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In Japan schmeckt Bier bald nach Fisch

Die Wipfel wiegen sich im Wind. Hinter dem Wald erhebt sich majestätisch der Vulkankegel von Japans Nationalberg Fuji. Wasserrohre pumpen frisches Bergquellwasser herbei. Wir sind zu Gast beim bayerischen Braumeister Stephan Rager, dem Mann, der hier am Weltkulturerbe Fuji Bier noch so braut, wie es sonst kaum noch gebraut wird in Japan: strikt nach dem deutschen Reinheitsgebot.

In der ehemaligen Lagerhalle eines lokalen Reisweinherstellers hat er drei Kupferkessel für Hopfen und Malz aufgebaut. Von dort wird die Zwischenstufe des Biers in ein rundes Dutzend Stahltanks gepumpt und mit Hefe versetzt. Und nach ein paar Wochen sprudelt Ragers „Bayern Meister Bier“ aus den Tanks in die Flaschen: ein Pils namens Prinz, ein Weizen namens Edelweiße und ein Starkbier mit dem Aufdruck Spezial. Richtiges Bier halt.

Daran wird Rager auch bei der großen Bierrevolution nichts ändern, die Japans Staat just verordnet hat: „Wir sind entspannt“, sagt er, „das betrifft uns nicht, ich habe meine Nische.“

Seine Prinzipientreue ist ein hehrer Entschluss, der ihn noch mehr zur Ausnahme machen wird. Am 1. April dieses Jahres hat der japanische Staat zum ersten Mal seit 110 Jahren die ohnehin verwässerte Definition von Bier noch weiter verwässert. Bisher war es schon erlaubt, rund ein Drittel des Brauguts Malz durch billigeren Reis oder Mais zu ersetzen.

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Neuerdings kann sich ein Gebräu auch dann noch Bier nennen, wenn der Malzgehalt nur mehr als 50 Prozent beträgt. Vor allem aber dürften die nun zugelassenen Zusatzstoffe Bierliebhabern in Deutschland die Galle hochkommen lassen. Austernextrakt, Sternanis, marinierte Produkte wie Algen oder Bonitofischflocken sind nun als Beigabe im Braukessel erlaubt. Die Liste ist lang.

Aber diese Zumutungen nimmt Braumeister Rager noch gelassen hin. Das alles gebe es ja schon als billige Bieralternative seit Jahrzehnten. Happoshu, sprudelnder Alkohol, heißen die Gebräue, deren Malzgehalt zwischen knapp über null bis 66 Prozent schwankt.

Rager hat schon viele geschmackliche Innovationen probiert und keine gemocht: Wasabi-Happoshu aus der Präfektur Iwate, Kürbis-Kaltschale aus Hokkaido, Glasaal-Gebräu aus Yokohama. Doch so gar nicht kann er sich mit dem offiziellen Motiv der neuen Bierverordnung anfreunden: Mit der Liberalisierung der Bierregulierung will der Staat Bierumsatz und Steuereinnahmen ankurbeln. Nur glaubt Rager schlicht nicht, dass das funktionieren wird. Doch der Reihe nach.

Wie der Biermarkt künstlich kleingehalten wird

Das Problem ist real: Seit 13 Jahren rinnt immer weniger Bier durch japanische Kehlen. Und dies setzt nicht nur die vier Großbrauereien Kirin, Asahi, Suntory und Sapporo unter Druck, die Japans Biermarkt zu 92 Prozent unter sich aufteilen.

Auch der Fiskus flucht. Die Biersteuer ist schließlich sehr hoch, damit wichtig, hält aber bisher durch eine Besonderheit den Biermarkt künstlich klein: Anders als in Deutschland wird sie nicht nach dem Alkoholgehalt und der Größe der Brauerei bemessen, sondern nach dem Malzgehalt, erklärt Rager.

Bier ist daher pro Rausch deutlich teurer als Happoshu oder gar Alcopops, Billigwhisky oder Reisschnaps. Eine 0,35-Liter Dose richtiges Bier mit 100 Prozent Malzanteil kostet im Supermarkt fast zwei Euro. Happoshu gibt es schon für die Hälfte.

Wer mehr Wert auf das Preis-Lall-Verhältnis legt, greift ohnehin zu Reisbrand: Vier Liter Shochu in der PET-Flasche mit dem handlichen Henkel und 25 Prozent Alkoholgehalt sind ab zehn bis zwölf Euro zu haben.

Die Brauereien überschwemmen daher den Markt lieber mit Billigbräu als amtlich anerkanntem Bier. Indem nun ein Teil des Happoshu zu Bier gemacht wird, sollen die Brauer mehr Freiheit gewinnen, dank breiterer Definition und der Lizenz für innovative Bierideen den „Bier“-Absatz wieder anzukurbeln.

Nebenbei freuen sich die Aktionäre, können die Konzerne doch nun einen Teil ihres bisherigen Happoshu als Bier verkaufen und damit mehr Geld für das gleiche Getränke verlangen. Damit sind die Konzerne natürlich einverstanden. Doch Rager unkt, dass der Staat eine Milchmädchenrechnung gemacht hat. „Der Bierdurst wird nicht steigen, weil die Bevölkerung abnimmt und sich die Trinkgewohnheiten verändern“, ist er überzeugt. Und die Bierrevolution wird den Niedergang nicht aufhalten, sondern womöglich beschleunigen.

Ein Grund ist die Bedeutung von Bier. Japans Topbrauer- und -brauereimanager haben zwar fast alle in Deutschland gelernt, verrät Rager. Doch deshalb gibt es in Japan noch lange keine wirkliche Bierkultur. In Kneipen wird Bier oft nur als Einstiegsdroge gewählt. Schnell steigen die meisten Trinker auf berauschendere Alkoholika um wie Sake, Whisky-Mix-Getränke oder eben Shochu. Dementsprechend unausgebildet sind die Gaumen.

Diese fehlende Liebe zum Bier droht sich durch die neue geschmackliche Beliebigkeit eher noch zu verstärken. Aber dafür gibt es dann Bier mit Fischgeschmack. Na, dann Prost, Nippon!