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Die Influencerin der Herzen

Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Helene Fischer ist sie vielleicht die Frau mit dem höchsten Bekanntheitsgrad in Deutschland: 35 Jahre lang stand Marie-Luise Marjan als Helga Beimer für die "Lindenstraße" vor der Kamera. Nun wird sie 80 Jahre alt.

"Die 'Lindenstraße' ist unsterblich!" - Als Marie-Luise Marjan diesen Satz unlängst im Interview zu Protokoll gab, klang das weder aufgesetzt noch sonderlich trotzig, sondern es war eine nüchterne Festestellung. Eine Aussage, an der auch jetzt, vier Monate nachdem die letzte Folge von Hans W. Geißendörfers Kultserie ausgestrahlt wurde, nicht zu rütteln ist. Denn die "Lindenstraße" bleibt wohl auch als Erinnerung immer ein fester Bestandteil deutscher Kultur, und gerade in Zeiten, als Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie weitgehend stillgelegt wurden, klagten nicht wenige schon unter dem Verlustschmerz: Sie fehlen diesem Land, die alltagsnahen Geschichten vor aktuellem gesellschaftlichen Hintergrund. Wo wird all der Wahnsinn, der sich in deutschen Wohnzimmern abspielt, jetzt noch reflektiert?

Die Lücke, die die Einstellung des einstigen Dauerbrenners gerissen hat, muss man weißgott nicht kleiner reden, als sie ist. Aber das Leben geht weiter - ein Satz, der zweifellos auch von Marie-Luise Marjan stammen könnte. Die Schauspielerin, die am 9. August ihr 80. Lebensjahr vollendet, formuliert es aber ein wenig anders: "Mir wird nie langweilig", sagt sie.

Auch ihr fehle die Serie, "wie vielen anderen Menschen auch", betont Marie-Luise Marjan. Und man dürfe nicht vergessen: "Die 'Lindenstraße' war auch für die Fans ein Teil ihres Lebens." Es scheine "wirklich so", erklärte sie unmittelbar vor dem ultimativen Serienende, "als würde man den Fans ein Stück Familie wegnehmen. Das besondere Verhältnis der Zuschauer zum Geschehen und die Dramaturgie waren immer das Erfolgsgeheimnis der 'Lindenstraße."

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Ja, über ihre Serie, über die Relevanz jener Fernsehproduktion, die sie in der Rolle der "Mutter Beimer" von der allerersten Folge am 8. Dezember 1985 an an vorderster Stelle mitprägen durfte, hat Marie-Luise Marjan stets sehr lange und erstaunlich analytisch zu dozieren verstanden. "Sonntag, 18.50 Uhr, im Ersten, das war für mich wie für so viele andere Menschen in diesem Land all die Jahre ein Pflichttermin - ich habe kaum eine Folge verpasst", sagt Marie-Luise Marjan und geht in die Tiefe: "Es gab immer eine Art Symbiose zwischen den Figuren und den treuen Fans", erklärte sie noch kurz vor dem großen Finale Ende März. "Hans Geißendörfer hatte schon ganz am Anfang gesagt: 'Uns wird man eines Tages vermissen, wenn die Serie zu Ende gehen sollte, denn wir werden so bekannt wie die 'Tagesschau.' Was er meinte: Die Menschen haben sich an uns gewöhnt, sie haben uns liebgewonnen, wir gehörten für viele ganz einfach zu ihrem Leben dazu. Genau das sorgt nun für Trennungsschmerz."

"Haut eines Rhinozeros und die Empfindsamkeit einer Pusteblume"

Die "Lindenstraße" war Marie-Luise Marjans Profession und zu weiten Teilen auch ihr Leben. So kommt es, dass die Schauspielerin über sich als Privatperson grundsätzlich eher wenig Aufhebens macht. "Irgendwie war die 'Lindenstraße' wirklich meine Familie, da sind so viele Freundschaften entstanden, für immer", bestätigt sie. Der Rest, also dass sie 35 Jahre mit allen Höhen und Tiefen einer solchen Produktion und der damit verbundenen Öffentlichkeit hat durchstehen können, sei für sie "eine Frage der Berufseinstellung", wie sie betont. "Ich sage immer, als Schauspieler muss man die Haut eines Rhinozeros und die Empfindsamkeit einer Pusteblume haben."

War es wirklich so schlimm? - "Ich musste immer meinen Kopf hinhalten", erinnert sich Marie-Luise Marjan. Sie lacht, aber es klingt ein wenig gequält. "Für alles und jedes war ich der Ansprechpartner. Sie glauben gar nicht, womit ich alles konfrontiert war. Wenn mein Seriensohn mal klaute, riefen mich junge Väter an, die zu Hause mit ihrem Kind ähnliche Probleme hatten, und baten mich um Rat. Ehefrauen, deren Männer fremdgingen, weinten am Telefon. Und - damals gab es ja noch keine Mails - ich bekam haufenweise Briefe." Sie betont, dass sie alle beantwortet hat. "Viele habe ich aufgehoben, sie stapeln sich immer noch bei mir zu Hause. Alles Erinnerungen ..."

