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Ineos plant größte Chemieinvestition in Europa

Das neue Jahr hat für die Chemiebranche denkbar schlecht begonnen. Hausgemachte Probleme drücken die Stimmung, die Konjunkturabkühlung in China und Europa vermiest die Prognosen. Eigentlich schlechte Vorzeichen für Investitionen. Der schweizerisch-britische Petrochemie-Konzern Ineos sieht das anders – und geht das bisher teuerste Einzelprojekt in der europäischen Chemiebranche an.

Für rund drei Milliarden Euro will der Konzern einen neuen Cracker samt Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) im belgischen Antwerpen errichten. Ineos-Chef Jim Ratcliffe glaubt, dass die Gruppe damit auch ein Signal setzen kann für ein Comeback der europäischen Petrochemie. „Wir glauben, dass dieses Investment Jahre des Niedergangs der europäischen Chemie umkehren wird.“

Bei Crackern handelt es sich um Großanlagen, mit denen unter starker Hitzeeinwirkung Rohbenzin (Naphtha) oder Erdgas in chemische Grundbausteine wie Ethylen, Propylen und Butadien zerlegt wird. Solche Basischemikalien wiederum sind Grundlage für zahlreiche chemische Folgeprodukte. In PDH-Anlagen wird die Basischemikalie Propen aus Erdgas gewonnen.

Die europäische und deutsche Petrochemie ist im internationalen Vergleich in den vergangenen Jahren stark zurückgefallen gegenüber der Konkurrenz aus dem fernen und mittleren Osten sowie Nordamerika, die den Vorteil deutlich günstigerer Rohstoffe genießt. Europäische Chemiekonzerne konzentrierten sich stattdessen verstärkt auf das Geschäft mit höherwertigen Chemieprodukten.

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Neuinvestitionen in Basischemieanlagen gab es kaum noch. Der letzte neue Cracker in Europa wurde in den 90er Jahren errichtet. Europäische Konzerne errichteten ihre Basischemie-Anlagen in den vergangenen Jahren eher in den USA oder in Fernost. BASF etwa hatte im vergangenen Jahr den Bau eines zweiten Verbundstandortes in China angekündigt. Zentrum der Anlage wird ebenfalls ein großer Cracker sein.

Ratcliffe dagegen setzt weiter auf Europa. Mit dem Großprojekt in Antwerpen will er die Kostenvorteile der amerikanischen Konkurrenten auch nach Europa holen. Der neue Cracker soll, ähnlich wie die meisten Anlagen in den USA, mit Erdgas befüllt werden, während vergleichbare Anlagen in Europa bisher überwiegend auf der Basis von Erdöl arbeiten. Europäische Produzenten mussten deswegen deutliche Kostennachteile hinnehmen, sowohl gegenüber der Konkurrenz im mittleren Osten als auch gegenüber amerikanischen Wettbewerbern, die auf günstiges Schiefergas zurückgreifen konnten.

Um das zu kompensieren hatte Ineos zusammen mit Partnern massiv in Flüssiggas-Tanker und Gasterminals investiert, um so eigene Werke in Schottland, Norwegen und auf dem Kontinent mit günstigem Gas versorgen zu können. Mit dem Großprojekt in Antwerpen treibt der Chemieriese diese Strategie jetzt noch eine Stufe weiter voran.

Die Ineos-Gruppe gibt ihren Umsatz mit rund 60 Milliarden Dollar an und dürfte damit zu den fünf größten Chemiekonzernen weltweit zählen. Anders als alle großen Konkurrenten ist das Unternehmen dabei weder an der Börse notiert noch Teil eines Ölkonzerns.

Firmenchef Ratcliffe hat den Konzern gewissermaßen aus dem Nichts geschaffen und hält nach wie vor die Mehrheit des Kapitals. Der Startschuss für Ineos fiel 1998, als der gebürtige Brite und gelernte Chemieingenieur eine frühere Tochterfirma von BP erwarb, die rund 300 Millionen Euro Umsatz mit Ethylenoxid machte. In den Jahren danach folgten mehrere Dutzend weitere, fast durchweg kreditfinanzierte Akquisitionen.

In der europäischen Chemiebranche fungierte Ineos damit als eine Art Auffangbecken für jene Sparten, die bei den etablierten Akteuren in Ungnade gefallen waren. Dazu gehörten etwa die Phenolgeschäfte von Hüls in Gladbeck oder die Bayer-Tochter Erdölchemie mit einem großen Petrochemie-Standort in Köln Worringen. Größte Einzeltransaktion war der kreditfinanzierte Kauf der BP-Chemietochter Innovene für umgerechnet etwa sechs Milliarden Euro im Jahr 2005. Auch die früheren Styrol-Aktivitäten von BASF und Lanxess sind heute Teil der Ineos-Gruppe.

Die ambitionierte M & A-Strategie hatte Ineos in der Finanzkrise zwar an den Rand einer Insolvenz gebracht, erwies sich auf lange Sicht aber als ausgesprochen erfolgreich. Insgesamt umfasst das Chemiekonglomerat inzwischen gut 170 Standorte mit 19.000 Beschäftigten und einem Produktionsvolumen von rund 60 Millionen Tonnen.

Und Ratcliffe gilt heute als reichste Person Großbritanniens, mit einem Vermögen, das auf Werte zwischen elf Milliarden Dollar (Forbes) und fast 27 Milliarden Dollar (Sunday Times) geschätzt wird. Den Sitz seiner Chemie-Gruppe hat er allerdings schon 2010 in die Schweiz verlegt. Die Zentrale residiert im kleinen Städtchen Rolle am Ufer des Genfer Sees.