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Der Moment für „radikale Maßnahmen“: Johnson will Milliarden investieren

Boris Johnson will mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm in die Fußstapfen des ehemaligen US-Präsidenten Roosevelt treten. Aber die Briten zweifeln.

Mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm versucht der britische Premierminister die Coronakrise zu überwinden – und seine Wähler zu überzeugen, dass er nach wie vor der Richtige für das Amt ist. „Wir können nicht mehr länger Gefangene dieser Krise sein“, sagte Boris Johnson am Dienstag in der mittelenglischen Stadt Dudley, wo er seine erste größere Ansprache seit Monaten hielt. „Die Covid-Krise ist der Moment, in dem wir die großen, ungelösten Probleme dieses Landes lösen, die seit Jahrzehnten nicht angegangen wurden.“

Jetzt sei der Moment für „radikale Maßnahmen“, und er wolle die „radikalsten Reformen seit dem Zweiten Weltkrieg“ durchführen. Er wolle Großbritannien „schneller, grüner und besser wieder aufbauen“.

Es sind Versprechen, die vor allem an die Briten gerichtet sein dürften, die bislang mit der Labour-Partei sympathisiert hatten – nicht zuletzt denen aus der Arbeiterstadt Dudley, wo sich bei den Wahlen im vergangenen Dezember erstmals die konservative Partei durchgesetzt hatte.

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Die konservative Partei legte in den vergangenen Jahren mehr Wert auf einen ausgeglichenen Haushalt als auf Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Dem Sparkurs seiner Vorgänger erteilte Premier Johnson aber nun eine Absage. Er kündigte Investitionen in Bau und Sanierung von Krankenhäusern, Straßen und Schulen in Höhe von fünf Milliarden Pfund (umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro) an.

So sollen unter anderem 1,5 Milliarden für die Verbesserung des nationalen Gesundheitsdienstes NHS ausgegeben werden, 900 Millionen Pfund für Bauprojekte in diesem und dem kommenden Jahr, mehr als eine Milliarde Pfund für Schulen und 100 Millionen Pfund für Straßen und die Reparatur von Brücken. Er habe nicht vergessen, dass seine Regierung die Wahlen im Dezember mit dem Versprechen gewonnen hat, 40 neue Krankenhäuser zu bauen, beteuerte Johnson: „Wir werden das tun.“

Aber nicht zuletzt bei diesem Thema hatte Boris Johnson vergangenes Jahr Zweifel an seinen Versprechen hervorgerufen. 40 neue Krankenhäuser wolle man im ganzen Land bauen und es solle 50.000 neue Krankenpflegekräfte geben, hatte Johnson im Wahlkampf verkündet. Doch nach und nach wurden diese Zahlen relativiert: Die Krankenhäuser würden erst in den kommenden zehn Jahren gebaut und bei Weitem nicht alle zusätzlich zu bereits bestehenden Einrichtungen – einige dürften lediglich Renovierungen und Ersatzbauten sein, stellte sich heraus. Und auch auf den Krankenhausfluren sollten nicht 50.000 mehr Personen als zuvor arbeiten – vielmehr sollte ein Teil der Personals, das eigentlich in Rente gehen sollte oder bereits gegangen war, zum Bleiben überredet werden.

Wenig Neues beim „New Deal“

Angesichts derartiger Erfahrungen stoßen auch die neuen Versprechen des Regierungschefs auf Skepsis. Sie „befürchte, dass es weniger neues Geld sein wird, als man denkt“, erklärte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Labour-Chef Keir Starmer kritisierte zudem, dass die Regierung zu wenig dafür tue, um Arbeitsplätze zu sichern. „Der Premierminister hat einen New Deal versprochen, aber es gibt wenig Neues, und auch von einem Deal sehen wir nicht viel“, sagte er.

Die Oppositionspolitiker sind nicht die einzigen Zweifler. Die meisten Maßnahmen seien bereits im Wahlkampf angekündigt worden, sagten andere Kritiker. Von anderen Versprechen, etwa der Förderung energiesparender Immobilien, sei nun nicht mehr die Rede.

Wie das Programm finanziert werden soll, wollte Premierminister Johnson nicht ausführen. Er verwies lediglich auf günstige Konditionen für die Kreditaufnahme. Details soll Finanzminister Rishi Sunak in der kommenden Woche erklären – und auch die Frage beantworten, ob dafür Steuererhöhungen nötig würden oder ob man sich an das ebenfalls gemachte Wahlversprechen halten werde und die Abgaben nicht heraufzusetzt.

Er sei sich bewusst, dass seine Versprechen wie eine „ungeheuerliche Ansammlung von staatlichen Eingriffen“ klinge, sagte Premier Johnson, „es klingt im besten Sinne roosevelt'sch, es klingt nach einem New Deal“ – und das sei es auch.

Mit dem so benannten Reformpaket hatte der frühere US-Präsident Franklin D. Roosevelt versucht, die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren zu bekämpfen, die US-Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitslosigkeit und Armut zu bekämpfen. Nach Einschätzung vieler Experten gelang dem Amerikaner das: Roosevelt gilt als einer der prägendsten Präsidenten der amerikanischen Geschichte und gehört zu den bedeutendsten Staatsmännern des 20. Jahrhunderts.

Boris Johnson hingegen kämpft derzeit gegen sinkende Popularitätswerte. Dass sein nun angekündigtes Programm die gleichen Auswirkungen hat wie der „New Deal“, gilt als fraglich.

Corona-Ausbruch in Leicester überschattet

Nicht zuletzt das Corona-Krisenmanagement wird ihm zum Vorwurf gemacht. Den aktuellen Zahlen zufolge sind im Vereinigten Königreich in den vergangenen Monaten über 43.500 Menschen gestorben, deutlich mehr als in allen anderen europäischen Ländern.

Aktuelle Wirtschaftsdaten untermauern die drastischen Folgen der Coronakrise auf die Wirtschaft. Wie das britische Statistikamt ONS nur wenige Stunden vor Johnsons Rede vermeldete, sank die Wirtschaftsleistung Großbritanniens in den ersten drei Monaten des Jahres um 2,2 Prozent – das größte Minus seit mehr als 40 Jahren. Im März fiel das Bruttoinlandsprodukt um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bislang hatten die Experten ein Minus von zwei Prozent im Quartal und 5,8 Prozent im März erwartet.

Auch der Druck der Wirtschaft hatte dazu geführt, dass die Regierung die im Zuge der Coronakrise verhängten Einschränkungen ab Samstag fast vollständig wieder rückgängig machen will. Der Abstand zu anderen Menschen müsse nicht mehr zwei Meter, sondern „ein Meter plus“ betragen, hatte Johnson verkündet, und ab dem Wochenende sollen Restaurants und die so beliebten Pubs erstmals seit Monaten wieder öffnen. Kritiker halten diesen Schritt aber für zu früh.

Und tatsächlich stiegen in mehreren Städten und Regionen die Covid-19-Fälle in den vergangenen Tagen wieder an. Für die Stadt Leicester wurden als erste Stadt in England Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen wieder zurückgenommen. Er wolle aber nicht in einer Welt leben, in der man im kommenden Jahr noch „für immer gezwungen ist, meterweit voneinander zu sein“, sagte Premier Johnson. So könne die britische Wirtschaft nicht langfristig funktionieren. Man müsse so die Krankheit bezwingen und „so schnell wie möglich wieder zurück zu einem normalen Leben finden“.