Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    17.917,28
    -171,42 (-0,95%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.939,01
    -50,87 (-1,02%)
     
  • Dow Jones 30

    37.986,31
    -474,61 (-1,23%)
     
  • Gold

    2.341,00
    +2,60 (+0,11%)
     
  • EUR/USD

    1,0724
    +0,0023 (+0,21%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.859,43
    -190,62 (-0,32%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.386,63
    +4,05 (+0,29%)
     
  • Öl (Brent)

    82,46
    -0,35 (-0,42%)
     
  • MDAX

    26.043,18
    -302,89 (-1,15%)
     
  • TecDAX

    3.266,76
    -32,84 (-1,00%)
     
  • SDAX

    13.995,77
    -211,86 (-1,49%)
     
  • Nikkei 225

    37.628,48
    -831,60 (-2,16%)
     
  • FTSE 100

    8.078,86
    +38,48 (+0,48%)
     
  • CAC 40

    8.016,65
    -75,21 (-0,93%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.517,33
    -195,42 (-1,24%)
     

Wie es diese Frauen in die männlich dominierte Start-up-Szene geschafft haben

Um mehr Frauen für Firmengründungen zu begeistern, muss sich viel ändern: Zumindest haben Investoren nun gemerkt, dass sie gezielt in Vielfalt investieren müssen.

Gäbe es Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in der Wirtschaft, hätte Sonja Jost vielleicht nie ein Unternehmen gegründet. Denn während ihres Chemiestudiums wähnte die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Start-ups ihre berufliche Zukunft in der Forschungsabteilung eines großen Unternehmens. Diesen Gedanken verfolgte Jost zumindest bis sie im Rahmen ihrer Diplomarbeit eines dieser Unternehmen von innen kennenlernte.

Die Arbeit habe Jost gefallen, aber die Atmosphäre sei „wenig innovativ“ gewesen. Dass kaum Frauen in den technischen Abteilungen arbeiten, habe sie zudem irritiert, weil sie mit vielen Frauen zusammen studiert hatte. „Das habe ich als nicht nachvollziehbar empfunden“, sagt die gelernte Chemikerin.

Nach dieser Erfahrung entschied sich Jost, zurück an die Universität zu gehen, zu forschen – und letztlich ein Start-up zu gründen. Josts Firma DexLeChem will Produktionsverfahren in der Chemie effizienter und nachhaltiger machen. Dieser Karriereweg ist ungewöhnlich für die Gründerlandschaft in Deutschland.

Hierzulande gründen die meisten Start-ups Männer. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Female Founders Monitor, den der Start-up-Verband und Google am Donnerstag vorgestellt haben. Demnach sind nur 15 Prozent aller Start-up-Gründer in Deutschland weiblich.

WERBUNG

Reine Frauenteams führen nur zehn Prozent aller Start-ups. Bei immerhin 30 Prozent der Teams ist mindestens eine Frau dabei – auch bei den gemischten Teams sind die Frauen aber meistens in der Minderheit. Von Frauen geführte Unternehmen beschäftigen im Durchschnitt weniger Mitarbeiter und nehmen weniger Kapital auf. Das hat mehrere Gründe.

Das Prinzip „Buddy-Netzwerk“

Einer Umfrage des Meinungsinstituts Civey zur Gründungsneigung in Deutschland zufolge können sich nicht nur 39 Prozent der Männer, sondern auch 32 Prozent der Frauen vorstellen, ein Unternehmen zu gründen. Irgendwo auf dem Weg der Gründung aber geht dieses Potenzial offenbar verloren.

Es ist ähnlich wie mit weiblichen Karrieren in großen Unternehmen: Am Anfang sind Männer und Frauen noch gleichberechtigt. In den Vorständen der 160 börsennotierten Konzerne beträgt der Frauenanteil aber gerade mal acht Prozent. Zu diesem Schluss kommt die Allbright-Kommission, die sich für mehr Diversität in Unternehmen einsetzt und Anfang der Woche eine Bericht dazu vorgestellt hat. Demnach sind unter den Unternehmen, die überhaupt keine Frauen in ihrem obersten Führungsgremium haben, auch mehrere junge Start-ups zu finden – Delivery Hero oder Zalando zum Beispiel.

