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Impfchaos oder Besserwisserei? Impfstoff-Strategie der Bundesregierung sorgt für Streit

Lieferengpässe, langsame Verteilung, zu wenig Impfstoff: Bund und Länder streiten über die richtige Impfstrategie. Zugleich beraten sie, wie lange das gesellschaftliche Leben stillstehen soll.

Seit knapp einer Woche wird in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Foto: dpa
Seit knapp einer Woche wird in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Foto: dpa

Die Art und Weise, wie die Bundesregierung und Europa Impfstoffe besorgt und sich gesichert haben, geriet zum Jahreswechsel in die Kritik. So kommt es bereits in der ersten Januarwoche zu Lieferengpässen des Impfstoffs. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider hatte von Impf-Chaos gesprochen und Gesundheitsminister Spahn aufgefordert, die Probleme abzustellen.

Kritik hatten auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und Fraktionsvize Dirk Wiese geäußert. Die Äußerungen vom Koalitionspartner hatte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zurückgewiesen und als „plumpe Manöver“ bezeichnet. „Wir sollten uns einfach alle auf Problemlösungen konzentrieren“, teilte er mit.

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Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, nannte die Kritik „nachträgliche Besserwisserei und parteipolitisches Klein-Klein“. Er kandidiert im Tandem mit Minister Spahn für den CDU-Vorsitz.

Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech hat indes angekündigt, mehr Impfstoff als geplant an die EU zu liefern. Das Unternehmen befinde sich „in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können“, hatte Unternehmenschef Ugur Sahin am Freitag erklärt.

Dem Magazin „Der Spiegel“, sagte Sahin, er versuche, weitere Kooperationspartner zu finden, um mehr von dem mit dem amerikanischen Konzern Pfizer entwickelten Impfstoff zu produzieren. Dies scheint nicht einfach zu sein, angesichts der neuartigen Impfstofftechnologie, dem sogenannten mRNA-Impfstoff.

Nächste Lieferung soll bald folgen

Dieser muss bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden. „Da kann man nicht einfach umschalten, sodass statt Aspirin oder Hustensaft plötzlich Impfstoff hergestellt wird. Der Prozess braucht jahrelange Expertise und eine entsprechende bauliche und technologische Ausstattung“, sagte Sahin.

Die Bundesländer haben bislang 1,3 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs erhalten. Die nächste Lieferung soll nun am 8. Januar folgen. Bis Februar sollen weitere 2,68 Millionen Impfdosen verteilt werden. Laut Robert Koch-Institut haben sich bis zum Sonntagmorgen 238.000 Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen.

Der Impfstoff von Biontech ist bislang der einzige, den die EU kurz vor Weihnachten zugelassen hat. Er wird seit wenigen Tagen verabreicht. Andere Hersteller, bei denen ebenfalls Dosen bestellt wurden, entwickeln ihre Impfstoffe noch. „Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert“, sagte Sahin dazu.

Allerdings hat Großbritannien den Impfstoff des Herstellers Astra-Zeneca trotz Rückschlägen bei Tests per Notfallzulassung genehmigt. Die Briten sollen von diesem Montag an das mit der Universität Oxford entwickelte Vakzin erhalten.

Der deutsche Virologe Christian Drosten forderte, den Impfstoff auch in Europa einzusetzen. „Dieser Impfstoff kann auch in normalen Arztpraxen geimpft werden“, begründete Drosten seine Haltung. „Bei diesem Impfstoff hat man nicht die besondere Kühlpflicht.“

Für das nächste halbe Jahr sagte der Chefvirologe der Berliner Universitätsklinik Charité kontroverse Diskussionen voraus. „Wir werden in eine Situation kommen, wo wir große Teile der Risikogruppen geimpft haben und es dann Kräfte geben wird, die sagen, dass es jetzt keinen Grund mehr gibt für Einschränkungen. Letzteres wird allerdings eine Fehleinschätzung sein, denn wir dürfen grundsätzlich keine sehr hohen Inzidenzen zulassen. Auch nicht bei den Jüngeren.“

Hält der Lockdown an?