"Man muss sich beides erarbeiten - die Popularität und das soziale Engagement"

Was für sie ebenfalls zur Einstellung gehört, ist das soziale Engagement. Marie-Luise Marjan, die keine Kinder hat und trotz, wie sie sagt, "nur langjähriger Beziehungen", nie verheiratet war, erklärt, dass sie diese Tätigkeit "nun beinahe voll und ganz beansprucht". Marjan: "Ich bin seit 30 Jahren bei UNICEF im Komitee, Fördermitglied bei den Maltesern und seit 30 Jahren bei der Organisation 'Plan international' aktiv mit fünf Patenkindern. Anlässlich meines 70. Geburtstages habe ich die Marie-Luise-Marjan-Stiftung gegründet. Ich wuchs bei Pflegeeltern auf, mir wurde in meiner Kindheit sehr viel geholfen - und ich möchte etwas zurückgeben. In Hamburg an der Schauspielschule bekam ich ein Stipendium. Die Stadt Hattingen, wo ich aufgewachsen bin, hat mich als junge Darstellerin finanziell unterstützt." Es sei "wunderbar", dass ihr die Popularität der "Lindenstraße" so viele Türen geöffnet habe. "Aber man muss sich beides erarbeiten - die Popularität und das soziale Engagement."

Auch dass Marie-Luise Marjan noch immer voller Energie ist, habe mit dem Beruf zu tun, unterstreicht sie. Außerdem müsse man "immer auf sich achten, sich pflegen, einen gewissen Rhythmus im Leben haben". Wie sich das bei ihr darstellt? - "Ich gehe zeitig ins Bett, weil ich nach dem Motto lebe: 'Was ich nicht vor Mitternacht erlebe, erlebe ich auch nicht danach." Das Allerwichtigste sei aber, dass sie "die Dinge immer positiv" sehe. "Ich bin eigentlich immer fröhlich, sehe nur das Gute, ich bin neugierig und immer bereit, dazuzulernen", erklärt die Schauspielerin im Interview und offenbart im nächsten Satz eine Geschäftstüchtigkeit, die beweist, dass sie auch in der Zeit nach der "Lindenstraße" gut aufgestellt ist: "Wenn Sie noch mehr wissen wollen, habe ich einen Tipp: Dann lesen Sie doch einfach meine beiden Biografien: 'Denk jetzt nicht, du kannst schon alles' und 'Ganz unerwartet anders. Ich suchte meinen Vater und fand eine Großfamilie!"

"Angebote von mehreren Theatern"

Womit beinahe alles gesagt wäre. Vielleicht eines noch: Helga Beimer, die einst als "Mutter der Nation" zur TV-Legende wurde, möge man nach Auffassung ihrer Darstellerin wie folgt in Erinnerung behalten: "Als eine mutige, humorvolle, emotionale Frau. Eine Frau, die Leid ertragen und Probleme lösen konnte. Eine moderne Frau, weil sie nie in diesen Kategorien dachte - modern oder unmodern, das war nicht ihr Thema, sie hatte Wichtigeres zu tun."

Laut Marjan war Helga Beimer "Hausfrau, sie war berufstätig, sie war Betrogene, sie war Geliebte, sie war Mutter und Ehefrau. Sie war eine Frau, die sich immer treu blieb und mit Leib und Seele Frau war". Deswegen, so die Überzeugung der Fast-80-Jährigen, identifizieren sich auch nach wie vor so viele mit ihr. "Eine ganze Generation ist zusammen mit Helga gealtert", befindet Marie-Luise Marjan und schließt im ihr eigenen heiligen Ernst: "Wie viele Leute ich mit meiner Arbeit erreicht habe, zum Teil tief in ihren Herzen, ich war in über 1.000 Folgen dabei - mehr Influencerin geht doch gar nicht!"

In aktuellen Interviews anlässlich ihres runden Geburtstages ließ "Influencerin" Marie-Luise Marjan jüngst keinen Zweifel daran, dass in Sachen Reichweite nicht noch ein wenig nachgelegt werden könnte. Sie habe "Angebote von mehreren Theatern", ließ sie dieser Tage wissen. Auch beim Fernsehen sei "etwas in Aussicht". Selbst das Thema Liebe hat sie nicht abgehakt. Warum auch! - "Verlieben kann man sich immer noch, auch mit 100", verriet die Schauspielerin der Zeitschrift "Bunte". "Er muss Humor haben, unternehmungslustig und fröhlich sein - und schlank, höchstens ein ganz kleines Bäuchlein haben."