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Ex-Vorwerk-Manager Jörg Körfer ist der neue Bofrost-Mann

Frostige minus 24 Grad sind es in Straelen am Niederrhein selbst im Sommer. Im Hochregallager von Bofrost liegt der Geruch von kalter Pizza in der Luft. Einen Stock höher wird Tiefkühlkost von Nasi Goreng bis Donauwellen auf Geschmack und Qualität geprüft. Danach wird alles mit Lastern auf die 115 regionalen Lager bundesweit verteilt.

Die Leute arbeiten in dicken bodenlangen Mänteln und Handschuhen. „Spätestens nach zwei Stunden müssen sie raus aus der Kälte in die vorgeschriebene Pause“, erklärt Jörg Körfer, der neue Chef von Europas größtem Tiefkühldirektvertrieb, und zieht die blaue Strickmütze tiefer ins Gesicht.

Wie alle Neulinge musste auch Körfer mehrere Tage mit anpacken. Als Bofrost-Mann in blauer Uniform tourte er mit zu 40 bis 60 Konsumenten am Tag. „Am Esstisch beraten wir Kunden und holen dann Ware aus dem Kühllaster. Zeit für ein Pläuschchen ist manchmal auch“, sagt der 54-Jährige, der sich auf der Karriereplattform LinkedIn locker mit Sonnenbrille und Boston Terrier präsentiert.

Die rund 5.700 Verkaufsfahrer von Bofrost sind fest angestellt. „Eine Ausnahme im Direktvertrieb, der mit freien Vertrieblern arbeitet“, sagt Jochen Clausnitzer vom Bundesverband Direktvertrieb Deutschland. Der angeschlagene Konkurrent Eismann, der zum Verkauf steht, beschäftigt freie Verkaufsfahrer. Auch für Bofrost ist es eisiger geworden, der Markt ist gewaltig im Umbruch. Körfer soll nun das Geschäft von Bofrost zukunftsfest machen.

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Ein Experte auf dem Gebiet des Direktvertriebs

Der Bofrost-Mann – sogar musikalisch verewigt von den „Toten Hosen“ – ist so typisch deutsch wie Kobold und Thermomix. Körfer kennt beide Welten des Direktvertriebs. Der Betriebswirt arbeitete 15 Jahre bei Vorwerk, wo er erst den Thermomix und bis 2016 den Kobold verantwortete.

„Körfer hat die Staubsaugermarke Kobold wieder in Schwung gebracht“, sagt sein damaliger Chef Walter Muyres. Körfer genoss die Zeit bei Vorwerk, trotzdem ging er. „Halb zog es ihn, halb sank er nieder“, beschreibt der gebürtige Bonner seinen Abgang. Ein Jahr machte er beruflich Pause.

Dann wurde Bofrost-Gründer Josef H. Boquoi, 84, auf ihn aufmerksam. Schon seit Januar 2018 ist Körfer bei Bofrost an Bord. Nach außen wurde das nie kommuniziert, war doch eine familieninterne Nachfolge bereits gescheitert. Sohn Michael Boquoi und Stiefsohn Thomas Stoffmehl führten die Firma bis 2015.

Beide leiteten die überfällige Modernisierung ein, investierten viel in eine zentrale Software. Doch es gab Differenzen über ihre Strategie und mit der Belegschaft, so Insider. Der Stiefsohn verließ die Firma, der Sohn ging in den Stiftungsbeirat. Dort sitzt auch dessen Schwester Petra.

Körfer hat seine „Probezeit“ offenbar bestanden. Im März 2019 wurde er zum Stiftungsvorstand berufen, die höchste Position bei Bofrost. Der Gründer, intern JHB genannt, zog sich in den Stiftungsrat zurück. „JHB ist ein Macher, der etwas wagt, und ein Mann des klaren Wortes“, so Körfer. Josef Boquoi hatte zunächst die Kaffee- und Kornrösterei seines Vaters in Issum übernommen.

1966 schaffte die Familie eine Tiefkühltruhe an und Boquoi belieferte Bauern aus dem Umland mit Eis und Gemüse im umgebauten VW-Bus. Heute ist Bofrost in zwölf Ländern aktiv. Russland wurde zuletzt dichtgemacht – vor allem weil ein wirtschaftliches Geschäft durch die EU-Sanktionen nicht möglich war. Von Konkurrent Eismann wurden die Töchter in Spanien, Belgien und der Schweiz zugekauft. Interesse an einer Gesamtübernahme von Eismann haben die Straelener indes aktuell nicht.

