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Warum Investoren europäische Aktien verschmähen

Vielleicht ist es einfach Reue. Noch im vergangenen Jahr hatten Investoren so viel Geld in europäische Aktien gesteckt wie noch nie. Doch jetzt scheinen sie von den schwachen Erträgen offenbar geschockt zu sein.

Globale Fonds-Investoren ziehen sich so schnell wie noch nie aus dem Markt zurück. Und das, obwohl die Dividenden im Euro Stoxx 50 derzeit im Schnitt 3,7 Prozent mehr Gewinn bringen als Anleihen. Von BNP Paribas bis Siemens sind die Unternehmen des Index im Durchschnitt außerdem um ein Viertel günstiger zu haben als der S&P 500.

Doch die Marktteilnehmer sehen das europäische Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne im Moment so pessimistisch wie seit Oktober vergangenen jahres nicht mehr. Anleger sind enttäuscht von den mehrfachen Kurskorrekturen seit 2012, die trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – einer expansiven Geldpolitik, der schwachen Gemeinschaftswährung, niedriger Ölpreise und zuletzt dem Brexit-Votum an den Märkten durchgeschlagen haben.

Noch 2015 steckten Investoren aus der ganzen Welt 123 Milliarden Dollar in europäische Aktien. Die Hälfte davon wurde seit Januar allerdings schon wieder abgezogen. Das zumindest geht aus einer Untersuchung der Bank of America hervor, die sich auf Daten von EPFR Global beruft, einen Finanzmarktdienstleister, der sich auf die Mittelflüsse von Fondsgeldern spezialisiert hat.

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„Es schien, als wären alle nötigen Mittel vorhanden, um Europa zum Glänzen zu bringen“, sagt Caroline Simmons, stellvertretende Leiterin für britische Investments bei UBS Wealth Management in London. Doch die Erträge seien letztlich nicht zustande gekommen. UBS Wealth Management verwaltet weltweit 937 Milliarden Dollar. Simmons rät zu US- statt europäischen Aktien. „Die Anleger glauben offenbar, dass die Zeit für europäische Titel wohl auch in Zukunft nicht kommen wird, wenn sie schon bislang nicht kam“, erklärt Simmons.

Die Abflüsse haben vor allem in den vier Wochen nach dem Brexit-Votum vom 23. Juni stark zugenommen. Allein in diesem Zeitraum zogen die Investoren 21,5 Milliarden Euro aus europäischen Wertpapieren ab. Selbst die Zusicherungen des EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass die politischen Entscheidungsträger schon nicht zögern würden, wenn nötig weitere Anreize an den Märkten zu schaffen, kann die Investoren nicht beruhigen.

Seit Jahresbeginn hat der Euro Stoxx 9,6 Prozent seines Wertes verloren. Vor allem im Januar und Juni sind die Verluste mit mehr als sechs Prozent deutlich ausgefallen. In Italien belaufen sich die Verluste seit Anfang Januar sogar auf ein Fünftel, in Portugal, Spanien und Irland sind es immer noch neun Prozent. Im Gegensatz dazu stieg der S&P 500 um 6,4 Prozent, der MSCI Asien um 1,5 Prozent.

Schnell kassierten Analysten ihre Wachstumsprognosen bei Gewinnen und Kurszuwächsen, als der Euro Stoxx 50 im Februar auf seinen tiefsten Stand seit 2013 fiel – 2.673 Punkte. Besonders hart gebeutelt wurden Bankaktien, mit einem Anteil von einem Fünftel die bedeutendste Branche des europäischen Leitindex. Schließlich machten sich Sorgen breit, ob die expansive Geldpolitik der EZB tatsächlich die Wirtschaft ankurbelt kann.

Mittlerweile gehen Analysten davon aus, dass die Gewinne europäischer Unternehmen 2016 um 2,5 Prozent fallen werden und der Euro Stoxx 50 wohl das mieseste Jahr seit dem Gipfel der Schuldenkrise im Jahr 2011 bilanzieren wird. Damals sackte der Index um 9,2 Prozent ab.


Politik schlägt Investoren in die Flucht

Der jüngste Rückzug aus europäischen Aktien ist ein weiterer Rückschlag für einen Kontinent, der auch acht Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise mit deren Folgen zu kämpfen hat. Mit Ausnahme eines Jahres wuchs die amerikanische Wirtschaft seit 2009 immer stärker als jene der Euro-Zone. Und die Prognosen für die Jahre 2016 und 2017 sehen wenig aufmunternd aus. Statt eines Wirtschaftswachstums von 1,5 Prozent erwarten Ökonomen in der Euro-Zone mittlerweile nur noch 1,2 Prozent.

