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Wie Inder deutsche Firmen kaufen

Natarajan Chandrasekaran, der Chef der indischen Tata-Gruppe, feiert die Einigung mit Thyssen-Krupp als Befreiungsschlag für seinen Konzern. „Wir werden ein starkes Unternehmen in Europa und damit auch ein starkes Unternehmen in Indien haben“, kommentierte der Manager die vereinbarte Zusammenarbeit im europäischen Stahlgeschäft. Von dem neuen Gemeinschaftsunternehmen verspricht er sich, die Zeit der hohen Verluste bei Tata Steel in Europa hinter sich zu lassen.

Chandrasekaran reiht sich mit dem Stahldeal ein in die Riege indischer Manager, die in Deutschland auf Partnersuche gehen. Während Übernahmen deutscher Firmen durch chinesische Konzerne zuletzt öffentliche Aufmerksamkeit erregten, bauten indische Investoren ihre Präsenz in den vergangenen Jahren vor allem abseits des medialen Scheinwerferlichtes aus. Eine bisher unveröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung, der Beratungsgesellschaft EY sowie des indischen Industrieverbands CII, die dem Handelsblatt vorliegt, liefert nun einen Einblick in die Deutschland-Geschäfte der indischen Manager.

„Viele indische Unternehmen haben nicht die Kapazitäten, selbst ausreichend in Forschung und Entwicklung zu investieren“, sagt Murali Nair, Indien-Experte der Bertelsmann-Stiftung. In der Übernahme von kleinen und mittelständischen Betrieben würden viele eine schnellere Option sehen, um sich gegen Konkurrenten zu behaupten. „Indische Investoren verhalten sich aber nicht wie die Chinesen, die mit Koffern voll Geld herumlaufen und Unternehmen kaufen“, sagt Nair. „Sie sind ein bisschen vorsichtiger.“

Von 2010 bis zum Beginn dieses Jahres zählte Nair in seiner Studie 41 größere Fusionen oder Übernahmen indischer Investoren in Deutschland mit einem Gesamtvolumen von 852 Millionen Euro. Den Höhepunkt in dieser Periode gab es im vergangenen Jahr mit insgesamt acht sogenannten M&A-Geschäften. „Das Interesse nimmt zu“, sagt Nair.

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In der Regel geht es bei den Transaktionen um Mittelständler: So schloss der indische IT-Dienstleister Wipro im vergangenen Jahr den Kauf des baden-württembergischen IT-Service- und -Beratungsunternehmens Cellent für einen Preis von 73,5 Millionen Euro ab. Der Mischkonzern Hinduja aus Mumbai kündigte ebenfalls 2016 die Übernahme der Net-m Privatbank 1891 aus München an. Im Jahr zuvor hatte die indische Industriegruppe Rotex den Klappen- und Ventilhersteller Magwen aus Sachsen-Anhalt erworben.

Deutlich verändert hat sich die Motivation der indischen Investoren für den Einstieg bei deutschen Firmen laut der Bertelsmann-Studie, für die nicht nur die einzelnen Geschäftsabschlüsse durchleuchtet, sondern auch 32 indische Vorstandschefs befragt wurden. So hätten die Firmen aus Indien vor allem möglichst billige Zukäufe gesucht, um sich in Deutschland zu etablieren. Inzwischen rücke der Wunsch, deutsche Innovationen zu erwerben, in den Vordergrund. 83 Prozent der befragten Manager geben den Technologiezugang als Hauptgrund für Deutschland-Investments an.

Wie auch nun bei der Zusammenarbeit zwischen Tata und Thyssen-Krupp hatten die indischen Investoren auch bislang keine Scheu, sich mit kriselnden Unternehmen auseinanderzusetzen.


„In vielen Fällen übernehmen am Ende die Inder“

Die asiatischen Krisenmanager mussten aber auch viele Misserfolge verkraften: Vor einem Jahrzehnt rettete der indische Textilunternehmer Rajive Ranjan die Modehauskette Wehmeyer vor der Pleite. Nur wenige Jahre später musste das Unternehmen erneut Insolvenz anmelden.

Auch der badische Automobilzulieferer Tekfor hatte wirtschaftliche Probleme, als er vor vier Jahren vom indischen Konzern Amtek Auto übernommen wurde. Nun ist Amtek selbst in einer Schieflage. Tekfor konnte sich im Sommer von dem angeschlagenen Eigentümer abnabeln, der sich Analysten zufolge bei seiner Expansion übernommen hatte. Der nordrhein-westfälische Zulieferer Küpper, den Amtek vor vier Jahren übernommen hatte, musste aber im Mai Insolvenz anmelden. Auch der thüringische Zulieferer Rege Motorenteile, der seit 2005 zu Amtek gehört, eröffnete in diesem Jahr das Insolvenzverfahren.

Die negativen Erfahrungen scheinen die Inder aber nicht abzuschrecken – im Gegenteil. Laut der Bertelsmann-Studie könnte das Engagement indischer Konzerne in Deutschland vor allem durch den EU-Austritt Großbritanniens deutlich wachsen. Die Briten sind derzeit der Hauptempfänger indischer Direktinvestitionen in Europa. Von 2010 bis Anfang 2016 verzeichneten die Studienautoren dort insgesamt 265 Investitionsprojekte, in Deutschland waren es im gleichen Zeitraum 96.

Doch das Kräfteverhältnis könnte sich bald verschieben: 90 Prozent der befragten indischen Vorstandschef sind der Meinung, dass der Brexit die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort erhöhen und somit Volumen und Vielfalt indischer Investitionen hierzulande begünstigen werde. „Deutschland wird als Insel der Sicherheit und Stabilität wahrgenommen“, sagt Nair.

Die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit deutschen Partnern – wie es auch zwischen Tata und Thyssen-Krupp vorgesehen ist – war dabei laut der Studie in der Vergangenheit eine der beliebtesten Varianten des Markteinstiegs. Eine Lektion der Studienautoren dürfte die Thyssen-Krupp-Manager dabei besonders interessieren: „In vielen Fällen wurden diese Gemeinschaftsunternehmen am Ende von den indischen Partnern übernommen.“