Werbung
Deutsche Märkte schließen in 6 Stunden
  • DAX

    17.992,36
    -96,34 (-0,53%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.971,63
    -18,25 (-0,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.460,92
    -42,77 (-0,11%)
     
  • Gold

    2.338,50
    +0,10 (+0,00%)
     
  • EUR/USD

    1,0726
    +0,0025 (+0,24%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.739,16
    -2.243,67 (-3,62%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.364,87
    -17,70 (-1,28%)
     
  • Öl (Brent)

    82,85
    +0,04 (+0,05%)
     
  • MDAX

    26.322,93
    -23,14 (-0,09%)
     
  • TecDAX

    3.294,71
    -4,89 (-0,15%)
     
  • SDAX

    14.148,40
    -59,23 (-0,42%)
     
  • Nikkei 225

    37.628,48
    -831,60 (-2,16%)
     
  • FTSE 100

    8.090,87
    +50,49 (+0,63%)
     
  • CAC 40

    8.054,17
    -37,69 (-0,47%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.712,75
    +16,11 (+0,10%)
     

Investoren verlieren das Vertrauen in europäische Aktien

Europa steht vor enormen Herausforderungen. Innenpolitische Krisen in wichtigen EU-Mitgliedsländern bestimmen die Schlagzeilen, der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Union ist weiter ungeregelt, und der Handelsstreit mit den USA spitzt sich zu.

Als wäre das nicht genug, bringt der Kurswechsel der Europäischen Zentralbank neue Unsicherheit: Nachdem sie die Märkte jahrelang mit Geld geflutet und beruhigt hat, dreht die EZB langsam den Geldhahn zu. All das hat Folgen für die europäischen Aktienmärkte. Europa, das US-Präsident Donald Trump schon als neuen „Gegner“ ausgerufen hat, verliert das Vertrauen der Investoren.

Unter dem Strich gewichten nur noch zwölf Prozent der Profianleger europäische Aktien in ihrem Portfolio über. Das ist das Ergebnis der aktuellen Monatsumfrage der Bank of America Merrill Lynch unter rund 180 internationalen Großinvestoren, die insgesamt mehr als 540 Milliarden Dollar verwalten. Das Blatt hat sich damit gewendet: Vor gut einem Jahr lag die Übergewichtung europäischer Aktien noch bei 58 Prozent.

So wenig gefragt wie aktuell waren europäische Papiere zuletzt im Dezember 2016, also wenige Monate nach dem Brexit-Votum der Briten. Zu den Häusern, die ihre europäischen Anlagen zurückgefahren haben, gehört die traditionsreiche Investmentboutique Edmond de Rothschild.

WERBUNG

Vor einem Jahr hätten die Märkte nach dem Sieg des sozialliberalen Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl noch aufgeatmet, doch jetzt „sind die politischen Risiken mit voller Wucht zurückgekehrt“, betonen die Vermögensverwalter. Die Regierungskrisen in Großbritannien, Deutschland, Spanien und Italien sowie die politische Instrumentalisierung der Flüchtlingskrise zeigten die Schwächen des EU-Aufbaus.

Zweifel am Aufschwung

Noch schwerer wiegt aktuell aber der Handelsstreit mit den USA unter Präsident Donald Trump. „Er schürt Zweifel am wirtschaftlichen Aufschwung, auch wenn es dazu noch keine harten Zahlen gibt“, sagt Jürgen Hackenberg, Europa-Aktienchef beim genossenschaftlichen Fondshaus Union Investment: „Bislang geht es vor allem um Stimmungen, aber Investoren fürchten, dass Unternehmen angesichts des Handelsstreits ihre Investitionen kürzen und künftig weniger verdienen werden.“

Die Ökonomen und Strategen der Schweizer UBS haben grob kalkuliert, was ein eskalierender Handelsstreit für die Märkte bedeuten könnte: Die Gewinne der europäischen Unternehmen würden in einem solchen Szenario – gemessen am Aktienindex Stoxx Europe 600 – in den nächsten beiden Jahren um insgesamt fünf Prozent sinken. Der Index könnte um knapp sieben Prozent fallen.

Dass die Aktienmärkte nicht noch stärker einbrechen, begründen die Strategen mit dem schwächeren Euro. Außerdem hätten die Märkte bereits gelitten – vor allem der exportlastige deutsche Leitindex (siehe Grafik). Der Dax hat, ausgedrückt als Kursindex, seit Jahresanfang bereits knapp sechs Prozent verloren.

Nur dank der herkömmlichen Berechnung, die die Dividenden einbezieht, kommt das deutsche Börsenbarometer auf ein Minus von „lediglich“ rund drei Prozent. Doch selbst damit schneidet der Dax schlechter ab als viele andere europäische Benchmarks, die als Kursindizes berechnet werden.

Die UBS-Kalkulation geht davon aus, dass die USA die angedrohten Zölle auf Autos von über 20 Prozent ebenso einführen wie die Zusatzzölle von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar. Auch ein entsprechender Gegenschlag Pekings ist einkalkuliert. Vor anderthalb Wochen haben beide Seiten bereits Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren im Wert von je 34 Milliarden Dollar erhoben.

