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Islamistischer Mordanschlag auf Lehrer erschüttert Frankreich

Der Geschichtslehrer Samuel Paty benutzte Mohammed-Karikaturen im Unterricht und wurde dafür angefeindet. Freitagnachmittag ermordete ihn ein 18-jähriger Islamist.

Ein islamistischer Terroranschlag erschüttert Frankreich: Freitagnachmittag wurde der 47-jährige Geschichtslehrer Samuel Paty in Conflans-Saint-Honorine mutmaßlich von einem 18-jährigen Russen mit tschetschenischen Vorfahren ermordet und geköpft. Kurz nach dem Verbrechen stellten und erschossen Polizisten den flüchtigen Angreifer, der sie mit einem Messer und einer Luftpistole angriff.

Der für Terrordelikte zuständige Staatsanwalt Jean-François Ricard gab am Samstagnachmittag den Stand der Ermittlungen bekannt. Der 18-jährige mutmaßliche Täter Abdoullak A. habe sich legal als Flüchtling in Frankreich aufgehalten. Der in Moskau geborene Mann stammte offenbar aus einer Familie mit Wurzeln in der islamisch geprägten Region Tschetschenien, die Teil der Russischen Föderation ist. Freitagnachmittag sei er vor der Schule gesehen worden und habe Schüler angesprochen, die den Geschichtslehrer identifizieren sollten.

Der hatte Anfang Oktober im seit einigen Jahren obligatorischen Unterricht über Grundwerte der Republik die Meinungsfreiheit behandelt und war dabei auf die Mohammed-Karikaturen zu sprechen gekommen, die von der satirischen Zeitung Charlie Hebdo veröffentlicht wurden. Im Januar 2015 nahmen die Kouachi-Brüder die Veröffentlichung zum Anlass, um den größten Teil der Charlie-Redaktion zu ermorden. Im September, als der Prozess gegen die Hintermänner der Attentäter begann, griff ein 25-jähriger Pakistani vor der früheren Redaktion der Zeitung zwei Menschen an und verletzte sie mit einem Messer.

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Neben der enthaupteten Leiche Patys sei das Handy des Russen gefunden worden, sagte Staatsanwalt Ricard, mit dem Foto des Opfers und einer Bekenner-Botschaft, die er über Twitter verbreitete: „Im Namen Allahs, des Allerbarmenden, an Macron, den Führer der Ungläubigen: Ich habe einen deiner Höllenhunde hingerichtet, der den Propheten Mohammed erniedrigt hat, rufe die anderen zurück, bevor wir sie mit einer harten Strafe züchtigen!“

Eine wichtige Rolle scheint der Vater einer Schülerin von Samuel Paty zu spielen. Der Mann, dessen Halbschwester sich in Syrien dem Islamischen Staat angeschlossen habe, sei aktiv geworden, nachdem Paty die Mohammed-Karikaturen im Unterricht behandelte, so der Staatsanwalt. Sofort danach veröffentlichte er ein Video, in dem er falsche Behauptungen über Paty verbreitete, ihn des Hasses auf Muslime bezichtigte und als „Verbrecher“ beschimpfte, der keine Kinder mehr unterrichten dürfe. Er forderte alle Muslime auf, gegen den Lehrer zu protestieren und dessen Abberufung zu verlangen.

Kein spontaner Angriff

In den folgenden Tagen suchte er in Begleitung eines anderen Mannes die Schulleiterin auf, die später Drohanrufe erhielt. Gemeinsam mit dem anderen Mann, der den Geheimdiensten bekannt sei, so Ricard, veröffentlichte er weitere Videos gegen den Geschichtslehrer.

Diese Details sind wichtig, denn sie zeigen: Der Mord war wohl nicht die spontane Tat eines verwirrten Einzelgängers. Zumindest wurden über den Geschichtslehrer mehrere Tage lang Verleumdungen und Beleidigungen verbreitet.

Im Laufe der Nacht und am Samstag haben die Sicherheitskräfte bereits neun Personen aus dem Umfeld des Russen festgenommen: seine Eltern und Großeltern, seinen jüngeren Bruder, Freunde sowie den Vater der Schülerin und dessen Begleiter.

Neben den genauen Hintergründen der Tat ist noch offen, an welchem Punkt die Kette der Warnungen und Vorsichtsmaßnahmen unterbrochen wurde. Der Vorsitzende der Elternpflegschaft hatte exakt den richtigen Reflex und machte die Schulleitung sowie die lokalen Behörden auf das Drohvideo aufmerksam. Doch dann ist, so scheint es jedenfalls bislang, eine weitere Reaktion ausgeblieben. In den französischen Medien wurde am Samstag die Frage aufgeworfen, warum der Verleumdungen verbreitende Vater der Schülerin Patys nicht zur Rede gestellt wurde, zumal Paty Strafanzeige gegen ihn erstattet hatte.

Macron will härter gegen Fundamentalismus vorgehen

Staatspräsident Emmanuel Macron war noch am Freitagabend an den Tatort geeilt und hatte den Mord als „islamistischen Terroranschlag auf die Republik und unsere Werte“ bezeichnet. Seinen Mitbürgern versicherte er: „Sie werden nicht durchkommen!“

Macron hatte am 2. Oktober einen große Rede über den islamistischen Fundamentalismus, Glaubensfreiheit und die Trennung von Staat und Religion gehalten, in der er dem Fundamentalismus und der Bildung von Gegengesellschaften den Kampf ansagte, zugleich aber Muslime vor einem Generalverdacht in Schutz nahm: „Ich verlange von keinem unserer Bürger, zu glauben oder nicht zu glauben, ein wenig oder mäßig zu glauben, das ist nicht die Sache der Republik, aber ich verlange von allen Bürgern, unabhängig von ihrer Religion, absolut alle Gesetze der Republik zu respektieren.“

Das Problem sei nicht eine bestimmte Religion, sondern „Indoktrination und durch sie die Negation unserer Prinzipien, der Gleichheit von Frauen und Männern und der Menschenwürde. Diese Ideologie, die behauptet, ihre eigenen Gesetze seien denen der Republik überlegen.“ Macron kündigte ein systematischeres Vorgehen gegen den Fundamentalismus an, versprach aber zugleich, die sozialen Probleme anzugehen, die Islamisten oft als Aufhänger für ihre Propaganda nutzen.

In den nächsten Tagen soll es nach Aussage des Elysée einen Trauerakt für den ermordeten Lehrer geben.