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Jamaika-Einigung beim Anti-Hass-Gesetz

Jamaika nimmt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ins Visier. Eine Abschaffung steht nicht zur Debatte. In einem Sondierungspapier ist von „weiterentwickeln“ die Rede, in einem anderen von „grundlegend überarbeiten“.

Die Jamaika-Unterhändler für die Themenbereiche Innen, Sicherheit und Rechtsstaat haben sich im Grundsatz darauf verständigt, am umstrittenen Gesetz zum härteren Vorgehen gegen Hass und Hetze im Internet festzuhalten. In Details soll es jedoch Änderungen geben. „Wir wollen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) durch eine Neuregelung weiterentwickeln“, heißt es in einem entsprechenden Papier der Verhandlungsgruppe. Das Dokument liegt dem Handelsblatt vor.

Wie die Änderungen, die sich CDU, CSU, FDP und Grüne vorstellen, genau aussehen sollen, ist noch offen. „Im Netz müssen die Persönlichkeitsrechte wie die Meinungsfreiheit geschützt werden“, heißt es dazu in dem Papier. Die Jamaika-Partner unterstreichen zugleich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. „Der Staat muss ein deutliches Zeichen gegen Hass und Hetze im Netz setzen. Dies gilt auch für die sozialen Netzwerke.“

FDP-Christian Lindner erklärte am Samstag auf Facebook: "Das NetzDG muss natürlich zurück in die Montagehalle." Plattformen wie Facebook müssten sich an Regeln halten. Aber: "Diese Zensurbürokratie, die mit dem NetzDG von Heiko Maas verbunden ist, werden wir nicht weiter fortsetzen können. Das werden wir uns nicht zu eigen machen." Linder widersprach zugleich der Behauptung, die FDP würde das Gesetz unterstützen. "Es gibt nur irgendwelche durchgestochenen Sondierungspapiere."

Auf Twitter bekräftigte Lindner am Samstagabend: "Die @fdp lehnt das #NetzDG weiter ab und könnte nur einer Regierung angehören, die es abschafft bzw. in seinem Charakter grundlegend ändert."

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FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann ergänzte ebenfalls auf Twitter: „Weiterentwickeln“ sei ein falscher Stand. „Grundlegend überarbeiten steht im Papier“ , betonte er und fügte hinzu: "Und das ist Diplomatensprech für „hau weg“!" Buschmann machte in einem weiteren Tweet deutlich: "Wir haben klargemacht: Meinungsfreiheit her! Abwälzung von Rechtsdurchsetzung auf Private weg!"

Der Chef der Jungen Liberalen, Konstantin Kuhle, hatte sich am Freitag für eine Rücknahme des NetzDG ausgesprochen. Man brauche nicht immer wieder neue Gesetze, die zur Einschränkung der persönlichen Freiheiten führen. „Ich könnte mir vorstellen, dass man das Netzwerkdurchsetzungsgesetz abschafft, das gerade von der Großen Koalition eingeführt worden ist“, sagte der Bundestagsabgeordnete den „Stuttgarter Nachrichten“.

Der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Gerd Billen, begrüßte indes die sich anbahnende Jamaika-Einigung. „Gut: Dann bleibt das Gesetz“, schrieb Billen auf Twitter. „Und: Nichts ist so gut, als dass man es nicht durch kluge Vorschläge weiterentwickeln kann.“

Das NetzDG war am 1. Oktober mit einer Übergangsregelung in Kraft getreten. Es verpflichtet Online-Netzwerke, Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte umfassender zu bearbeiten und diese schneller zu löschen. Die am heftigsten diskutierten Regelungen des Gesetzes wie die Fristen von 24 Stunden beziehungsweise einer Woche zum Löschen strafbarer Inhalte greifen erst nach der dreimonatigen Übergangsregelung zum 1. Januar. Dann sollen sich Nutzer auch beim Bundesamt für Justiz beschweren können, wenn eine Beschwerde aus ihrer Sicht nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurde.

Vor allem die FDP dürfte sich schwer damit tun, das NetzDG zu erhalten, wenn auch mit diversen Änderungen. Immerhin hatte Parteichef Christian Lindner wenige Tage vor der Bundestagswahl beim netzpolitischen Forum des Eco-Verbands der Internet-Wirtschaft seine deutliche Ablehnung zum Ausdruck gebracht: „Dagegen werden wir klagen, dagegen muss man klagen, weil die Auswirkungen fatal sind.“ Die Union hatte dagegen das von Justizminister Heiko Maas (SPD) ersonnene Gesetz ausdrücklich mitgetragen, die Grünen hatten sich bei der Bundestagsabstimmung enthalten.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht vor, dass „offensichtlich strafbare“ Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden müssen. In weniger eindeutigen Fällen haben die Online-Netzwerke eine Woche Zeit für eine Entscheidung. Laut Justizministerium kann unter bestimmten Umständen auch mehr Zeit eingeräumt werden: „Sofern die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt, kann das soziale Netzwerk dies erst überprüfen und darf hierfür gegebenenfalls länger als sieben Tage benötigen.“

Das Justizministerium betonte stets, es gehe nur um bereits strafbare Inhalte, Geldstrafen solle es nur bei systematischen Verstößen geben. Kritiker des Gesetzes warnen dagegen, dass die Fristen die Online-Firmen dazu verleiten könnten, in unklaren Fällen eher zu löschen, um nicht Gefahr zu laufen, mit Geldstrafen belegt zu werden.

