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Isabel Schnabel: Die Professorin, die Deutschland die EZB lehrt

(Bloomberg) -- Isabel Schnabel hat vielleicht einen der heikelsten Jobs in der Weltwirtschaft: als deutsche Direktorin der Europäischen Zentralbank ihren notorisch inflationsscheuen Landsleuten die Niedrigzinspolitik nahezubringen.

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Fast zwei Jahre nach ihrem Antritt als oberste Marktverantwortliche der Notenbank ist diese Aufgabe für die Ökonomieprofessorin angesichts der höchsten Teuerungsrate seit Jahrzehnten nicht einfacher geworden.

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“Inflation, Nullzins, Schuldenunion: Vor dieser Frau müssen deutsche Sparer zittern”, quittierte die Bild-Zeitung letzten Monat Gerüchte, dass Schnabel Jens Weidmann als Bundesbankpräsidentin nachfolgen könnte. Ihre Fähigkeit, trotz solcher Angriffe einer feindseligen deutschen Öffentlichkeit die Politik der EZB zu verkaufen, mache sie dieser Rolle würdig, meint ihr ehemaliger Kollege Peter Bofinger.

“Wenn wir zwei Isabel Schnabels hätten, würde ich eine in die EZB setzen und eine in die Bundesbank”, sagt Bofinger, Professor an der Universität Würzburg, der mit ihr im Rat der Wirtschaftsweisen diente. “Es ist ein Unterschied zu allen Vorgängern, die sie hatte. Da war nie das Bestreben zu erkennen, die EZB zu erklären und auf die deutschen Probleme und Befindlichkeiten einzugehen. Das macht sie sehr gut und engagiert.”

Die 50-jährige Schnabel wurde 2019 von der Großen Koalition als Nachfolgerin von Sabine Lautenschläger in die EZB entsandt, die nach einer umstrittenen Entscheidung über die Wiederaufnahme der quantitativen Lockerung abrupt das Handtuch geworfen hatte. Lautenschläger hat das zwar nie als Grund genannt, aber ihr vorzeitiger Abgang steht in einer langen Reihe von deutschen Zentralbankern, die oft in offener Ablehnung des EZB-Kurses die Brocken hingeworfen haben.

Schnabel hingegen scheint sich in ihrer Rolle wohl zu fühlen. Sie vertritt weniger offen konservative Ansichten als viele ihrer Kollegen und verfolgt zugleich einen zupackenderen Ansatz in einem Land, das seine Erinnerung an die Hyperinflation der Weimarer Republik zelebriert, und der in Frankfurt ansässigen Institution immer noch nicht so ganz über den Weg traut.

“Wenn es in der Öffentlichkeit Missverständnisse gibt, ist es unsere Aufgabe, das zu erklären”, sagte sie diese Woche in einem Interview mit Bloomberg News. “Die Debatte über die Inflation ist sehr wichtig. Solange diese Debatte auf einer sachlichen Ebene geführt wird, ist das mehr als willkommen.”

In einer ihrer ersten Reden wandte sie sich gegen “Halbwahrheiten und falsche Narrative” über die EZB und nannte übertriebene Kritik “gefährlich, weil sie nicht nur das Vertrauen in unsere einheitliche Geldpolitik gefährdet, sondern auch den europäischen Zusammenhalt untergräbt”.

Jürgen Stark, ein ehemaliger Chefvolkswirt der EZB, der 2011 wegen seines vergeblichen Widerstands gegen die Konjunkturprogramme zurückgetreten war, wies dies umgehend zurück. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fragte er, ob Schnabel Kritikern einen “Maulkorb verpassen” wolle.

Unbeirrt nutzt Schnabel eine Vielzahl von Kanälen, um die Reaktion der EZB auf die Pandemie zu erläutern, darunter Fragerunden auf Twitter und Interviews mit deutschen Youtube-Persönlichkeiten. “Wir müssen Wege finden, um gehört und im Idealfall auch verstanden zu werden”, sagt sie. “Manchmal ist das schwierig, weil die Kommentare persönlich werden.”

Jörg Asmussen, der während der europäischen Staatsschuldenkrise als Direktoriumsmitglied selbst mit einer feindseligen deutschen Öffentlichkeit konfrontiert war und vor der Bestätigung Schnabels im Amt zu mehr Dialog mit der deutschen Öffentlichkeit aufrief, rechnet ihr dies hoch an.

“Ich finde es sehr gut, dass Frau Schnabel die EZB-Geldpolitik sehr aktiv, auch in sozialen Medien kommuniziert”, sagte er in einer E-Mail. “Es ist immer wichtig, wie Frau Schnabel es tut, auf die Verantwortung der EZB für die ganze Eurozone hinzuweisen und die deutsche Diskussion in einen europäischen und globalen Kontext zu setzen.”

Gleichzeitig sticht Schnabel als die derzeit wohl geldpolitisch konservativste Direktorin der EZB heraus und zeigt sich von den steigenden Verbraucherpreisen am meisten beunruhigt. “Frau Schnabel hat ganz früh schon die Risiken bei der Inflation benannt”, sagt Ulrike Kastens, Ökonomin bei der DWS Group in Frankfurt. “Da war sie sicherlich etwas hawkischer als andere es sind.”

Die frühere Wirtschaftsprofessorin an der Universität Bonn wird unter Kollegen für die Qualität ihrer Analysen geschätzt. Nach einer Rede vor der Federal Reserve nannte Swedbank-Ökonom Andreas Wallström sie kürzlich “die interessanteste Zentralbankerin der Welt”.

“Der intellektuelle Gehalt ihrer Reden ist sehr interessant – man kann sie vergleichen mit Andy Haldane”, sagt Wallstrom mit einem Verweis auf den einstigen Chefökonom der Bank of England.

Dabei ist nicht alles bei der EZB für Schnabel glatt gelaufen. Zwei Monate nach ihrem Amtsantritt löste die EZB fast eine Finanzkrise aus, nachdem Präsidentin Christine Lagarde die Bemerkung fallen gelassen hatte, die EZB sei nicht dazu da, “Spreads zu schließen” - ein Satz, den Schnabel in einer internen Diskussion geäußert hatte. Erst nachdem ein 1,85 Billionen Euro schweres Anleihe-Kaufprogramm auf dem Weg war, beruhigten sich die Märkte wieder.

Die heftige Kritik, der sich Schnabel im eigenen Land ausgesetzt sieht, ist eine Herausforderung, die sie nicht schreckt. “Einige Mythen sind immer noch vorhanden”, sagte Schnabel gegenüber Bloomberg. “Im Zusammenhang mit der steigenden Inflation tauchen neue Narrative auf.”

Da die Teuerung nun wohl auf ein 30-Jahres-Hoch steigen dürfte, wird es erneut an Schnabel liegen, direkt zu den Deutschen zu sprechen. Dass der künftige Finanzminister wohl der ordoliberale Hardliner Christian Lindner wird, dürfte den Job nicht einfacher machen.

“Gegen die Strömung der öffentlichen Diskussion in Deutschland anzugehen ist mühsam”, sagt Bofinger. “Ich glaube dass Frau Schnabel das wirklich versucht.”

Überschrift des Artikels im Original:

‘World’s Most Interesting Central Banker’ Sells ECB to Germans

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