Seit Anfang Juni sind die US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl- und von zehn Prozent auf Aluminiumimporte in Kraft, die Trump im März per Tweet angekündigt hatte. Der US-chinesische Disput könnte weitere Kreise ziehen. Europa hat im Fall eines Handelskriegs besonders viel zu verlieren. So schätzt die französische Regierung, dass ein sich ausweitender Konflikt drei Prozent der Wirtschaftsleistung der USA und Chinas kosten würde.

Die EU wäre sogar mit einem vierprozentigen Rückgang betroffen. Noch härter wäre die Situation für kleine unabhängige europäische Volkswirtschaften wie die Schweiz. Folgerichtig ist die Schweizer Börse in diesem Jahr mit einem Minus von sechs Prozent die größte Verliererin Westeuropas.

Hausgemachte Probleme

Doch selbst wenn sich die USA und China wieder vertragen: Europas Börsen stehen schwere Zeiten bevor. „Viele hausgemachte Probleme sind noch nicht gelöst“, sagt Joachim Schallmayer, Chef-Aktienstratege bei der Dekabank. Sorgen macht ihm vor allem Italien, womit er nicht alleinsteht.

36 Prozent der Europa-Investoren würden laut der aktuellen Merrill-Umfrage italienische Aktien in ihren Portfolios auf Jahressicht untergewichten. Im September verhandeln in Rom die Regierungspartner aus systemkritischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsgerichteter Lega über den Haushalt. „Dann werden die geplanten Mehrausgaben des hochverschuldeten Landes konkret und dürften die Investoren erneut verunsichern“, fürchtet Schallmayer.

Das dürfte nicht nur Italien, sondern ganz Europa in Mitleidenschaft ziehen, auch den bisherigen Hoffnungsträger Portugal. Der Lissabonner Leitindex PSI 20 hat seit Januar gegen den Trend über vier Prozent gewonnen. „Er kommt aber wie auch die Börsen in Italien und Spanien von geringeren Niveaus und hat – anders als der Dax – zwischenzeitlich keine neuen Rekordhochs markiert“, betont Hackenberg.

Man dürfe den portugiesischen Börsenerfolg daher nicht überbewerten. Etwas anders sieht es in Frankreich aus: Laut der Merrill-Umfrage gewichten 18 Prozent der europäischen Fondsmanager französische Aktien über.

Frankreich ist damit bei Anlegern so beliebt wie kein anderes Land in Europa. Konjunkturbarometer wie die Einkaufsmanagerindizes fielen hier zuletzt besser aus als in den meisten anderen Euro-Ländern.

„Frankreich war lange das Sorgenkind Europas, hat aber unter Macron positive Reformen eingeleitet, und auch die Unternehmen investieren wieder mehr“, meint Hackenberg. Die Kollegen von Nordea Asset Management setzen ebenfalls auf Frankreich – und leiten Zuversicht für Europa ab: „Ein starkes Frankreich dürfte auch Deutschlands wirtschaftlichen Anstrengungen Rückenwind geben“, sagt Fondsmanager Tom Stubbe Olsen.

Die EU könne so negativen Entwicklungen andernorts, etwa in Italien, besser entgegentreten. Und das ist nicht das einzige Hoffnungszeichen. Hinzu kommt, dass europäische Aktien aufgrund der politischen Unsicherheit deutlich günstiger geworden sind. „Die Kurse sind stärker gesunken als die Gewinnerwartungen, gerade im Dax“, betont Schallmayer von der Dekabank.

Bezogen auf die nächsten zwölf Monate sei der Dax mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12,4 deutlich günstiger bewertet als zum Beispiel der US-Index S & P 500 mit einem KGV von 16,6. Das mache eine Erholung bei Europa-Titeln wahrscheinlich und begrenze das Abwärtspotenzial.

Voraussetzung ist allerdings, dass der Handelsstreit nicht noch weiter eskaliert und sich zu einem Handelskrieg ausweitet, der eine globale Rezession auslöst. In diesem Fall ist ein Crash an den Weltbörsen nicht zu vermeiden: Der Stoxx Europe 600 würde um fast ein Viertel einbrechen und damit noch deutlicher als die US-Aktienmärkte, prognostizieren die UBS-Analysten.

Leicht von der Hand zu weisen ist das Risiko eines ausgewachsenen Handelskriegs samt weiterer Zölle und Gegenzölle nicht, im Gegenteil: 60 Prozent der von Merrill Lynch befragten Investoren sehen ihn als die größte unerwartete Gefahr für die Märkte seit der Eskalation der Euro-Schuldenkrise im Sommer 2012.

Damals drohte die Euro-Zone auseinanderzubrechen: Griechenland hatte seine Anleihen umgeschuldet, worauf Anleger auch in Italien, Spanien und Irland um ihr Geld fürchteten. Erst EZB-Chef Mario Draghi konnte die Investorenflucht mit seinen berühmt gewordenen Worten stoppen, dass die EZB alles tun werde, um den Euro zu retten. Doch dieses Pulver ist nun verschossen.

Einen großen Spielraum in der Geldpolitik hat die EZB nicht mehr. Daher wird sie nur noch in begrenztem Umfang helfen können, sollte der Handelsstreit zum Handelskrieg mutieren. Europas Börsen stehen vor einem gefährlichen Härtetest.