Es scheint, als hätte die Start-up-Szene alte Rollenbilder mitgenommen, obwohl sie mit vielen Gesetzen der alten Wirtschaft gebrochen hat. Die Gründer haben oft an den gleichen Universitäten studiert, in den gleichen Unternehmensberatungen gearbeitet und später bei den gleichen Start-ups angeheuert. Wenn sie Erfolg haben und neue Start-ups gründen, holen sie alte Mitstreiter nach – oder stecken ihr Geld in deren Projekte.

Dieses Prinzip nennt Constanze Buchheim, Headhunterin und Gründerin von iPotentials, das „Buddy-Netzwerk“. Soll heißen: Personalentscheidungen würden oft aus dem Bauch heraus getroffen und dabei hätten Bekannte Personen höhere Chancen. Das gelte für Frauen genauso wie für Männer – und offenbar auch für Investoren.

Der Female Founders Monitor zeigt auf, dass reine Frauenteams seltener Risikokapital aufnehmen als männliche. Der Fokus von Frauenteams liegt dem Report zufolge stärker auf Themen wie Cashflow und Profitabilität, weniger auf kapitalintensivem Wachstum. Daraus folgt: Frauen wollen weder das Geld, noch wollen sie, dass ihre Unternehmen so groß werden wie die ihrer männlichen Kollegen.

Eine schwedische Studie aus dem Jahr 2017 hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen bei der Kapitalaufnahme strukturell benachteiligt sind. Bei inhaltlich vergleichbaren Präsentationen würden ihnen häufiger Attribute wie Naivität zuschrieben.

Von einem „confidence gap“ sprechen Cornelia Klaus und Katja von der Bey von der Gründerinnenagentur, ein Servicecenter für Gründerinnen und Thinktanks zum Thema „Female Entrepreneurship“. Der Begriff beschreibt das geringere Vertrauen in wirtschaftliche und innovative Fähigkeiten sowie die Führungskompetenz von Frauen. „Eine erfolgreiche Gründung wird mit einer aggressiven Vorgehensweise, einer Fokussierung auf schnelles Wachstum und weniger auf nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens assoziiert“, schreiben die Expertinnen.

Das weiblich geführte Start-up Outfittery ist ein Gegenbeispiel dazu: Das Unternehmen, das Männern, die nicht gerne Shoppen gehen, passende Outfits vorschlägt und nach Hause schickt, hat seit seiner Gründung mehr als 50 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt. Die ehemalige Co-Gründerin Anna Alex sagt, sie selbst habe so gut wie nie gegen Vorurteile ankämpfen müssen. Ein Vorteil bei der Kapitalaufnahme sei gewesen, dass sie ein Produkt für Männer gemacht hätten, dessen Sinn sich den männlichen Investoren leicht erschlossen habe. Ein weiterer dürfte gewesen sein, dass Alex und ihre Mitgründerin Julia Bösch zuvor beide bei Rocket Internet waren – und die Sprache des Buddy-Netzwerks kannten.

Weibliche Geschäftsmodelle lassen Investoren zusammenzucken

Sie hätten das Geld gebraucht, erklärt Alex, weil ein E-Commerce-Modell kapitalintensiv sei. Ware müsse vorfinanziert, Kunden gewonnen und Marketingkampagnen bezahlt werden. Grundsätzlich habe sie an kleineren Finanzierungsrunden nichts auszusetzen: „Eigentlich ist es doch klug, mit weniger Geld mehr zu schaffen“, ist Alex überzeugt. Fundraising sei in der Start-up-Szene ein regelrechter Wahn: „Immer geht es darum, wer das meiste Geld eingesammelt hat. Das gilt als unhinterfragtes Erfolgskriterium“, kritisiert sie.

Beim Geschäftsmodell von Kati Ernst und Kristine Zeller geht es auch um Mode, aber die lässt männliche Investoren schon mal zusammenzucken: Ihr Start-up Ooshi produziert Unterwäsche, die Frauen während ihrer Periode tragen können – anstelle von Tampons oder anderen Hygieneartikeln. Das sei nachhaltiger und bequemer, sagt Ernst. Sie möchte ihr Start-up auch als Beitrag zum „Female Empowerment“ verstanden wissen.

Soziale Motive nennen Frauen grundsätzlich häufiger als Männer als Anlass für eine Gründung. Bei Zellers und Ernsts Start-up-Gründung spielte auch der Faktor Familie eine große Rolle. Beide Frauen arbeiteten zuvor in Führungspositionen bei großen Arbeitgebern: Ernst war bei McKinsey, wo sie Mode- und Luxusunternehmen beriet und Zeller leitete bei Zalando den Einkauf von Accessoires und Unterwäsche. Zwei Abteilungen und zwei Kinder, das war zu viel. Nach einem Burn-Out verließ Zeller die Firma.

