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IWF und Weltbank bremsen den Absturz in Schwellenländern

Die internationalen Finanzorganisationen haben schnell Milliarden mobilisiert und so Staatsbankrotte verhindert. Es bleiben aber zwei schwer lösbare Probleme: Schulden bei Privatgläubigern – und China.

Schwellenländer wie Südafrika leiden besonders an der Pandemie. Foto: dpa
Schwellenländer wie Südafrika leiden besonders an der Pandemie. Foto: dpa

Viel hilft viel. IWF und Weltbank haben im April ihre Mittel mobilisiert, um die Corona-Folgen in Schwellen- und Entwicklungsländern abzufedern. Offenbar mit Erfolg, zumindest kurzfristig. „Seit ihrem Tiefpunkt im März haben sich die Kapitalflüsse in Entwicklungs- und Schwellenländer wieder stabilisiert“, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Handelsblatt-Anfrage. Die akuten Zahlungsbilanzprobleme vieler ärmerer Länder seien abgemildert worden.

Für Schwellen- und Entwicklungsländer war die Coronakrise ein besonders starker finanzieller Schock. Zu Beginn der Pandemie hatte eine beispiellose Kapitalflucht eingesetzt, binnen Tagen wurden 100 Milliarden Dollar von internationalen Investoren abgezogen. Länder wie die Ukraine und Chile gerieten an den Rand des Staatsbankrotts.

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„Im März war der Rückzug ausländischer Finanzmittel aus Schwellenländern gravierender als während der globalen Finanzkrise”, schreibt Schwellenländerexperte Brad Setser von der Denkfabrik Council on Foreign Relations. Der IWF habe den Ländern über die erste akute Phase geholfen, er müsse aber auch langfristig mehr Ressourcen freimachen. „Wenn jetzt nicht die Zeit ist, kreative Wege zur Bekämpfung der Pandemie zu finden, wann dann?“

Notkasse mit 100 Milliarden Dollar

Vor allem die Beistands- und Notkredite, für die der IWF binnen Tagen 100 Milliarden Dollar zur unbürokratischen Auszahlung bereitgestellt hatte, wirken. Für 77 Länder wurden bisher 83 Milliarden Dollar ausgezahlt, davon sind etwa ein Drittel Notfallhilfen und zwei Drittel vorsorgliche Programme. Die Anfragen weiterer 30 Länder werden aktuell bearbeitet. Zudem hat der Fonds 27 Ländern Schuldendiensterleichterungen von 244 Millionen Dollar aus seinem „Catastrophe Containment and Relief Trust“ gewährt. IWF-Direktor Martin Mühleisen, der die Strategieabteilung leitet, ist inzwischen optimistisch, dass der IWF mit Blick auf die Zahlungsbilanzen der Schwellenländer von der Phase der Nothilfe „allmählich in die Phase der Stabilisierung übergehen“ könne.

Ebenfalls im April hatten die G20-Staaten zusätzlich ein Schuldenmoratorium für die ärmsten Entwicklungsländer beschlossen. 43 Länder nutzen es. Laut Weltbank entlastet das diese Länder 2020 beim Schuldendienst um 11,5 Milliarden Dollar. Geld, das in der Coronakrise dringend benötigt wird. „Gerade für Schwellenländer ist es schwer, Geld ins Gesundheitssystem und in Konjunkturprogramme zu investieren“, sagte der Ökonom Christoph Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Die Lage der Schwellenländer steht an diesem Samstag auf der Tagesordnung des virtuellen G20-Finanzministertreffens. „Wir sollten das Schuldendienstmoratorium bis Ende 2021 verlängern“, verlangt Weltbank-Chef David Malpass. Und für einige der am stärksten verschuldeten Länder sollte es einen Schuldenerlass geben: Sie kämen sonst nie aus ihrer Misere heraus, so Malpass.

Lob für den IWF

Schwellenländerexperte Trebesch ist jedenfalls voll des Lobes für die Weltbank und vor allem für den IWF. „Der IWF erfüllt gerade hervorragend den Zweck, für den er gedacht ist: kurzfristige Zahlungsbilanzprobleme zu überbrücken“, sagte er dem Handelsblatt. „Die Programme verhindern Leid für viele Millionen Menschen“, ist er überzeugt.

Auch Wirtschaftsberater Douglas Rediker von der Washingtoner Denkfabrik Brookings lobt den stabilisierenden Effekt der Nothilfen: „Die verteilten Summen sind pro Land nicht enorm, aber extrem wichtig, um die wirtschaftliche Stagnation und die Gesundheitskrise abzufedern.“

Das zeige sich am Beispiel Ägypten: Kurz nach der Hilfszusage des IWF sammelte das Land fünf Milliarden US-Dollar an den internationalen Anleihemärkten ein. „Die IWF-Hilfen wirken wie ein Sicherheitsanker und geben den Märkten Vertrauen“, so Rediker.

