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Jan Böhmermann und Peter Thiel sind keine Vorbilder

Ich habe mir an diesem Wochenende sprichwörtlich meine nicht vorhandenen Haare auf dem Kopf gerauft. Der Grund: Mir ist klar geworden, dass zwei Männer, die ich überaus bewundere, nicht als Leitfiguren einer Generation taugen. Es handelt sich dabei um Peter Thiel, einer der ersten Investoren von Facebook, und den TV-Satiriker Jan Böhmermann.

Der ZDF-Mann hat mit einem satirischen Gedicht mal eben die Gesellschaft gespalten und unserer Demokratie den Spiegel vorgehalten. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat daraufhin einen Strafantrag wegen Beleidigung gegen den Satiriker gestellt. Dieser aufgeblasene Klingelstreich wirkt auf mich wie ein Befreiungsschlag.

Einfach so. Zack! Chapeau, Jan. Deutsche und ausländische Medien haben über die Böhmermann-Affäre und den schlechten Verlierer aus der Türkei geschrieben. Von derartigen Stunts sollten sich Start-up-Gründer hierzulande etwas abschauen. Mich beeindruckt es sehr, welche Dynamik dieses vermeintliche Schmähgedicht genommen hat – und ich habe großen Respekt davor.

Trotzdem bin ich enttäuscht: Ich habe Böhmermanns Sendungen danach intensiv geschaut, ihm zugehört, immer in der Hoffnung in ihm eine Leitbildfigur zu finden. Doch als Vorbild taugt auch er nicht.

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Leider musste ich feststellen, dass er kein Genie, sondern nur ein raffinierter Pöbler ist. Das Niveau seiner Späßchen erleben wir auch in den Duschräumen lokaler Fußballvereine. Ab und zu gelingt ihm tatsächlich ein gutes Stück. Beispiele sind die Aktion mit dem Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Varoufakis, das Schmähgedicht über Erdogan und meinetwegen auch „Verafake“. Böhmermann hatte in seiner Sendung aufgedeckt, wie die Macher der Reality-Doku „Schwiegertochter gesucht“ mit ihren Protagonisten umgehen.

In der Gesamtheit seines Wirkens ist er aber leider nicht das Vorbild, von dessen Format wir in diesem Land mehr brauchen. Nachdem ich seine Sendung auf ZDFneo gesehen und seine Radioshow auf Spotify gehört habe, ist mir das klar geworden.

Schade, dass es sich solch ein talentierter Mensch so einfach macht – und sich nicht seiner Verantwortung bewusst wird, um seinen Einfluss für das Gute zu nutzen. Doch am Ende des Tages ist Böhmermann einfach nur ein Comedian. Das gibt er auch unumwunden zu, was ich zumindest ehrlich finde.


Peter Thiel: Ein Sinnbild für die Chancen der Tech-Welt

Eine Leitfigur weniger also. Naja, das Leben geht weiter. Dachte ich. Doch dann das: Peter Thiel, der milliardenschwere Gründer von Paypal und erster Facebook-Investor, ist in meinen Augen ein großer Mann unserer Zeit. Doch im Streit mit dem Blog „Gawker“ will er nun den Westler Hulk Hogan finanziell unterstützen. Das Netzwerk hatte Fragmente aus einem Sex-Video veröffentlicht.

Wie bitte? Noch so ein Schnitzer in Sachen Meinungsfreiheit. Die Silicon-Valley-Ikone Thiel, so heißt es, wolle sich an dem Klatschblog rächen, weil es ihn 2008 als schwul geoutet hatte. Das ist harter Tobak.

Seit Jahren ist dieser Mann ein Sinnbild für die Chancen und den Aufstieg der Tech-Welt. Viele der großen Namen auf unseren Homescreens sind mit Thiel verbunden.

Er hat meiner Meinung nach das Leben der Menschheit beeinflusst. Unser Zahlungs- und Kommunikationsverhalten wie auch unsere Fortbewegungsgewohnheiten sind Beispiele dafür. Jedes Unternehmen aus dem Thiel-Portfolio hat wesentliche Lebensbereiche unserer Zeit geprägt.

Und jetzt gibt er sich als schlechter Verlierer, der seine Macht gegenüber einer kleinen Klatschredaktion, die auf reißerische Überschriften angewiesen ist, ausspielt. Ehrlich gesagt, ist das zum Heulen. Sollte ein Investor wie Thiel nicht ganz andere Dinge tun? Andere Ziele verfolgen? Zum Beispiel Krebs bekämpfen wie Bill Gates. Das wäre angemessen.

Nach diesem schmerzlichen Verlust an Vorbildern muss ich mich erst einmal sammeln. Der Leadership-Begriff ist in unserer Zeit wichtiger denn je, steht die Welt doch vor großen Herausforderungen. Wir brauchen die Geistreichen und Erfinderischen. Aber wir brauchen sie an wichtigen Stellen. Gerade von meiner geliebten Start-up-Welt erhoffe ich mir an dieser Stelle Lösungen – und Personen, die Verantwortung übernehmen. Und nicht etwa wie Thiel anfangen, beleidigt zu sein. Oder wie Böhmermann, der es sich zu einfach macht. Das hat nichts mit Größe zutun.

Christian Miele ist Investor beim globalen Venture Capital Fond e.ventures und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Startups. Miele symbolisiert den Dreh- und Angelpunkt zwischen der Old Economy und New Economy – dabei fühlt er sich Traditionen verbunden und Innovationen gegenüber verpflichtet. Alle zwei Wochen schreibt Miele die Kolumne „Insider Insights” aus dem Herzen der Gründerszene für Deutschlands führende Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt.

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