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Ein Jahr «Wumms»-Paket - Was ist davon geblieben?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz: «Der Wumms ist in vollem Gange.»
Bundesfinanzminister Olaf Scholz: «Der Wumms ist in vollem Gange.»

Kinderbonus, Unternehmenshilfen, Mehrwertsteuersenkung - der Bund wollte kräftig nachhelfen, damit Deutschland die Corona-Trendwende schafft. Was hat das berühmte Paket mit dem «Wumms» gebracht?

Berlin (dpa) - Es ist eins der geflügelten Worte der Corona-Krise: «Wumms». Vor genau einem Jahr, die Wirtschaft war grad abgestürzt wie selten zuvor, beschloss die Bundesregierung ein milliardenschweres Konjunkturpaket, das Bürgern und Betrieben auf die Beine helfen sollte.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) lieferte das viel beachtete Zitat dazu: «Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.» Daran müssen sich Scholz und der Rest der schwarz-roten Koalition nun messen lassen: Was ist geblieben nach einem Jahr «Wumms» - und wie geht es weiter?

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Lange war von der so vollmundig angekündigten Trendwende nämlich wenig zu spüren - nach leichter Erholung im Sommer stattdessen weitere Lockdowns, düstere Aussichten. Im ersten Quartal 2021 schrumpfte die Wirtschaftsleistung wegen des schwachen privaten Konsums noch einmal um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Doch die Impfkampagne, sinkende Corona-Zahlen und eine Erholung im Welthandel lassen jetzt hoffen. Vizekanzler Scholz zieht bereits ein positives Fazit: «Der Wumms ist in vollem Gange», sagt er. «Deutschland ist besser durch die Krise gekommen als viele andere und jetzt geht es aufwärts.»

Das Konjunkturpaket hatte einen Umfang von 130 Milliarden Euro. Für fast jeden war etwas dabei: Eine mehrmonatige Senkung der Mehrwertsteuer und ein Kinderbonus sollten den privaten Konsum ankurbeln, höhere Prämien den Kauf von Elektroautos. Mit einer Senkung der EEG-Umlage wurden Stromkunden entlastet. Für Kommunen gab es Milliardenhilfen, für besonders belastete Firmen auch.

Ganz besonders habe man auf Familien und Bürger mit kleinen Einkommen geachtet, betont SPD-Kanzlerkandidat Scholz. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht von einem «Kraftpaket».

Arbeitgeber, Gewerkschaften sowie Ökonomen sind sich einig: Das Paket hat die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abgefedert. Zwar brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr um 4,9 Prozent ein - allerdings nicht so schlimm wie befürchtet.

«Alles in allem hat das Konjunkturpaket allein im vergangenen Jahr den Rückgang des BIP um 1,3 Prozentpunkte geringer ausfallen lassen», sagt der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen. Scholz ist sicher: Das Paket hat nicht nur eine fatale Abwärtsspirale verhindert, sondern auch den Weg für einen starken Aufschwung bereitet.

Doch nicht alle sind überzeugt, dass die Maßnahmen auch nachhaltig wirken. Nach DIW-Berechnungen hat die Mehrwertsteuersenkung die Wirtschaftsleistung in der zweiten Hälfte 2020 zwar um 0,5 Prozent erhöht. Die Leute kauften Elektrogeräte, Möbel, Fahrräder und Autos. Oft aber hätten sie ohnehin geplante Käufe nur vorgezogen - entsprechend geringer sei die Nachfrage deshalb in diesem Jahr.

Die höhere Prämie für E-Autos hat die Zahl der Neuzulassungen deutlich steigen lassen, auch wenn Benziner und Diesel nach wie vor dominieren. Doch in den kommenden Jahren sind noch massiv mehr E-Autos nötig, damit Autobauer EU-Vorgaben einhalten und Klimaziele erreicht werden. Und das Ladenetz muss Schritt halten.

Bewusst wollte die Bundesregierung mit ihrem Corona-Konjunkturpaket nicht nur schnell den Konsum ankurbeln, sondern auch langfristig Investition in den Klimaschutz anstoßen. «Das wird sich langfristig positiv auf die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland auswirken», ist Scholz sicher. Doch ist dieser Impuls gelungen?

DIW-Konjunkturchef Michelsen erwartet in den kommenden fünf Jahren tatsächlich einen richtigen Schub. «Studien zeigen, dass Investitionen gerade in Rezessionen, gleichzeitig hoher Unsicherheit und bei niedrigen Zinsen besonders kräftige Wirkung entfalten.» Um Herausforderungen etwa im Bereich der Energiewende, der Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung anzupacken, seien bis 2030 aber zusätzlich rund 230 Milliarden Euro nötig.

Riesige Investitionen werden gebraucht für den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz. DGB-Chef Reiner Hoffmann fordert deshalb, dass die Bundesregierung nachlegt, mit einer Art Konjunkturprogramm II. «Wir brauchen ein großangelegtes Investitionsprogramm, um die Wirtschaft zukunftsfähig zu machen und die Transformation angesichts der klimapolitischen Herausforderungen zu meistern», sagt er.

Altmaier meint, Scholz müsse sich ehrlich machen und nicht nur vom Klimaschutz reden, sondern finanzielle Zusagen geben. «Jetzt kommt es darauf an, mit ganzer Kraft die Segel auf Zukunft und nachhaltiges Wirtschaften zu setzen», betont er. «Wer Klimaschutz will, muss zu langfristigen finanziellen Zusagen bereit sein. Hier erwarte ich klare Zusagen, nicht nur warme Worte vom Bundesfinanzminister.»

Damit zielt der Wirtschaftsminister auf die Zukunft der milliardenschweren EEG-Umlage ab, die alle Stromkunden zur Förderung von Ökostrom-Anlagen zahlen. Altmaier will sie mittelfristig abschaffen. Zum anderen geht es etwa um eine Sanierungsoffensive im Gebäudesektor, der als einziger Sektor 2020 Klimaziele nicht erreichte.

Die Wirtschaft setzt andere Reformakzente als die Bundesregierung. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, beklagt, dass ein Großteil der Unternehmen die krisenbedingten Verluste noch immer nicht vollständig mit Gewinnen der Vorjahre verrechnen könne. Selbst im Mittelstand gehe es da häufig um zweistellige Millionenbeträge. Dies verringere liquide Mittel, etwa für Zukunftsinvestitionen.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt, im Mittelpunkt dringend nötiger Reformen müsse stehen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken. «Wir sehen, wie sich im Wettbewerb andere Länder um uns herum aufstellen.» Außerdem müsse es flexiblere Arbeitszeiten geben: «Die Arbeitszeitverordnung stammt noch aus der Zeit von Telex und Wählscheibe. Die Lebenswirklichkeit ist längst eine andere.»