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Jägermeister, Riesling, Kekse: US-Zölle treffen die Lebensmittelbranche besonders

Ab Freitag erheben die USA auf bestimmte deutsche Nahrungsmittel einen Strafzoll von 25 Prozent. Die Branche fürchtet spürbare Einbußen.

Leibniz-Kekse von Bahlsen in der Produktion (JULIAN STRATENSCHULTE/DPA/AFP via Getty Images)
Leibniz-Kekse von Bahlsen in der Produktion (JULIAN STRATENSCHULTE/DPA/AFP via Getty Images)

„Als wir unsere Container mit Gebäck vor ein paar Wochen Richtung USA einschifften, ahnten wir nicht, dass sie dort ab Freitag mit 25 Prozent Strafzoll belegt werden“, sagt Hermann Bühlbecker, Inhaber des Gebäckherstellers Lambertz aus Aachen. Die Sanktionen, die ab Freitag unter anderem für Süßgebäck aus Deutschland gelten sollen, treffen auch die Aachener. Schließlich sind die USA der wichtigste Exportmarkt für die deutschen Lambertz-Werke. „Das sind ganz gezielte Nadelstiche“, sagt der Unternehmer.

Deutschland liefert jährlich Gebäck für etwa 65 Millionen Euro in die USA. Allein 28 Millionen Euro gehen auf das Konto von Lambertz. „In den USA verkaufen wir weniger klassische Lebkuchen oder Weihnachtsgebäck“, erzählt Bühlbecker, „sondern ganzjährig etwa große Geschenkdosen mit Gebäck.“ Kunden sind große Handelsketten wie Walmart und Sam’s Club. Bühlbecker geht davon aus, dass Lambertz zunächst die Mehrkosten trägt. Mittelfristig aber will der Keksproduzent die Preise erhöhen und so die Kosten zumindest zum Teil auf die US-Konsumenten abwälzen.

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Fachleute sehen das eher skeptisch. „Die wenigsten Verbraucher sind erfahrungsgemäß gewillt, eine 25-prozentige Preiserhöhung zu schlucken“, warnt Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein. Das zeigten auch die Strafzölle der EU auf Bourbon Whiskey, Harley-Davidson und Erdnussbutter aus den USA. Seitdem seien die Einfuhren spürbar zurückgegangen. „Das ist ja auch der Zweck solcher Strafzölle“, so Heinemann.

Auch für Keksproduzent Bahlsen sind die USA ein „vielversprechender und interessanter Wachstumsmarkt“. Die drohenden Strafzölle würden das Wachstum gefährden. „Es ist ungerecht, dass diese Strafzölle gerade mittelständische Unternehmen wie Bahlsen treffen“, heißt es aus Hannover.

Doch genau das hat System. „Die US-Regierung hat gezielt Produkte ausgewählt, die gerade Mittelständler hart treffen sollen“, beobachtet Heinemann. Dazu kommt: Die US-Verbraucher haben bei Keksen, Wein oder Likör genügend Alternativen, auf die sie ausweichen können.

Zölle mit WTO-Siegel

Die Welthandelsorganisation (WTO) hatte den USA kürzlich erlaubt, Strafzölle auf Einfuhren aus EU-Staaten im Volumen von 7,5 Milliarden Dollar pro Jahr zu erheben. Sie sollen eine Wiedergutmachung sein für illegale Staatshilfen einiger EU-Länder für den Flugzeugbauer Airbus.

Neben zehn Prozent Importzoll auf Flugzeuge aus bestimmten EU-Ländern stehen diverse Produkte einzelner Länder auf der US-Sanktionsliste. Aus Deutschland sind das etwa bestimmte Werkzeuge und Kameraobjektive, vor allem aber Nahrungsmittel wie Süßgebäck, Wein, Quark, Käse, Röstkaffee oder Likör, die künftig mit 25 Prozent Strafzoll belegt sind.

Von den US-Zöllen wären deutsche Lebensmittelausfuhren im Gesamtwert von rund 300 Millionen Euro im Jahr betroffen, schätzt die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Schließlich sind die USA neben China und der Schweiz der wichtigste Exportmarkt der Branche außerhalb der EU. 2018 wurden deutsche Nahrungsmittel für 1,7 Milliarden Euro in die USA geliefert.

„Zollvergeltungsmaßnahmen treffen die deutsche Ernährungsindustrie durch steigende Rohstoffpreise sowie eine verschlechtere Wettbewerbsfähigkeit am US-Markt doppelt hart“, betont die Vereinigung. Die BVE bittet die EU-Kommission daher dringend, eine Lösung im Handelsstreit zu finden und eine drohende Eskalationsspirale zu vermeiden.