Vier Millionen Kunden hat Bofrost, davon 2,3 Millionen in Deutschland – hier waren es einmal eine halbe Million mehr. Auch der Europa-Umsatz war schon höher. Im Geschäftsjahr 2018/19 lag er bei 1,24 Milliarden Euro, mehr als die Hälfte kommt aus Deutschland. Bofrost hat einen Anteil von neun Prozent im deutschen Markt für Tiefkühlkost und Eis, der laut GfK 6,8 Milliarden Euro umfasst.

„Unser Umsatz entspricht nicht unseren Erwartungen“, sagt Körfer. „Der Markt hat sich verändert und ist härter geworden. Wir müssen etwas tun und an der ein oder anderen Stelle auch konsolidieren.“ Lieferdienste von Rewe bis Edeka, Amazon Fresh, Picnic oder Juit von Dr. Oetker sind neue Konkurrenten.

Kochpartys und Büroservice

„Bofrost hat die größte Vielfalt an Tiefkühlspezialitäten und Eis hierzulande. Zudem bringen wir Lebensmittel profitabel zu Kunden nach Hause – die Wettbewerber wohl nicht“, stichelt Körfer. Doch die Lieferzeiten von Bofrost müssen dringend flexibler werden, weiß auch Körfer. Denn die wenigsten sind tagsüber zu Hause.

Künftig will Bofrost montags bis freitags bis 20 Uhr und öfter auch samstags liefern – gerade in Städten. Dazu ist Körfer im Gespräch mit dem Betriebsrat: „Die Kollegen haben verstanden, dass wir flexiblere Zeiten brauchen, um zukunftsfähig zu bleiben. Aber keiner muss deswegen mehr arbeiten.“ Es soll auch Teilzeit geben. Personalnot ist Bofrosts größter Wachstumshemmer. In Zeiten der Vollbeschäftigung sei es etwa gerade in Süddeutschland sehr schwierig, mehr Verkaufsfahrer zu finden.

Die Bofrostaner, wie die Mitarbeiter intern genannt werden, auf neue Arbeitszeiten einzustimmen, ist nicht leicht. „Sie wären durchaus bereit, wenn sie wieder tariflich bezahlt würden“, meint Nils Böhlke, Handelsexperte von Verdi. Er kritisiert „die Flucht aus dem Tarifvertrag“ ebenso wie „die Flucht aus der Mitbestimmung“.

„Seit der Konzern 2017 in viele Niederlassungen zerschlagen wurde, fehlt ein zentraler Betriebsrat“, bedauert er. „Körfer kann Mitarbeiter mitnehmen und überzeugen, dass Wandel notwendig ist“, ist Muyres überzeugt. Er sei ein bewährter Krisenmanager. Körfer muss für Bofrost zudem neue Zielgruppen erschließen.

„Wir haben Produkte für alle – nicht nur Senioren“, betont er. So ist Bofrost nun mit dem schwarzen Food Truck „The Chilled Chef“ auf Festivals unterwegs – sogar in Wacken. Bofrost bietet heute Fertiggerichte von vegan bis glutenfrei und wirbt mit Vorzügen von Tiefkühlkost: Vitamine bleiben länger erhalten als bei Frischware. Auch die Klimabilanz ist nicht höher, trotz Kühlkette, ermittelte das Ökoinstitut Freiburg.

Mit „Tasty Table“ geht Bofrost seit 2019 neue Wege. Blogger in Wien und Berlin machen als „Genusscoach“ für Bofrost Werbung. Sie verdienen mit, wenn Follower Produkte bestellen. „Die Resonanz auf das Social Selling ist positiv, wir stehen noch am Anfang“, sagt Körfer. Kerngeschäft soll aber auf jeden Fall der personengestützte Direktvertrieb bleiben. „Wir beherrschen die logistisch wichtige letzte Meile, da sind noch weitere Produkte rund um Essen und Trinken denkbar“, so Körfer.

Wein verkaufe sich schon sehr erfolgreich. Gut vorstellen kann er sich Kochpartys, in Kochschulen oder Restaurants. Die Belieferung von Firmen ohne Kantine mit Mikrowellengerichten sei eine Marktlücke. Körfer kennt das Problem. Er schafft es nicht zur Kantine, da er mit dem Bofrost-Umbau alle Hände voll zu tun hat. Nun macht er sich mit Kollegen mittags im Büro Bofrost-Gerichte warm.

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