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Iran, Russland, China: Staaten sperren Zugang zu weltweitem Netz

Der Iran ist das jüngste Beispiel: Um unliebsame Kommunikation zu verhindern, sperren Regierungen das Internet. Überwachung und Kontrolle breiten sich weltweit aus.

Allmählich funktionieren die Verbindungen wieder. Mehr als vier Tage waren die Iraner von der Außenwelt abgeschnitten. Mit einer Internet-Sperre wollte die Regierung verhindern, dass Proteste gegen eine Benzinpreiserhöhung aus dem Ruder laufen – und wohl auch, dass die Außenwelt allzu viel davon mitbekommt. Trotz moderner Infrastruktur waren die 80 Millionen Einwohner also fast vollständig isoliert. Experten zufolge war dies ein absolutes Novum.

Auch in anderen Staaten, etwa in Äthiopien, hat es schon Internet-Blockaden gegeben. Und Russland scheint ebenfalls in diese Richtung zu steuern. Von der logistischen Komplexität her habe das jüngste Störmanöver von Teheran aber alles Bisherige übertroffen, sagen die Experten. Die Entwicklung hin zu mehr Online-Zensur durch autoritäre Regierungen habe damit eine ganz neue Ebene erreicht.

„Es wird verzweifelt versucht, den Informationsfluss innerhalb eines Landes komplett zu kontrollieren und zu gewährleisten, dass die Regierung ein Monopol auf Information hat“, sagt Adrian Shahbaz, der für die in Washington ansässige Organisation Freedom House zum Thema Technologie und Demokratie forscht.

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Trotz der eigentlich offenen Struktur des Internets können repressive Staaten mit einer Kombination aus technischen Mitteln und politischem Druck erheblich eingreifen. Vor allem in Zeiten von Unruhen oder Massenprotesten geschieht dies immer wieder. Eine gezielte Drosselung des Tempos kann etwa die Verbreitung von Videos mit Polizeigewalt erschweren. Oft werden auch bestimmte Dienste wie die Google-Suche blockiert. Zuletzt war dies in Venezuela mehrfach der Fall.

Die Regierung in Teheran kann den Zugang ihrer Bürger zum Internet einschränken, weil es nur zwei größere „Gateways“ gibt, über die das Land mit dem globalen Netz verbunden ist, beide sind unter staatlicher Kontrolle. Anlass für das jüngste Einschreiten waren die Benzin-Proteste, die Berichten zufolge bereits etwa 100 Städte erfasst hatten.

Nach dem recht deutlichen Preisanstieg hatten viele Autofahrer ihre Autos einfach entlang von größeren Schnellstraßen abgestellt und sich den Demonstrationen angeschlossen. In einigen Städten kam es zu Gewalt. Sicherheitskräfte haben 180 mutmaßliche Anführer der Proteste festgenommen. Dabei handele es sich um Monarchisten sowie oppositionelle Volksmudschaheddin, wie der Nationale Sicherheitsrat mitteilte.

Amnesty International berichtete von mindestens 115 Menschen, die von den Sicherheitsbehörden getötet worden seien. Die iranischen Behörden hatten nach Beginn der Proteste neun Tote gemeldet, diese Mitteilung aber in den darauffolgenden Tagen nicht mehr aktualisiert.

Inzwischen hat sich die Lage auf den Straßen etwas beruhigt. Aus Sicht der Regierung scheint die Gefahr damit vorerst vorbei zu sein. Am Donnerstag sei die Einwahl über Festnetzverbindungen in privaten Haushalten zum Teil wieder möglich gewesen, sagt Mahsa Alimardani, Doktorand am Oxford Internet Institute und Mitglied der Menschenrechtsorganisation Article 19.

Anders als in China, wo das Internet schon seit langer Zeit zentral kontrolliert wird, entstanden im Iran zunächst dezentrale Strukturen. Nach den Protesten von 2009, die wegen einer umstrittenen Wahl ausgebrochen waren, erhöhten die Behörden der islamischen Republik die Hürden für einen freien Informationsaustausch aber Schritt für Schritt.