Leidtragender des transatlantischen Streits sind auch Hersteller bestimmter Spirituosen. 2018 wurden etwa deutsche Liköre für 88 Millionen Euro in die USA verkauft. „Es ist nicht akzeptabel, dass Spirituosenproduzenten den Preis für einen Streit zwischen USA und EU zahlen sollen, bei dem es sich im Wesentlichen um Subventionen für Zivilflugzeuge dreht“, kritisiert Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie.

Auch das Familienunternehmen Underberg, das seit mehr als 100 Jahren seinen berühmten Magenbitter in die USA exportiert, ist von der 25-prozentigen Importsteuer betroffen. „Wir gehen davon aus, dass dies über die verschiedenen Handelsstufen zu Preiserhöhungen am Regal für den Konsumenten von bis zu 40 Prozent führen wird“, befürchtet Hubertine Underberg-Ruder, Verwaltungsratspräsidentin der Unterberg AG.

Handelsexperte Heinemann sieht da jedoch wenig Spielraum für die Mittelständler. „Wer genug Finanzkraft und Durchhaltevermögen hat, wird die zusätzlichen Kosten zähneknirschend selbst tragen“, erwartet er. Unternehmen, die sich das nicht leisten könnten oder wollten, seien gezwungen, sich über kurz oder lang vom Markt zurückzuziehen.

USA sind Hauptabnehmer für deutschen Wein

Auch Jägermeister würde die Sanktionen treffen – und das erheblich. „Nirgendwo sonst verkaufen wir so viel Kräuterlikör wie in den USA“, heißt es bei Mast-Jägermeister. „Die USA sind unser größter Absatzmarkt.“ Im Jahr exportiert das Familienunternehmen etwa 20 Millionen 0,7-Liter-Flaschen in die USA. Die Firma hat bereits vorausschauend die Lägerbestände entsprechend angepasst.

Die deutsche Weinbranche dürfte die Strafzölle ebenfalls empfindlich spüren. Sind die USA doch mit Abstand Hauptabnehmer für deutschen Wein, rund ein Viertel der Exporterlöse stammt aus den Staaten. 2018 waren das laut Destatis Weine für 90 Millionen Euro. „Diese Vergeltungszölle werden kurzfristig zu einer erheblichen Verringerung der Geschäftstätigkeit führen, von der sich der Markt nicht so schnell erholen wird“, meint Gerhard Brauer, Vorsitzender des Verbands Deutscher Weinexporteure.

Der US-Export ist für viele Betriebe so wichtig, weil ihr Wein dort höhere Preise erzielt. Laut dem Deutschen Weininstitut, der zentralen Marketingorganisation für heimische Weine, liegt der Durchschnittsliterpreis in den USA bei 4,19 Euro, in Deutschland dagegen bei knapp über drei Euro.

Zudem würden die Sanktionen den Wettbewerb verzerren. Denn nach Angaben des Weininstituts sind nur Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien davon betroffen. Weine aus konkurrierenden Ländern wie Österreich oder Italien sind nicht mit Strafzöllen belegt.

„Bis eine Flasche Wein im Ziel-Bundesstaat der USA ankommt, kommen durch das komplizierte amerikanische Dreistufensystem ungefähr die gleichen Aufschläge hinzu, sodass am Ende fast 50 Prozent Aufschlag auf eine Flasche deutschen Wein gezahlt werden müssen“, rechnet Steffen Christmann, Präsident der VDP-Prädikatsweingüter, vor. „Welcher Weinliebhaber ist dazu bereit?“ Er fordert von der Bundesregierung einen Ausgleich, wenn Weinbau und Landwirtschaft für andere Wirtschaftszweige Lasten übernehmen.

Der deutsche Weinexportschlager auf dem US-Markt ist der Riesling. „Weingüter in den USA haben in den vergangenen Jahren selbst verstärkt Riesling angebaut und durch die Strafzölle nun einen deutlichen Wettbewerbsvorteil“, meint Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut.

Lambertz-Inhaber Bühlbecker fürchtet, bald weniger Gebäck in den USA zu verkaufen. Er hofft, dass die Amerikaner die Sanktionen wegen drohender Gegenzölle zurückziehen. Künftig Kekse woanders zu backen, um Zöllen zu entgehen, ist keine Option. Bühlbecker: „Made in Germany ist es ja gerade, was unsere Kekse bei Amerikanern so beliebt macht.“