„Das Wachstum hat nie richtig eingesetzt. Dazu kommt nun die Angst, dass sich der Trend umkehren könnte“, sagt Kevin Lilley, der für Old Mutual Global Investors in London europäische Aktieninvestments managt. Sein Arbeitgeber, der 34 Milliarden Dollar verwaltet, agiere ebenfalls defensiver. Statt auf Aktien von Banken und Autobauern setzt das Unternehmen nun verstärkt auf Titel von Energieversorgern und aus dem Gesundheitswesen.

Dennoch: Weltweit sind Aktien derzeit teurer als im Schnitt der vergangenen drei Jahre. Der Euro Stoxx 50 ist im Vergleich billiger. Peter Garnry von der Saxo Bank hält die Situation im Moment daher für eine Einstiegsgelegenheit. „Sich jetzt von europäischen Aktien abzuwenden, ist falsch“, sagt Garnry, Leiter der Aktienstrategie bei der Saxo Bank. Sein Institut glaubt an eine positive Entwicklung europäischer Titel. „Der Abschlag ist im Moment einfach zu groß“, schätzt Garnry. Schließlich zeigten ökonomische Daten, dass es für die Wirtschaft in Europa besser laufe als in den . Und wenn die Konjunktur in China anziehe, könne davon auch Europa davon profitieren.

In der Tat hat sich die Industrie in Europa in vier der vergangenen fünf Monate besser entwickelt als in den USA. In China scheint die Wirtschaft auf die jüngsten Konjunkturprogramme anzuspringen. Im ersten Halbjahr 2016 sei das Bruttoinlandsprodukt um 6,7 Prozent gewachsen und damit leicht stärker als erwartet. Schätzungen der US-Bank Morgan Stanley zufolge machen europäische Firmen acht Prozent ihrer Geschäfte in China – bei den US-Unternehmen sind es nur drei Prozent.

Letztlich sei es die Zunahme politischer Unsicherheiten gewesen, die Patrick Moonen von NN Investment Partners zum Verkaufen europäischer Aktien trieb. Ihm zufolge sei es einfach zu schwer, die Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum abzuschätzen. Nicht nur das Brexit-Votum verunsichert ihn. Auch in Spanien bleibt die Lage labil. Nach zwei Wahlen ist die Politik noch immer nicht in der Lage, eine stabile Regierung zu formen. Populistische Parteien sind auf dem Vormarsch und bedrohen die etablierten Parteien.

Das wiederum verunsichert die Akteure an den Finanzmärkten, da sie nicht wissen, welche Folgen dies für ihre Vermögensanlage hat. Im nächsten Jahr stehen in Frankreich und Deutschland Wahlen an. Schon im Herbst stimmt Italien über eine Verfassungsreform ab, die in einer Stärkung der Euro-skeptischen Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo gipfeln könnte.

„Es gibt einen Punkt, an dem es sich einfach nicht mehr lohnt, ein Risiko einzugehen“, sagt Moonen von NN Investment Partners. Das Unternehmen verwaltet 200 Milliarden Dollar. Statt europäische Aktien empfiehlt er Titel aus Schwellenländern. „Wenn so viel Lärm von der Politik ausgeht, schauen sich Investoren eben lieber woanders um.“

KONTEXT

Die besten Anlagen im ersten Halbjahr 2016

Aktien USA

Zu Jahresbeginn ging es auch für die großen US-Aktienindizes kräftig nach unten, später erholten sich die Börsen jedoch - anders als in Europa wieder deutlich - und steuerten sogar auf neue Jahreshochs zu. Der Brexit verhagelte auch US-Anlegern die Stimmung. Dennoch liegt Leitindex Dow Jones auf Halbjahressicht 2,9 Prozent im Plus. Für Euro-Anleger ist der Gewinn etwas geringer, aus 100.000 investierten Euro wurden für sie aber immerhin 100.720 Euro.

Aktien Schwellenländer

Die Aktien der Schwellenländer haben sich insgesamt von ihrem Absturz des vergangenen Jahres erholt als der MSCI Index für Emerging Markets noch um 16 Prozent abgestürzt war. Im ersten Halbjahr 2016 legte der auf Dollar lautende Index gut fünf Prozent zu. In Euro gerechnet blieb ein Plus von 3,07 Prozent - aus 100.000 Euro machten Anleger 103.070 Euro.

US-Staatsanleihen

Die Unsicherheit der Investoren hat US-Staatsanleihen Zulauf beschwert Dazu kommt, dass Investoren inzwischen nicht mehr daran glauben, dass die US-Notenbank Fed ihren im Dezember vergangenen Jahres ganz vorsichtig eingeleiteten Zyklus der Leitzinserhöhungen fortsetzt. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in US-Staatsanleihen gesteckt hat, hat jetzt 103.320 Euro.

