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Wie der Irrsinn anfing

Die Schweizer Bank Vontobel macht auf ein historisches Datum aufmerksam: Vor 150 Jahren veröffentlichte die Londoner „Times“ erstmals einen Wechselkurs von Pfund zu Dollar, der über ein transatlantisches Unterseekabel übertragen worden war. Damit schloss sich eine Lücke zwischen den beiden Kontinenten, und der Finanzmarkt wurde wahrhaft global.

Neben den Devisenkursen konnten auch die Preise von Aktien und Rohstoffen in Echtzeit übertragen werden. Niemand musste abwarten, bis ein Schiff die Nachrichten brachte. Und noch heute heißt der Wechselkurs Pfund zu Dollar bei den Devisenhändlern „Cable“ – Sprache bewahrt Geschichte auf.

Kurz zuvor hatten sich wichtige Lücken im Telegraphennetz innerhalb der Kontinente geschlossen – mit einigen phantasievollen Zwischenstationen. Der berühmte Pony-Express, bei dem junge Reiter ihre Pferde durch die Weiten Amerikas hetzten, wurde 19 Monate nach seinem Start bereits durch ein Kabel zwischen der Ostküste der und Kalifornien ersetzt. Mitte des Jahrhunderts wurde das erste Untersee-Kabel überhaupt zwischen Dover und Calais gelegt. Paul Reuter, Gründer der Nachrichtenagentur Reuters, schloss eine Lücke im Netz zwischen Brüssel und Aachen zeitweilig mit Brieftauben, um so die Börsen Paris und Berlin zu verbinden, bis auch dort der Telegraph fertig war. 1863 legte Reuter ein Kabel bis an die Westküste von Irland, um dort Nachrichten abzufangen, die von Schiffen aus den USA in Containern ins Wasser geworfen wurden – auch das war nur kurze Zeit von Bedeutung.

Schon Jahrhunderte und Jahrtausende lang hat es Versuche gegeben, den Nachrichtenfluss zu beschleunigen. In Deutschland gab es Türme, die mit optischen Zeichen Signale über eine Kette auf Sichtweite versendeten; in der Nähe des Kölner Flughafens steht noch einer davon. Während früher bei Nachrichten-Netzen häufig militärische Zwecke im Vordergrund standen, spielen seit dem 19. Jahrhundert die Kapitalmärkte eine immer größere Rolle. Damit deutete sich früh eine Umkehrung der Gewichte an: Während früher häufig Macht Geld bedeutete, bedeutet heute immer deutlicher Geld Macht.

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Die Vorgeschichte der Globalisierung ist freilich noch älter. Schon seit dem späten Mittalter war es möglich, bargeldlos über weite Entfernungen hinweg zu bezahlen – mit Kreditbriefen oder Wechseln, die von einem Bankier ausgestellt und einem anderen, häufig hunderte von Kilometern entfernt, ausbezahlt wurden. Der frühe deutsche Roman-Autor Grimmelshausen beschreibt so, wie inmitten des 30jährigen Krieg seine Heldin mit Namen Courasche (das Vorbild von Brechts „Mutter Courage“) Kriegsbeute aus Oberitalien ins heimatliche Prag transferieren ließ. Während sich in der letzten Finanzkrise zum Teil Banken misstrauten, die in der derselben Straße residierten, gab es offenbar mitten im brutalsten Krieg der europäischen Geschichte ein Netz des Vertrauens unter den Bankiers den Kontinents.


Krisen erschütterten immer wieder die Globalisierung

Die technische Entwicklung, die den schnellen Nachrichtenfluss über die Kontinente hinweg ermöglichte, hat zu einem unaufhaltsam zur Globalisierung der Märkte geführt. Unterbrochen wurde dieser Trend allerdings immer wieder durch Krisen, die anschließend zur politischen Abschottung führten und zum – drohenden oder tatsächlichen – Rückfall in militärische Gewalt.

Die Gründerkrise, die im Deutschen Reich der 70er des 19. Jahrhunderts die Vernichtung großer Vermögen mit sich brachte, zog die Schutzzoll-Politik nach sich – und den ersten Weltkrieg. Der Absturz der Weltmärkte Ende der 20er Jahre führte ebenfalls zur wirtschaftlichen Isolation und danach zum zweiten Weltkrieg. Die Finanzkrise 2008 mit ihren wirtschaftlichen Folgen droht gerade auch, Rechtspopulisten zu begünstigen, die auf Konfrontation statt auf Kooperation setzen.

Diese Finanzkrise war aber auch die erste, die fast die gesamte Welt erfasst hat. Und anders als in einigen früheren Krisen war die von den Kapitalmärkten ausgehende Energie so hoch, dass ihr mit einer Zusammenarbeit der Banken und Notenbanken nicht mehr beizukommen war – nur die Staaten konnten die Sintflut noch aufhalten. Wegen ihrer hohen Verschuldung sind aber auch die Staaten selber inzwischen abhängig von den Kapitalmärkten geworden – und damit von Entwicklungen, die sich in Bruchteilen von Sekunden über die ganze Welt ausbreiten können.

Wenn es heute immer mehr – ob offen oder versteckt – zu der ordnungspolitisch riskanten Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Notenbanken kommt, dann ist das auch als ein Aufbäumen der Ordnungskräfte gegen die letztlich unkontrollierbaren Kräfte der Märkte zu deuten. Ihre internationale Vernetzung ist nicht aufzuhalten – die Kooperation auf politischer Ebene muss dagegen mühevoll immer wieder neu erarbeitet werden. So besehen sind wir alle in dem Netz gefangen, dessen wichtigster Strang vor 150 Jahren quer durch die kalten Fluten des Atlantiks gelegt wurde.