Entsprechend groß war daher die Erwartung der Digitalverbände an die FDP, das Gesetz womöglich kippen zu können. „Im Falle einer Jamaika-Koalition wäre es nur konsequent, dieses Gesetz zurückzunehmen und an einem Runden Tisch offen und transparent neue Strategien zum Umgang mit rechtswidrigen Inhalten im Netz zu erarbeiten“, sagte jüngst Eco-Vizechef Oliver Süme dem Handelsblatt. Er erinnerte daran, dass Grüne und FDP sich vor der Wahl „sehr kritisch“ zu dem Gesetz geäußert und Nachbesserungen gefordert hätten. Liberalen-Chef Lindner habe zuletzt sogar eine Klage angekündigt.

Auch der Hauptgeschäftsführer des IT-Verbands Bitkom, Bernhard Rohleder, dringt auf eine Rücknahme des Gesetzes. „Wenn es zu einer Koalition aus Union, FDP und Grünen kommen sollte, dann gilt es diesen Fehler zu korrigieren – und das NetzDG ersatzlos zu streichen“, sagte Rohleder dem Handelsblatt. „Die Chancen dafür sollten eigentlich gut stehen, denn die Liberalen haben das Gesetz in der Entstehung vehement kritisiert, die Grünen haben ihm im Bundestag nicht zugestimmt“, fügte er hinzu. „Wenn den Worten nun Taten folgen, dann wird das NetzDG nur ein kurzes Intermezzo bleiben“, so Rohleder.

KONTEXT

Was man zu Hasskommentaren wissen sollte

Was ist "Hate Speech"?

Eine feste Definition des Begriffs "Hate Speech" gibt es nicht. Gemeint sind allgemein Meinungsäußerungen, die bestimmte Personen oder Personengruppen herabsetzen und verunglimpfen sollen. In der politischen Debatte geht es nur um solche Formen von Hate Speech, die gegen Gesetze verstoßen, insbesondere gegen Paragraphen des Strafgesetzbuchs (StGB). Ein Beispiel ist § 130 des Strafgesetzbuchs (Volksverhetzung). Diese Vorschrift verbietet es, zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe aufzustacheln oder zu Gewalt gegen sie aufzufordern. Außerdem ist danach unter bestimmten Umständen die Leugnung des Holocaust strafbar.

Quelle: Bundesjustizministerium.

Bundesjustizministerium

Wer definiert, welche Äußerungen rechtswidrige "Hate Speech" sind?

Weder das Bundesjustizministerium noch die vom Ministerium eingerichtete Task Force prüfen, ob konkrete Inhalte gegen Gesetze verstoßen und entscheiden daher auch nicht über die Entfernung von rechtswidrigen Inhalten. Diese Prüfung führen die in der Task Force vertretenen Unternehmen vielmehr in eigener Verantwortung und in eigener Zuständigkeit durch. Die Unternehmen haben zugesagt, hasserfüllte Inhalte und Aufstachelung zu Gewalt einerseits auf ihre Gemeinschaftsrichtlinien ("Community Standards") hin und andererseits auf Grundlage des deutschen Rechts zu überprüfen, sobald ihnen konkrete Inhalte dieser Art gemeldet worden sind.

Welche Themen werden betrachtet?

Thema der Task Force ist ganz generell der Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet. Die Diskussion ist nicht auf rechtsextremistische Inhalte beschränkt, sondern umfasst rechtswidrige Aufrufe zu Hass und Gewalt unabhängig von ihren Motiven oder den Personen, gegen die sie sich richten. Fragen im Zusammenhang mit der Löschung konkreter Beiträge können nur die Unternehmen beantworten.

Verstößt die Löschung von Hassbotschaften gegen die Meinungsfreiheit?

In Deutschland gilt Meinungs- und Pressefreiheit. Das ist im Grundgesetz verankert. In Absatz 2 des entsprechenden Artikels 5 steht allerdings auch: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Das heißt: Niemand darf sein Recht auf Meinungsfreiheit dafür nutzen, die Rechte anderer zu verletzen, zum Beispiel, indem er gegen sie hetzt, zu Gewalt aufruft oder sie verleumdet. Diese Gesetze gelten - sie müssen in sozialen Netzwerken aber konsequenter als bislang zur Anwendung kommen. Und nur darum geht es: Dass Kommentare, die gegen das Strafrecht verstoßen, gelöscht werden.

Wie unterscheidet sich das Löschen von rechtswidriger "Hate Speech" von der Strafverfolgung?

Die Strafverfolgung dient dazu, den verantwortlichen Autor zur Rechenschaft zu ziehen. Dies ist Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaften werden Anzeigen schnell prüfen und zur Anklage bringen, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Ziel des Löschens von rechtswidrigen Beiträgen ist es, für eine angemessene Kommunikationskultur zu sorgen und die vom Hass betroffenen Gruppen und Personen zu schützen. Die beiden Ziele ergänzen sich.

In welchem Verhältnis steht das Vorgehen der Task Force zum normalen Rechtsweg?

Die Task Force nimmt keine Prüfung von Inhalten vor und entscheidet auch nicht über die Entfernung von strafbaren Inhalten. Die strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität im Internet obliegt den zuständigen Strafverfolgungsbehörden.