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Herbe Niederlage im Glyphosat-Streit: US-Jury verurteilt Bayer zu zwei Milliarden Dollar Strafe

Zwei Milliarden Dollar – das ist eine Rekordstrafe für Bayer. In einem dritten Prozess um das glyphosathaltige Monsanto-Mittel Roundup hat Bayer damit eine weitere, diesmal noch viel herbere Niederlage erlitten. Die Jury im kalifornischen Alameda hat den deutschen Konzern, dem seit dem vergangenen Jahr Monsanto gehört, zu insgesamt zwei Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) verurteilt, weil der Unkrautvernichter krebserregend sei und Monsanto nicht ausreichend davor gewarnt habe.

In dem Prozess ging es um das Ehepaar Alberta und Alva Pilliod, die das Glyphosat-Mittel Roundup für ihre Erkrankung verantwortlich machen. Beide sind heute über 70 Jahre alt und an verschiedenen Typen von Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Sie haben Roundup jahrzehntelang auf ihrem privaten Anwesen genutzt, um Unkraut zu vernichten.

Für das Urteil hätten neun von zwölf Stimmen gereicht. Bei den einzelnen Fragen, die die Jury beantworten musste, waren die meisten Antworten einstimmig. Die Summe setzt sich aus Schadensersatz und Strafzusatzzahlungen – den so genannten „Punitive Damages“ zusammen.

Monsanto gehört seit Juni 2018 zur Bayer AG. Damit haben die Leverkusener auch die Rechtsrisiken des US-Konzerns übernommen. Der Kurs der Bayer-Aktie fiel nach dem Urteil am Dienstag zur Handelseröffnung in Frankfurt um rund vier Prozent.

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Die Klägeranwälte begrüßten das Jury-Urteil als historisch. „Die Jury hat für sich selbst interne Dokumente des Unternehmens gesehen, die beweisen, dass Monsanto vom Tag Eins an nie ein Interesse daran hatte, herauszufinden, ob Roundup sicher ist“, sagte der Klägeranwalt Brent Wisner von der Kanzlei Baum Hedlund, Aristei, Goldman. „Statt in fundierte Wissenschaft zu investieren, haben sie Millionen darin investiert, Studien anzugreifen, die ihre Geschäfts-Agenda gefährdete“, kommentierte Wisner das Verhalten von Monsanto.

Die Klägeranwälte in Kalifornien hatten die Jury zuvor aufgefordert, Bayer mit einer Milliarde Dollar (890 Millionen Euro) zu bestrafen. „Das ist eine Zahl, die die Dinge ändert“, hatte Wisner in seinem Abschlussplädoyer gesagt. Es wäre auch deutlich mehr als die jeweils rund 80 Millionen Dollar, zu denen die Juriys Bayer in den ersten beiden Prozessen verurteilt haben.

Die Klägeranwälte warfen Monsanto zudem vor, nicht ausreichend vor Risiken gewarnt zu haben. Unter anderem hatte die Anklage während des Prozess Videos gezeigt, in denen leicht bekleidete Menschen ohne Handschuhe oder Mundschutz Roundup sprühen.

In den beiden ersten Verfahren im August 2018 und März 2019 zu insgesamt 159 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt. Die Jurys sahen es in beiden Fällen als erwiesen an, dass Glyphosat für die Krebserkrankung der jeweiligen Kläger mitverantwortlich ist.

Bayer hat nach den ersten beiden Urteilen mehr als 30 Prozent an Börsenwert verloren, weil die Anleger Rechtskosten in Milliardenhöhe fürchten. Mehr als 13.200 Menschen klagen derzeit wegen Glyphosat vor US-Gerichten. Deshalb hatten die Aktionäre von Bayer auf der Hauptversammlung mehrheitlich gegen die Entlastung des Vorstands gestimmt und entzogen ihm damit das Vertrauen.

Gegen die bisherigen Round-Up-Urteile geht Bayer in Berufung. Eine Alternative wären Einigungen mit ganzen Klägergruppen. Doch davon wollte das Management bisher nichts wissen. Bayer teilte mit, man sei „enttäuscht über die Entscheidung der Jury“ und werde in Revision gehen. Das Urteil stehe im Gegensatz zu der jüngsten Feststellung der Umweltschutzagentur EPA, die Glyphosat erneut als nicht krebserregend eingestuft hatte und anderen Gesundheitsbehörden.

„Wir haben großes Mitgefühl für Herrn und Frau Pilliod, aber die Beweislage in diesem Fall war klar, dass beide eine lange Geschichte von Krankheiten hatten, die als wichtige Risiko-Faktoren für ein NHL-Lymphon bekannt sind“, teilte Bayer mit. Das Urteil in diesem Prozess habe „keinen Einfluss auf zukünftige Fälle und Prozesse“, da jeder Fall anders geartet sei.

Das sehen einige US-Juristen anders: „Mit jeder Niederlage und ohne einen einzigen Sieg für Monsanto wird es immer schwieriger mit der Strategie des ‚Würfelns‘ weiter zu machen und auf einen Gewinn als Ausgleich zu hoffen“, gibt Steven Tapia, Jura-Professor und ehemaliger Unternehmensanwalt zu bedenken.

„Ich bin nicht in Bayers Berechnungen eingeweiht. Aber ich denke, dass bald – wenn nicht jetzt schon – die Kosten für die Verteidigung und für die Strafzahlungen (auch wenn sie reduziert werden) höher sind als die Kosten für eine mögliche Einigung mit den restlichen Klägern“, sagt Tapia.

Die Zahl der Klagen werde sich nur erhöhen, ist der Jurist überzeugt. Er sehe fast täglich Werbung von Anwaltskanzleien, die sich an Roundup-Nutzer mit Gesundheitsproblemen wenden. Für Tapia steht fest: „Auch wenn sie jetzt noch nicht an dem Punkt angekommen sind, an dem diese Strategie nicht mehr vertretbar ist, dann werden sie dort sehr bald sein“.

Das jüngste Urteil kommt zu einem äußerst heiklen Zeitpunkt. Bayer kassiert damit nicht nur die dritte Niederlage in den Glyphosat-Prozessen. Der Konzern steht auch wegen seiner PR-Arbeit aktuell in der Kritik, weil Monsanto in der Vergangenheit Listen nach Glyphosat-Gesinnung angelegt hat mit Journalisten und Politikern. Dort war etwa vermerkt, wer als Freund galt und wer umzuerziehen war.

Bayer will von den Monsanto-Listen bis zum vergangenen Freitag nichts gewusst haben. Der seit Januar amtierende Cheflobbyist Matthias Berninger sagte am Montag, er rechne damit, dass es solche Listen in fast allen europäischen Ländern gab.

„Ich werde für maximale Transparenz und Aufklärung in diesem Fall stehen“, versprach der ehemalige Grünen-Politiker, der vor Bayer zwölf Jahre bei dem verschwiegenen Schokokonzern Mars gearbeitet hat.

Die Aktie sank am Montag noch vor der Jury-Entscheidung auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren.