständen in deutschen Patentklageverfahren ein Vorschlag zur Gesetzesänderung vorgelegt wird", teilte VW auf Anfrage mit. Der Vorschlag sei nun innerhalb der Gremien des Verbands der Automobilindustrie (VDA) inhaltlich zu erörtern und zu bewerten.

„Die Formulierung der vorgeschlagenen Klausel ist offen“, sagte Patentrechtler Christian Harmsen von der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird dem Handelsblatt. „Die Rechtsprechung müsste ausfüllen, was tatsächlich eine in diesem Kontext nicht gerechtfertigte Härte ist.“

Einschränkung des Unterlassungsanspruchs

Das Ministerium verweist in seinem Diskussionsentwurf auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016, das bereits heute die Einschränkung des Unterlassungsanspruchs erlaube. Es wird aber eingeräumt, dass die Gerichte dies bislang nur „sehr zurückhaltend“ berücksichtigen. Darum nun die gesetzgeberische „Klarstellung“.

Der Patentrechtsexperte Florian Müller meint darum, die nun vorgestellte Reform gehe über den Status quo „keinen Millimeter“ hinaus. „Wenn ein Patentinhaber der beklagten Partei ein überhöhtes Lizenzangebot macht, das nicht zehn Meilen gegen den Wind stinkt, soll weiter ein Herstellungs- und Verkaufsverbot ergehen“, betont Müller.

Für eine weitere Vereinfachung des Patentrechts schlägt Bundesjustizministerin Lambrecht außerdem Änderungen im Prozessrecht vor. So sollen die Verfahren über die Verletzung von Patenten vor den Zivilgerichten und die Verfahren über die Nichtigkeit von Patenten vor dem Bundespatentgericht besser „synchronisiert“ werden.

Tatsächlich dauert gegenwärtig ein durchschnittliches Nichtigkeitsverfahren beim Bundespatentgericht mehr als zwei Jahre, ein zügiges Verletzungsverfahren hingegen ein Jahr. Es kann also schon längst eine Unterlassungsverfügung bestehen, bevor überhaupt über die Wirksamkeit des eigentlichen Patents entschieden wird.

Missbrauchspotenziale bei Patenrecht

Hier soll nun gestrafft werden. Dafür soll der 2009 eingeführte „qualifizierte Hinweis“ des Bundespatentgerichts besser als bisher genutzt werden. Mit ihm legt das Gericht seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage im Nichtigkeitsverfahren möglichst frühzeitig offen. Dazu heißt es nun im Diskussionsentwurf: „Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden.“

„Ein frühzeitiger qualifizierter Hinweis würde das Nichtigkeitsverfahren deutlich verbessern“, sagte Patentrechtler Harmsen. „Die Umsetzung würde die Senate am Bundespatentgericht indes zusätzlich belasten. Sie sollten daher mit weiteren Richterstellen angemessen ausgestattet werden.“

Das Justizministerium hat den Diskussionsentwurf nun an die anderen Bundesministerien, die Länder und „interessierte Kreise“ gegeben. Sie haben bis zum 10. März die Möglichkeit, eine Stellungnahme einzureichen.

„Ich begrüße sehr, dass ein Entwurf auf dem Tisch liegt“, sagte der zuständige Berichterstatter in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingmar Jung, dem Handelsblatt. „Das Problem, dass es auch bei der Geltendmachung von Patentrechten Missbrauchspotentiale gibt, die wirtschaftlichen Prozessen erheblich schaden können, bedarf einer Klärung.“ Im Ergebnis dürfe aber der zu Recht hohe Schutz des geistigen Eigentums nicht angetastet werden. „Deshalb werden wir die Vorschläge mit Sorgfalt prüfen und diskutieren", kündigte Jung an.