Zeller wusste, dass sie in ihrem eigenen Start-up nicht weniger arbeiten würde, dafür aber selbstbestimmter und häufiger im Homeoffice. Der Female Founders Monitor kommt passend dazu zu dem Ergebnis: Frauen arbeiten öfter im eigenen Heim als Männer. Sie verbringen durchschnittlich 30 Prozent ihrer Arbeitszeit zu Hause. Zudem ist Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtiger als Männern.

Verglichen mit einem Teilzeitjob als Angestellte ist ihr Pensum dennoch hoch: Gründerinnen mit Kindern arbeiten unter der Woche durchschnittlich 40 Stunden. Bei Gründerinnen ohne Kindern sind es schon sechs Stunden mehr Arbeitszeit, bei männlichen Gründern sogar neun Stunden – unabhängig von ihrem Nachwuchs. Ein potenziell weiterer Grund dafür, dass Investoren Frauen weniger zutrauen.

Verena Pausder, die Gründerin von Fox & Sheep, die ihr Unternehmen vor Jahren an den Spielzeughersteller Haba verkauft hat, glaubt allerdings nicht, dass das ein Wettbewerbsnachteil sein muss: „Frauen mit Kind sind wahnsinnig effizient“, findet Pausder. „Sie takten ihren Tag konsequent durch und wissen zu jeder Zeit, wo ihre Prioritäten liegen.“

Gründerinnen verzichten bewusst auf Risikokapital

Die Ooshi-Gründerinnen hätten nach eigenen Angaben auch Risiko-Kapital aufnehmen können – ihre Zahlen hätten genügend Investoren überzeugt. Zudem konnten die Gründerinnen für die Entwicklung ihres Produkts die Kompetenzen und die Kontakte nutzen, die sie in früheren Jobs erworben haben. Das habe sogar so gut funktioniert, dass sie vorerst gar keine Investoren mehr an Bord haben wollten, sagt Ernst. Eine Crowd-Funding-Kampagne habe etwas mehr als 40.000 Euro gebracht – und so viele Kundinnen, dass sie mittlerweile mit den Einnahmen die nächste Produktion finanzieren können.

Auch die Chemikerin Sonja Jost war lange dagegen, Risikokapital aufzunehmen: Für ihr Ziel, eine grüne Chemieproduktion aufzubauen, seien Investoren ungeeignet. Denn diese drängten auf starkes Wachstum, weil sie ihre Anteile schnell wiederverkaufen müssten, erklärt die Gründerin. Anfangs hat sie DexLeChem deshlab mithilfe staatlicher Förderprogramme finanziert. Anschließend haben Jost und ihre Mitgründer private Kredite aufgenommen. Schließlich haben sie fünf Prozent ihrer Anteile an eine Privatinvestorin verkauft, die langfristig an dem Unternehmen interessiert sei.

Damit ihnen Talente, wie Sonja Jost oder Kati Ernst und Kristine Zeller, nicht verloren gehen, müssen Investoren besonders aufmerksam sein – auch wenn ihnen anders als den Unternehmen keine gesetzlichen Frauenquoten drohen. Mali Baum, Gründerin des Netzwerks W-Lounge mit Sitz in Berlin und Wurzeln in Tel Aviv, sammelt gerade Geld ein für einen Fonds, der in andere Fonds investiert, die sich nachweislich um Frauen in ihrem Portfolio bemühen. „Wir können dieses Potenzial doch nicht ungenutzt lassen“, sagt Baum. In den USA gibt es mit dem Pinkubator, gegründet von der Unternehmerin Cindy Whitehead, bereits den ersten, der ausschließlich in Frauen investiert.

Auch männliche Investoren werden aufmerksam: Atomico, der Investmentfonds von Skype-Gründer Niklas Zennström, einer der größten Investoren in Europa, hat kürzlich einen Ratgeber veröffentlicht, in dem Firmen Tipps bekommen, wie sie intern für mehr Vielfalt sorgen können. „Die Europäische Risikokapitalindustrie verpasst Renditen, weil es uns an Vielfalt mangelt“, sagt Niklas Zennström. „Start-ups haben eine schlechtere Performance, weil es ihnen an Vielfalt mangelt“, ist der bekannte Investor überzeugt.