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„Krisen bieten immer auch Schnäppchen“: Wohin der IW-Chef den Immobilienmarkt steuern sieht

Der Ökonom erklärt, in welchen Marktsegmenten des Immobilienmarktes er Preisrückgänge erwartet – und warum es in Deutschland trotzdem keinen großen Crash geben dürfte.

„Ich denke, dass der Einbruch beim Bau kommen wird, aber wir können damit umgehen.“ Foto: dpa
„Ich denke, dass der Einbruch beim Bau kommen wird, aber wir können damit umgehen.“ Foto: dpa

Michael Hüther ist in diesen Wochen ein gefragter Mann. In der öffentlichen Diskussion über Wege aus dem Corona-Shutdown und die wirtschaftlichen Folgen der Krise meldet sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln regelmäßig zu Wort – zuletzt mit mahnenden Worten, etwa zur Existenzgefährdung einiger Branchen.

Auch die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt verfolgt und analysiert das Institut. Im Gespräch mit dem Handelsblatt sagt der Experte, dass er keinen starken Preisrückgang auf dem privaten Häusermarkt erwarte. Man dürfe nicht vergessen: „Heute sind mehr Menschen in Deutschland in Beschäftigung als zu Zeiten der Finanzkrise.“

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Beim gewerblichen Immobiliensektor sei Hüther aber skeptischer, „weil das Investitionsverhalten der Industrie schon seit anderthalb Jahren vorsichtig ist“. Die Coronakrise komme nun noch obendrauf. Im Interview erklärt der IW-Chef, warum es in Deutschland trotzdem keinen großen Crash geben dürfte.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Hüther, würden Sie im Moment ein Haus kaufen?
Wenn ich auf der Suche wäre, dann würde ich aktuell nicht gleich aktiv werden, weil ich glaube, dass die Preise nachlassen werden. Ich denke zwar nicht, dass sie massiv einbrechen werden. Aber es gibt wie bei jeder Krise einen gewissen Attentismus, das heißt ein abwartendes Verhalten – auch der privaten Haushalte. Ich würde also warten, wie sich die Lage im zweiten Halbjahr entwickelt. Krisen bieten immer auch Schnäppchen.

Das klingt so, als ob der Boom auf dem heimischen Immobilienmarkt erst einmal vorbei ist?
Man muss nach Sektoren unterscheiden. Bei Wohnimmobilien sind die Preise seit Mitte des letzten Jahrzehnts stetig gestiegen. Dahinter stehen strukturelle Gründe: Es gibt eine Bewegung in Richtung der Städte, auch der mittelgroßen Universitätsstädte. Und es gibt eine Differenzierung der Preise zwischen Stadt und Land. Die Menschen wollen die Infrastruktur, die Versorgung und die Kultur.

Das alles wird durch die Coronakrise nicht grundsätzlich infrage gestellt. Es gibt keine Veränderung bei den Trends: Energetische Sanierung stabilisiert den Markt, die Zinsen dürften infolge der Pandemie weiter fallen, die Mieten werden nicht nachhaltig einbrechen.

Ich glaube aber sehr wohl, dass bestimmte Grenzphänomene überprüft werden. Also Fälle, in denen 8000 Euro pro Quadratmeter oder mehr für einen normalen Geschosswohnungsbau aufgerufen wurden.

Also eine gesunde Korrektur?
Ja, in Grenzen, denn eine spekulative Blase haben wir für den Wohnungsmarkt nicht identifiziert. Es gibt auch eine Grenze, die nach unten klar definiert ist. Der Geschosswohnungsbau in Deutschland kostet rund 3000 Euro pro Quadratmeter. Viel günstiger geht es nicht bei den Standards. Die Preise werden sich also einfach ein bisschen normalisieren, Spitzen werden sich reduzieren; unsere Szenario-Berechnungen zeigen ein Rückschlagpotenzial bis gut zehn Prozent. Wir haben weiterhin Potenzial für Neubau. Die Nachfrage ist da.

Der Preisverfall könnte aus einer anderen Ecke kommen. Auf dem privaten Häusermarkt waren die Banken in den vergangenen Jahren recht großzügig.
Wir haben eine besondere Situation gehabt: Die Zinsen waren attraktiv, die Preise aber nicht wirklich, denn die sind immer weiter gestiegen, wenn auch nicht so stark, wie die Zinsen gefallen sind.