Allerdings: Weil es auch für den IWF eine so tiefe Wirtschaftskrise ist wie nie zuvor in seiner 75-jährigen Geschichte, unterstützt Trebesch die Forderung von Fonds-Chefin Kristalina Georgieva, das Vermögen des Fonds von einer Billion Euro zu verdoppeln: „Bei einer zweiten und dritten Infektionswelle wären die Mittel sonst irgendwann erschöpft.“

Wohin fließt das Hilfsgeld wirklich?

Experten sehen langfristig allerdings zwei große Hürden für den dauerhaften Erfolg der internationalen Geldspritzen. Trebesch etwa befürchtet, dass zumindest ein Teil der IWF-Mittel von den Regierungen nicht zur Pandemiebekämpfung eingesetzt wird, sondern dafür, ihre Schulden gegenüber privaten Gläubigern, etwa internationalen Banken, zu bedienen. „Viele Länder leiten die IWF-Gelder um, um einen Staatsbankrott zu vermeiden“, so der Ökonom.

Er hält es inzwischen für ein großes Problem, dass die Rettungspakete immer größer werden und Privatinvestoren immer stärker davon profitieren. Trebesch verlangt eine faire Aufteilung der Verluste über alle Gläubiger.

Rediker erwartet, dass es in einigen Empfängerländern noch zu Problemen kommen wird. „Es ist unmöglich zu kalkulieren, wie sich die Verschuldung eines Landes entwickelt. Das Virus und die wirtschaftlichen Auswirkungen sind unberechenbar“, sagte er. Auch bestünde die Möglichkeit, dass mit den Geldern Privatinvestoren und Schuldner wie China bezahlt werden. „Das wäre strategisch und finanziell nicht nachhaltig.“

Wie verhält sich China?

Chinas Politik ist zur zweiten großen Frage aller internationalen Rettungsbemühungen geworden: Wie geht Peking mit seinen Schuldnern um? In einer IfW-Studie hat Trebesch gemeinsam mit der heutigen Weltbank-Chefökonomin Carmen Reinhart herausgearbeitet, dass China viel mehr Auslandskredite vergeben hat, als in offiziellen Statistiken ausgewiesen wird. Insgesamt ist demnach die übrige Welt bei China mit fünf Billionen US-Dollar verschuldet; das entspricht sechs Prozent der gesamten Weltwirtschaftsleistung.

Den Großteil der Schuldtitel hat Chinas Zentralbank nach der Studie auf internationalen Märkten erworben. China vergibt aber auch immer größere Summen direkter Kredite an Schwellen- und Entwicklungsländer, deren größter Gläubiger das Land heute ist – deutlich größer als der IWF und die Weltbank.

Als Blackbox gilt die China Development Bank, die zwar staatlich ist. Da sie ihre Kredite zu kommerziellen Konditionen ausreicht, zählt China sie aber nicht zum öffentlichen Sektor. Ungefähr die Hälfte der chinesischen Schuldtitel taucht nach der Studie nicht in den Statistiken auf.

„Bisher hat China seine Kapitalflüsse sehr stark nach seinen Interessen gesteuert, etwa nach dem Rohstoffbedarf. In dieser Logik würde es jetzt Kapital zurückziehen“, so der Ökonom. Vielleicht aber nutze China die Lage auch, um seine Macht in Schwellenländern auszudehnen.

Welches Entwicklungsland hat wo wie viel Schulden?

Transparenz in die Schuldenlage von Entwicklungsländern zu bringen hat sich auch die Weltbank zum Ziel gesetzt. Alle Schulden der Schwellen- und Entwicklungsländer will Malpass im „Debt Reporting System“ erfassen: Denn auch viele bilaterale Schulden bei anderen Ländern als China stehen nicht in den Statistiken.

Die Weltbank hilft inzwischen sogar Ländern, die ihre Kreditregeln gebrochen haben, aus dem Schlammassel, Angola zum Beispiel. Andere Staaten, wie Äthiopien, Pakistan und Benin, bekamen personelle Unterstützung, um einen vollständigen Überblick über ihre Schulden zu erhalten.

Es sei höchste Zeit, dass die Schulden bei Privatgläubigern ähnlichen Standards genügten wie die der öffentlichen Gläubiger, so Malpass. Verschwiegenheitsklauseln zum Beispiel dürfe es in den Kreditverträgen von Regierungen nicht mehr geben.

Mehr: IWF fürchtet eine Dauerkrise der Weltwirtschaft