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Immobilienwirtschaft zweifelt an Seehofers Plänen für 1,5 Millionen neue Wohnungen

In Deutschland fehlt Wohnraum – vor allem in Groß- und Studentenstädte. Die Immobilienwirtschaft fordert deutliche Vereinfachungen für den Bau.

Dass Horst Seehofer nicht nur Bundesinnenminister ist, könnte in diesen Tagen glatt in Vergessenheit geraten. Statt die von der Regierung angekündigte Wohnraumoffensive mit 1,5 Millionen neuen Wohnungen in dieser Legislaturperiode voranzutreiben, gibt es für den Minister des Innern, für Bau und Heimat derzeit kaum ein anderes Thema außer der Aufarbeitung der Affäre um zu Unrecht erteilte Asylbescheide im Flüchtlingsamt BAMF.

Zudem ist der alte Streit mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingspolitik wieder aufgebrochen. Den geplanten „Masterplan für Migration“ zog der CSU-Politiker am Montag kurzfristig zurück.

Heute aber, am späten Mittwochnachmittag, holt ihn die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wieder ein. Beim „Tag der Immobilienwirtschaft“ ist Seehofer als Redner eingeplant*, nach Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und vor Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Die Immobilienwirtschaft macht sich keine großen Hoffnungen, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt bald verbessern könnte. Im Gegenteil: Sie zweifelt bereits offen an der Wohnraumoffensive. „Die neue Regierung hat das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in den kommenden vier Jahren ausgegeben, das wir voll unterstützen“, kritisierte Andreas Mattner, Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft, Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), bereits am Dienstag.

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Angesichts des derzeitigen Umfelds wirke dieses Ziel aber utopisch. „Wir brauchen schlankere Prozesse, schnellere Entscheidungen und mehr Effizienz beim Planen und Bauen“, so Mattner.

Die Wohnraumsituation in vielen Städten und Gemeinden werde nahezu täglich schwieriger. Es gehe einerseits um notwendige Nachverdichtung und Aufstockung von Gebäuden in deutschen Groß- und Studentenstädten. Andererseits um Bevölkerungsabwanderung und Infrastrukturprobleme im ländlichen Raum, sagte Mattner.

Der Verband hat darum zusammen mit Bürgermeistern, Landräten und Vertretern der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung einen Kommunalrat gegründet, um herauszufinden, welche Prozesse beschleunigt werden könnten. Vorsitzende ist Eva Lohse, frühere Rathauschefin von Ludwigshafen und Ex-Präsidentin des Deutschen Städtetags.

Fraglich ist, was ein solcher Kommunalrat gegen die drängendsten Probleme tun kann. Eines der Probleme sind die politischen Auflagen an das Bauen – die aber werden vielfach vom Bund beziehungsweise den Ländern vorgegeben. „Während wir 1990 noch etwa 5.000 Normen beachten mussten, sind es heute rund 20.000“, so Mattner. Diese Auflagen müssten hinterfragt werden, „sonst können wir die Kostenspirale beim Bau und Entwickeln nicht stoppen.“

Zudem fordert Mattner, moderne Ansätze wie serielles Bauen und digitale Baugenehmigungsprozesse zu ermöglichen. Die Länder forderte er zu einer Harmonisierung der Landesbauordnungen auf. Deutschlandweit aktive Projektentwickler müssten ihre Planungen konstant überarbeiten, wenn sie in einem neuen Gebiet bauen wollten. „Das kostet Zeit und Geld und wirkt sich letztlich negativ auf Mieten und Kaufpreise aus.“

Wie zuvor schon das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) erneuerte der Immobilienverband seine Kritik am geplanten Baukindergeld der Bundesregierung. Das Vorhaben reiche nicht aus, um für deutlich mehr Eigentum zu sorgen – vor allem nicht in den Großstädten.

ZIA zufolge wäre es sinnvoller, Käufer bei den Nebenkosten zu unterstützen und die Grunderwerbsteuer, eine Ländersteuer, dauerhaft zu senken. „In den vergangen zehn Jahren haben 14 von 16 Bundesländer den Grunderwerbssteuersatz von ursprünglich 3,5 auf bis zu 6,5 Prozent angehoben“, sagte Mattner. Diese Kosten seien nicht finanzierungsfähig und müssten durch das Eigenkapital der Käufer geleistet werden.

Der ZIA-Präsident forderte die Politik auf, das Stichwort „moderne Stadtentwicklung“ stärker in den Fokus zu nehmen und sprach damit den zunehmenden Mangel an Gewerberaum an. Städte müssten Platz zum Wohnen, Arbeiten, Versorgen und Erholen bieten – und das idealerweise in fußläufiger Umgebung, so Mattner.

Stadtentwicklung müsse ausgewogen funktionieren. „Es bringt nichts, wenn wir uns nur auf Wohnungen konzentrieren, während sich die Situation bei verfügbaren Flächen zum Arbeiten und Versorgen verschlimmert.“

Seehofer hatte Anfang Mai erklärt, er halte die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt für die zentrale soziale Frage. „Das treibt die Menschen wirklich um“, sagte er auf seiner ersten Pressekonferenz als Bundesminister für innere Sicherheit, Heimat und Bau.

Vor allem die Kostentreiber beim Neubau und der Modernisierung von Wohngebäuden will er in den Fokus nehmen. Seine Vorgängerin, Bauministerin Barbara Hendricks (SPD), hatte in der letzten Legislaturperiode eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten sollte, wie die dramatisch steigenden Baukosten begrenzt werden könnten, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Diese Baukostensenkungskommission, die im August 2014 erstmals zusammengekommen war, hatte letztendlich 71 Empfehlungen vorgelegt, die sich an Bund, Länder, Kommunen sowie die Wohnungs- und die Bauwirtschaft richten. So sollen beispielsweise Normen auf ihren Nutzen überprüft und möglicherweise reduziert werden. Im Koalitionsvertrag heißt es, durch die Abschaffung überflüssiger Vorschriften auf allen Ebenen wolle man Kostensenkungspotenziale erschließen.

Union und SPD wollen, dass für jede neue Normung im Bereich des Bauens eine Folgeabschätzung für die Kosten des Bauens und Wohnens vorgenommen wird. Die wiederum soll als Entscheidungsgrundlage über die Einführung einer Normung dienen.

Es wartet also viel Arbeit auf Horst Seehofer – auch jenseits der Flüchtlingspolitik.

*Anmerkung: Inzwischen hat Seehofer auch diesen Termin abgesagt. Stattdessen tritt sein Staatssekretär Gunther Adler (SPD) auf.