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Italien könnte einen euroskeptischen Wirtschaftsminister bekommen

Der designierte italienische Premier Conte bastelt an der Ministerliste. Ökonomen bereiten das Land auf stürmische Zeiten vor.

Am Tag danach ist die Aufregung in Italien größer als in Brüssel. Die Kritik gilt der neuen Regierung in Rom, die nächste Woche ihre Arbeit aufnehmen wird. „Die Maßnahmen des Regierungsprogramms zerstören auf Jahre hin jeden möglichen Anstieg der Produktivität und werden die Investoren in die Flucht schlagen“, meint der Ökonom Stefano Micossi, der im Verwaltungsrat der Großbank Unicredit sitzt. Er spricht auch für die italienischen Unternehmer, die mit Sorge auf den Kurs der neuen Regierung von der Bewegung 5 Sterne und Lega schauen.

Anders die ersten Reaktionen aus Brüssel auf den Startschuss zur Regierungsbildung. „Ich wünsche Italien, dass es das Vertrauen in sich selbst und in Europa beibehält“, twittert Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, „die Tatsache, dass sich Giuseppe Conte für einen Dialog mit den europäischen Institutionen ausgesprochen hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung.“

Und auch aus der Eurogruppe kommen positive Bewertungen. Es sei ein „sehr gutes Signal“, dass Italiens designierter Regierungschefs zugesagt habe, die Regeln des Stabilitätspaktes zu respektieren, so Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sprach von einem „guten Zeichen“. Er verwies darauf, dass Italien eine „wichtige Volkswirtschaft“ und ein „wesentlicher Partner in der Eurozone“ sei.

Das ist Diplomatie, denn noch hat der Neue nicht geliefert, hat nicht bewiesen, dass er Wort hält und er ist noch nicht im Amt. Den ganzen Donnerstag über sprach er mit allen Parteien über das Regierungsprogramm und versuchte, sein Kabinett zusammenzustellen. Hat er das komplett, muss er zurück zu Staatspräsident Sergio Mattarella, der die neue Regierung dann einschwört. Nach der Vertrauensabstimmung im Parlament ist die neue Regierung vermutlich Mitte nächster Woche im Amt.

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Doch an einer Personalie hängt das Tableau der beiden Koalitionäre 5 Sterne und Lega, die den Politik-Neuling Conte als Kompromisskandidaten ausgesucht hatten, weil beide Parteichefs, Luigi Di Maio und Matteo Salvini, selbst Premier werden wollten.
Wirtschafts- und Finanzminister, also Nachfolger von Pier Carlo Padoan, soll der 81-jährige bekennende Euroskeptiker Paolo Savona werden. Er sei in der Lage, „Italien ins Zentrum der Diskussion in Europa zu rücken“, sagte Lega-Chef Salvini auf Facebook. Savona sei der richtige, um „auf einer Augenhöhe“ mit Deutschland und Frankreich für das Recht Italiens auf Wachstum zu kämpfen.

Mattarella dürfte unzufrieden sein

Das sind neue Töne, die dem Staatspräsidenten nicht gefallen dürften. Mattarella hat die Möglichkeit, bei den strategisch wichtigen Ressorts Wirtschaft, Außen und Verteidigung sein Veto einzusetzen. Wie das Tauziehen über die Besetzung des Schlüsselressorts ausgeht, wird viel über die Macht der Koalitionäre und die Stärke Contes aussagen.

Am spätem Mittwochabend hatte der 53-jährige Jurist Conte von Mattarella den Auftrag zur Bildung einer Regierung erhalten – nach einem ungewöhnlich langen Gespräch hinter verschlossenen Türen, in dem es vor allem um die Verlässlichkeit Italiens gegangen sein soll. Gut informierte italienischen Journalisten schrieben sogar, Mattarella habe eigenhändig Contes kurze Presseerklärung in puncto Europa-Treue redigiert.

Die klang dann so: „Ich bin mir bewusst, dass es notwendig ist, Italiens europäische und internationale Einbindung zu bekräftigen“, sagte Conte bei seinem ersten Auftritt. „Die Regierung muss sich sofort mit den laufenden Verhandlungen über den Europa-Haushalt, der Reform des Asylrechts und der Vervollständigung der Bankenunion befassen.“

Gleich hinterher kam jedoch der Teil, der nicht für Brüssel, sondern das Wahlvolk der beiden populistischen Parteien gedacht war. Er sei ein „Verteidiger des Volkes“, sagte Conte, jetzt käme die „Regierung des Wechsels“.

Am Donnerstag wurden erste geplante Maßnahmen publik. Conte wolle per Dekret die Zahl der Gesetze reduzieren und die Entbürokratisierung vorantreiben, heißt es. Das ist sein Spezialgebiet. Dann sollen die Rentenreform rückgängig gemacht und die Flüchtlingspolitik verschärft werden, wohl schon vor dem Sommer. Im Herbst kommt mit den Haushaltsberatungen das Thema Steuern dran. Mehrausgaben sind unvermeidbar, ein Abbau der hohen Staatsverschuldung rückt in weite Ferne.

Haushaltsregeln werden verletzt

Die Haushaltregeln würden mit Sicherheit verletzt, bis über die drei-Prozent-Defizitgrenze hinaus, meint Ökonom Micossi. „Wir machen uns Sorgen, denn wir brauchen eine Politik, die Sicherheiten gibt über den schrittweisen Abbau der öffentlichen Schulden, die Konditionen für Wachstum und Arbeitsplätze schafft, denn das ist die wahre Mission Italiens“, sagt Vincenzo Boccia, Präsident des Industrieverbands Confindustria.

Die bisherigen Bündnispartner der Lega, Forza Italia und die Rechtsaußenpartei Fratelli d‘Italia, kündigten an, in die Opposition zu gehen. „Wir werden beim Vertrauensvotum mit Nein stimmen“, erklärte Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi. Das Regierungsprogramm sei zu sehr von der Ideologie der 5 Sterne geprägt, vor allem beim Thema Justiz.

Die Sozialdemokraten kündigten eine harte Opposition an. Matteo Renzi, ehemaliger Premier und zurückgetretener Parteivorsitzender des Partito Democratico, schrieb in seinem Newsletter: „Jetzt sind sie die Macht, sie werden zum Establishment, zur Kaste. Jetzt haben sie kein Alibi und keine Entschuldigungen mehr.

Wie lange die Regierung hält, steht auf einem anderen Blatt. Im Senat hätten 5 Sterne und die Lega nur eine dünne Mehrheit, darauf verweist Matteo Ramenghi von UBS. „Die Differenzen der beiden Parteien könnte ihren Einfluss und ihre Lebensdauer begrenzen“, meint er.