Euro-Unternehmensanleihen

Seit Juni kauft die Europäische Zentralbank (EZB) Euro-Anleihen von Unternehmen abseits der Bankbranche mit guter Bonität. Die Käufe beziehungsweise schon vorher die Erwartung der EZB als neuen großen Investor trieben die Kurse. Gemessen am Index der Bank of America Merrill Lynch verdienten Anleger mit den Firmenbonds 5.350 Euro, wenn sie im Januar 100.000 Euro investierten.

Deutsche Staatsanleihen

Bundesanleihen sorgten im ersten Halbjahr für viel Aufsehen. Die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank, die Niedrigzinsen und die Unsicherheit der Anleger über die wirtschaftliche Entwicklung bescherten den deutschen Staatsanleihen regen Zulauf. Selbst die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe rentiert im Minus, am Tag nach dem Brexit-Entscheid fiel sie auf bis zu minus 0,17 Prozent. Für Anleger, die gleich zu Jahresbeginn 100.000 Euro in deutsche Staatsanleihen investierten machten damit Gewinn aus den minimalen Zinsen und den deutlichen Kurssteigerungen von 6.800 Euro.

Anleihen Schwellenländer

Die Anleihen der Schwellenländer haben sich kräftig erholt. Das liegt auch daran, dass die US-Zinswende stockt und die Renditen der US-Staatsanleihen so deutlich gefallen sind. Außerdem haben sich die Fundamentaldaten in vielen Emerging Markets verbessert. Euro-Anleger machten mit auf Dollar lautenden Staatsanleihen gemessen am Index von JP Morgan einen Gewinn von 10.160 Euro, wenn sie am Jahresanfang 100.000 Euro investierten.

Gold

Gold glänzte nach einer fünfjährigen Talfahrt wieder. Zum einen sorgte die Unsicherheit der Anleger mit Blick auf die Weltwirtschaft für die Flucht in die Krisenwährung Gold. Zum anderen machen die Negativrenditen vieler Staatsanleihen in der Euro-Zone und in Japan Gold als Anlage erneut attraktiver. Allein im Juni stieg der Goldpreis um 8,5 Prozent. So stark ist er in einem Juni zuletzt im Jahr 1980 gestiegen. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in Gold investierte hat nach einem halben Jahr 122.860 Euro.

Öl

Der Ölpreis fiel zwar bis Ende Januar auf ein Zwölfjahrestief von rund 27 Dollar, setzte dann aber zu einer Rally an und kostet aktuell rund 50 Dollar. "Das liegt vor allem, dass die USA deutlich weniger Öl produzieren", erklärt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. In Euro gerechnet wurden aus 100.000 am Ölmarkt investierten Euro auf 130.450 Euro.

Sojabohnen

Auftrieb gab es auch bei vielen Agrarrohstoffen, die ebenfalls ihre jahrelange Talfahrt stoppten. Hauptgründe dafür waren Dürren und extreme Wetterlagen, die teils die Ernte bedrohen. Allen voran stieg der in Dollar notierte Preis für Sojabohnen um fast 35 Prozent. Aus 100.000 in den Agrarrohstoff investierten Euro wurden so im ersten Halbjahr 131.800 Euro.

Aktien Peru

Die Börse in Peru ist als Überraschungsaufsteiger weit nach vorne gerückt, nachdem die Kurse zuvor fast vier Jahre stetig gefallen waren. Aus 100.000 an der Börse in Lima investierten Euro wurden in diesem Jahr bislang 142.990 Euro. Die US-Bank Goldman Sachs sieht Peru "makrookönomisch in optimaler Verfassung" mit zunehmenden Wirtschaftswachstum und sinkender Inflation. Allerdings sind die Umsätze an der Börse gering, und dort sind nur wenige Werte notiert.

Aktien Brasilien

Der brasilianische Bovespa-Index legte in den ersten sechs Monaten des Jahres zweistellig zu, nachdem er im Januar noch auf ein Siebenjahrestief gefallen war. Da auch der zuvor unter die Räder gekommene Real deutlich aufwertete machten Anleger die 100.000 Euro in Brasiliens Leitindex investiert haben, daraus im ersten Halbjahr 143.420 Euro. Besser schnitt keine andere Anlage ab. Dabei setzen Anleger nach der Ablösung von Präsidentin Dilma Rousseff auf ein Ende des politischen Stillstands und auf Reformen. Aber: Brasilien steckt nach wie vor in der Rezession, als wirtschaftlich gerechtfertigt, gilt der Börsenaufschwung in dieser Form nicht.

Schlussstand für alle Werte: 30.06.2016, Angaben ohne Transaktionskosten