Internet-Blockade kostet Wirtschaft Millionen

Auch im Iran wird das Internet aber natürlich nicht nur von politischen Aktivisten genutzt, sondern auch von nationalen Unternehmen. Die Blockade in der zurückliegenden Woche dürfte Schätzungen zufolge daher einen wirtschaftlichen Schaden von etwa 300 Millionen Dollar (270 Millionen Euro) verursacht haben. Wäre das Land nicht wegen internationaler Sanktionen ohnehin schon von vielen Märkten abgeschnitten, wäre der Schaden womöglich noch sehr viel größer gewesen.

Scharfe Kritik am iranischen Vorgehen äußerte auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Er bezeichnete Teheran als „das weltweit größte Terror-Regime auch gegen die eigenen Bürger.“ Der Iran greife nicht nur seine Nachbarn an, sondern auch seine Bürger, sagte Benjamin Netanjahu am Sonntag nach Angaben seines Büros bei einer Kabinettssitzung in Jerusalem.

Netanjahu sagte, der Iran sei ein „typisches Tyrannenregime“, das sein wahres Gesicht nun vor der Welt enthüllt habe. „Ich rufe alle Länder der Welt, die Frieden und Stabilität in unserer Region erzielen wollen, dazu auf, sich den Anstrengungen anzuschließen und mehr Druck auf den Iran auszuüben.“ Er forderte auch Unterstützung für Israel, „wenn es gegen diese Aggression vorgeht“. Man werde in Zukunft weiter gegen den Iran vorgehen. Israels Luftwaffe hatte mehrmals iranische Ziele in der Region angegriffen.

Trotz der Sperre weiterhin erreichbar war nach einigen anfänglichen Störungen das iranische „National Information Network“. Dieses System wurde in den vergangenen Jahren mit gewaltigen Investitionen aufgebaut und funktioniert wie eine Art landesweites Intranet, das vom Internet der restlichen Welt nahezu isoliert ist.

Mithilfe dieses nationalen Netzwerks konnten iranische Banken, Behörden und Universitäten auch während der Blockade arbeiten. Einige Institutionen, wie etwa die Zentralbank, hatten auch weiterhin Zugang zum „echten“ Internet.

Viele Iraner, die mit internationalen Partnern Geschäfte machen, nutzen im Alltag Dienste wie Telegram – eine App, die verschlüsselte Kommunikation ermöglicht. Seit 2018 haben die iranischen Zensoren auch Telegram im Visier. Aber bisher haben die Nutzer, ähnlich wie in Russland, meist Wege gefunden, die Kontrollen zu umgehen.

Versuche Teherans, eigene Alternativen zu westlichen Online-Anwendungen zu entwickeln, seien bisher nicht sehr erfolgreich, sagt Alimardani. Zu den nationalen Alternativen zählen etwa eine App für Verkehrsinformationen und ein Soziales Netzwerk.

Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit einer Überwachung dieser Dienste durch Polizei und Geheimdienste steht ihnen die Bevölkerung des Landes eher skeptisch gegenüber. Darin unterscheidet sich die Lage im Iran von der in China, wo viele heimische Entwicklungen wie etwa die Messaging-App WeChat extrem erfolgreich sind.

Auch in Russland geht der Trend inzwischen klar zu einer weitreichenden Entkoppelung vom globalen Netz. Der Kreml spricht dabei von einer Sicherung der „Internet-Souveränität“. Ein neues Gesetz soll Provider im Land zum Einsatz von staatlichen Filtern verpflichten.

Dies ermöglicht der Regierung einerseits eine Sperrung von nicht genehmen Websites und andererseits ein Überwachen der heimischen Nutzer. US-Forscher der University of Michigan warnen, dass dieses Modell sehr leicht auch in weitere Staaten „exportiert“ werden könnte.