Sehen Sie größere Ausfälle, wenn mehr Menschen wegen der Coronakrise in finanzielle Engpässe geraten – ihr Haus vielleicht verkaufen müssen?
Nicht unbedingt. Um sich abzusichern, haben die Banken bei Krediten mit weniger Eigenkapitalanteil höhere Tilgungsraten vereinbart. Jetzt, in einer schwierigen Phase, kann man als Verbraucher die Tilgung auch mal absenken oder aussetzen, um liquide zu bleiben. Daran dürften auch die Banken ein Interesse haben.

Sie dürfen nicht vergessen: Heute sind mehr Menschen in Deutschland in Beschäftigung als zu Zeiten der Finanzkrise. Die Erwerbsintegration liegt bei über 80 Prozent. Wichtig ist, dass wir es in der aktuellen Krise schaffen, die Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten.

Sind Sie für den gewerblichen Immobiliensektor genauso positiv gestimmt?
Da bin ich eher skeptisch, weil das Investitionsverhalten der Industrie schon seit anderthalb Jahren vorsichtig ist, die Coronakrise kommt nun noch obendrauf. Bei Büroimmobilien könnte es sein, dass die Lektion, die gerade überall über das Homeoffice gelernt wird, möglicherweise zu einer Neubewertung von Mietflächen führt. Unternehmen mieten weniger Fläche an, weil immer mehr Leute zu Hause arbeiten. Das Thema Verdichtung – Flächeneffizienz – könnte eine neue Dynamik bekommen. Generell neigen Gewerbeimmobilien zu stärkerer Volatilität als Wohnimmobilien.

Viele Bauträger bemerken derzeit noch keine Corona-Auswirkungen.
Im Moment ist die Baubranche tatsächlich kaum von der Krise betroffen.

Aber viele fürchten, dass die Pipeline später leerläuft. Die Baubranche würde dann als Stützpfeiler der deutschen Konjunktur ausfallen. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Sie kann bei dem derzeitigen Wetter wunderbar arbeiten, die Abstandsregeln können problemlos eingehalten werden. Aber natürlich muss man fragen, was ist mit der Auftragsperspektive. Da habe ich auch Bedenken. Ich glaube, dass das ein bisschen nachläuft. Meine Hoffnung ist, dass wir dann, wenn es so weit ist, schon wieder eine gewisse Stabilisierung der Industrie und des Konsums erlebt haben. Wir sehen ja beispielsweise, wie in China gerade die Industrie wieder anzieht, was Ausstrahleffekte auf unseren Export hat.

Ich denke, dass der Einbruch beim Bau kommen wird, aber wir können damit umgehen. Zudem besteht das Risiko, dass die Genehmigungen nicht nachkommen – die fehlende Digitalisierung der Bauämter könnte uns hier auf die Füße fallen.

Aus der Immobilienwirtschaft kommen die ersten Forderungen nach Unterstützung aus der Politik? Was halten Sie davon?
Auf den symmetrischen Schock durch Corona wurde erst einmal so reagiert, dass Hilfen für alle zur Verfügung gestellt wurden. Je weiter die Krise voranschreitet, desto stärker muss nun nach der tatsächlichen Lage differenziert werden. Wir werden schauen, wo es noch Probleme gibt. Der ganze Bereich des Einzelhandels, die Dienstleister, waren vom Lockdown massiv betroffen.

Für die Immobilienwirtschaft sehe ich bislang keine vergleichbaren Belastungen. Man wird eher fragen können, wie sich die Immobilienbranche an der Lösung der Probleme beteiligen kann, etwa durch Mietstundungen oder Mietnachlässe für Einzelhändler und Gastronomen.

Wenn die erwartete Pleitewelle im Einzelhandel kommt, nützt das vermutlich nichts mehr. Dann sitzen die gewerblichen Vermieter ganz am Ende der Kette und haben auch Verluste.
In diesem ganzen Bereich gab es schon immer viele Mieterwechsel. Das sehen Sie ja überall in den großen Einkaufsstraßen. Immobilieninvestoren müssen mit Leerständen umgehen können. Man muss eben sehr genau schauen, was die tatsächlichen Corona-Effekte sind. Generell würde ich keine Branchenprogramme mehr aufsetzen, sondern würde überlegen, ob ich Unternehmen generell und systematisch über die Steuer gezielter helfen kann.

Zum Beispiel mit einer Negativsteuer?
Ja, im Sinne einer Steuererstattung als Verlustrücktrag auf die vorher gezahlten Gewinnsteuern. Das wirkt überall dort, wo Unternehmen jetzt Verluste machen, aber vorher gewinnbringend gewirtschaftet haben. Wenn das Problem verschwindet, dann verschwindet auch die Negativsteuer wieder. Wir brauchen Instrumente, die für solche Situationen tragfähig sind.

Herr Hüther, vielen Dank für das Interview.

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