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Justiz-Affäre in Bremen: Gutachter prangert Richter, Insolvenzverwalter und Firmenbestatter wegen Pleite-Tourismus an

Bremer Innenstadt
Bremer Innenstadt

Eine Justiz-Affäre in Bremen erschüttert das deutsche Insolvenzrecht. Seit Monaten untersuchen Politik und Staatsanwaltschaft, wie es dazu kommen konnte, dass die Hansestadt zu einem Zentrum der Pleiteindustrie werden konnte.

Laut der Bremer Senatorin für Justiz und Verfassung konnte "die Problematik" nach ausführlichem Aktenstudium "nachvollzogen werden". Demnach seien Firmensitz und Geschäftsführung häufig kurz vor einem Insolvenzantrag geändert worden. Ein beauftragtes Gutachten spricht nun gar von einer systematischen und missbräuchlichen Praxis, bei der Insolvenzverwalter und Firmenbestatter Hand in Hand womöglich großen Schaden angerichtet haben.

Im September 2020 hatte Business Insider Geheim-Absprachen vor der Pleite des Immobilienunternehmens German Property Group (GPG) enthüllt. Aus vertraulichen Protokollen ging hervor, dass Anwälte und Berater das Insolvenzverfahren gezielt nach Bremen gelenkt haben, da dort angeblich beste Kontakte zum Amtsgericht bestehen würden. Laut den Aufzeichnungen gingen sie dabei nach einem Muster vor – "Bremer Modell". Das GPG-Verfahren wurde schließlich mit einem neuen Insolvenzverwalter fortgesetzt. In der Bremer Justizverwaltung folgten umfangreiche Untersuchungen.

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"Um eine größtmögliche Objektivität bei der Prüfung der Sachverhalte zu wahren und jeglichen Zweifel an einer umfassenden Aufklärung bereits im Ansatz zu begegnen", sagte damals Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) im Rechtsausschuss, "soll ein externer Berater damit beauftragt werden, diese Sachverhaltskonstellationen zu bewerten." Nun liegt die rechtliche Beurteilung eines anerkannten Professors der Universität Kiel vor. Das Gutachten bestätigt einen Insolvenztourismus nach Bremen – weil zuständige Amtsrichter ihn zugelassen hätten.

Die systematischen Sitzverlegungen von Pleite-Firmen in die Hansestadt sei "als Spielart der Unternehmensbestattung missbräuchlich und begründet die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts nicht", heißt es in dem Papier. Zudem hätte die Zusammenarbeit beteiligter Personen dazu geführt, dass sich die Insolvenzverwalter für ihre unabhängige Aufgabe disqualifiziert hätten. "Die zu diskutierende Struktur hat ein (...) erhebliches Potenzial der Schädigung der Masse und der Gläubiger", schreibt der Gutachter. Ob dies im Einzelfall geschehen ist, müsse strafrechtlich geprüft werden.

Die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Ann-Marie Wolff, weist Kritik gegen die handelnden Richter zurück und verteidigt damit auch sich selbst. Denn bis 2019 war sie noch Präsidentin des für Insolvenzen zuständigen Amtsgerichts. "Soweit allerdings das Gutachten versteckt oder auch offen den Eindruck erwecken möchte, die Aufsicht über die Insolvenzverwalter:innen sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, so ist dem entschieden entgegenzutreten", heißt es in ihrer Stellungnahme. "Im Rahmen der dem Gericht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ist die Arbeit der Verwalter:innen kontrolliert worden." Eine Verletzung von Dienstpflichten seitens der Mitarbeiter:innen des Amtsgerichts sei nicht ersichtlich.

Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Monaten, ob beim Bremer Insolvenztourimus gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Um in Zukunft derlei Auswüchse zu vermeiden, schlägt der Gutachter verschiedene Gesetzesänderungen vor. So solle beispielsweise eine Sitzverlegung nur berücksichtigt werden, wenn sie mindestens drei Monate vor einem Insolvenzantrag durchgeführt wurde.

Laut Justizressort seien die Gesetzesvorschläge "überzeugend". Zeitnah solle daher eine bundesweite Länderumfrage veranlasst werden, um andere Justizverwaltungen "für die Problematik zu sensibilisieren". Weitere Schritte zu einer Erneuerung der Insolvenzordnung wären dann eine Bundesratsinitiative oder ein Beschluss in der Konferenz der Justizminister im Herbst 2021. Ein "Bremer Modell", darin sind sich alle einig, dürfe es nicht länger geben.