Doch nicht nur die Impfstoff-Strategie sorgte für Diskussionen bei Bund und Ländern. Auch wurde über weitere Maßnahmen gesprochen, um die Zahl der Infektionen zu senken. An diesem Dienstag, einen Tag vor dem Dreikönigstag, werden die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder das erste Mal im neuen Jahr zusammenkommen und einmal mehr über das richtige Vorgehen in der Coronakrise beraten.

Dabei zeichnet sich ab, dass die bis zum 10. Januar beschlossenen Maßnahmen eher noch einmal verschärft werden, als dass sie bald wieder gelockert werden. Streitpunkt bleibt die Frage, ob Schulen und Kindergärten zumindest wieder öffnen.

Friedrich Merz empfahl, Schulen und Kindergärten so schnell es geht wieder zu öffnen. Er verteidigte damit Susanne Eisenmann, die für die CDU als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im März in Baden-Württemberg ins Rennen zieht. Sie hatte gefordert, dass Kindergärten und Grundschulen auf jeden Fall schon ab dem 11. Januar wieder öffnen sollten.

„Zurzeit ist an größere Lockerungen leider nicht zu denken“, sagte Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Das Infektionsgeschehen sei „weiterhin auf einem zu hohen Niveau“. Die Infektionsketten müssten unterbrochen werden. „Daran kann jeder durch die Einhaltung der Hygieneregeln vor allem im privaten Umfeld beitragen.“

„Der Winter ist und bleibt hart“

Dies scheint mehrheitlich die Meinung der Ministerpräsidenten zu sein, die sich auch bei den Abgeordneten durchsetzen soll. Entsprechend hat Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kurzfristig für diesen Montag zu einer fraktionsoffenen Sitzung eingeladen, bei der auch Kanzleramtschef Helge Braun und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) „Rede und Antwort“ zum „aktuellen Stand der Bekämpfung der Corona-Pandemie“ stehen werden.

In ihrer letzten Neujahrsansprache als Bundeskanzlerin hatte Angela Merkel (CDU) vorsorglich darauf verzichtet, hoffnungsvolle Signale auszusenden: „Es wird noch eine ganze Zeit an uns allen liegen, wie wir durch diese Pandemie kommen.“ Neben dem Impfstoff sei das Wirksamste, sich an die Regeln zu halten. „Der Winter ist und bleibt hart.“

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte zum Jahreswechsel, Corona habe das Land „fest im Griff“. Daher müssten sich die Menschen „weiter beschränken“. Er forderte, die Maßnahmen „bis Ende Januar“ zu verlängern.

Dies gelte auch für Schulen und Kindergärten. Die Ministerpräsidenten sind sich in dieser Frage allerdings nicht einig. Es läuft wohl darauf hinaus, die Beschränkungen grundsätzlich zu verlängern, wie es in Regierungskreisen hieß.

Schutz des Lebens oder Nachteile der Anti-Corona-Maßnahmen

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) appellierte, Bund und Länder sollten auf so viel Freiheit wie möglich setzen. „Es ist schier unmöglich, per Gesetz jeden Corona-Todesfall zu verhindern“, sagte der CDU-Politiker. Er sei überzeugt, dass die Politik zwischen dem Schutz des Lebens und den Nachteilen der Anti-Corona-Maßnahmen abwägen müsse, sie könne dies aber „nicht komplett per Verordnung oder Gesetz auflösen“.

Der Deutsche Städtetag forderte die Regierungschefs auf, einheitliche Regeln zu verabreden. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy rechnet damit, dass die Einschränkungen mindestens den gesamten Januar gelten werden. Die Kommunen würden in diesem Jahr sieben Milliarden Euro weniger Gewerbesteuer einnehmen.

Erklärtes Ziel der Politik ist es, die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen auf unter 50 zu senken. Laut Robert Koch-Institut stieg die Zahl der gemeldeten Infektionen am Sonntag um 10.315 auf knapp 1,77 Millionen, 312 Menschen starben mit oder an dem Coronavirus. Insgesamt registrierte das Bundesinstitut damit 34.272 Todesfälle.

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