Ikea startet seine Plattform für Hilfskräfte in Deutschland
TaskRabbit vermittelt Helfer, wenn Pflanzen gegossen, Wohnungen geputzt oder Möbel aufgebaut werden müssen. Jetzt kommt die Ikea-Tochter nach Deutschland.
Einen Schrank zusammenbauen, Lampen aufhängen, die Garderobe an die Wand schrauben – für immer mehr Menschen wird das zum Problem. Ihnen fehlen die Zeit, das Werkzeug oder die Freunde in der Nachbarschaft, die dabei helfen könnten. Das Möbelhaus Ikea hat das als Gefahr für sein Geschäftsmodell erkannt.
Damit Leute weiter Regale zum Zusammenbauen kaufen, hat das Familienunternehmen schon vor zwei Jahren das Start-up TaskRabbit übernommen. Auf dessen Plattform können Kunden kleine Arbeitsaufträge einstellen und andere ihre Dienste anbieten – künftig auch in Deutschland.
Nachbarschaftshilfe ist vermarktbar geworden, zeigt der Erfolg des Unternehmens mit Hauptsitz im kalifornischen Silicon Valley. „Unser Management macht das tägliche Leben für normale Leute einfacher“, sagt Stacy Brown-Philpot dem Handelsblatt. Kurz vor dem Deutschlandstart ist die Start-up-Chefin selbst nach Düsseldorf gekommen.
Zunächst startet das Angebot in der Rhein-Ruhr-Region sowie in Berlin und Umgebung. „Ende November können Kunden einen Tasker buchen, der Möbel zusammenbaut, Fernseher und Bilder montiert oder kleinere Reparaturarbeiten vornimmt“, sagt Brown-Philpot. Menschen, die ihre Dienste anbieten wollen, können sich bereits jetzt mit Fertigkeiten und Einzugsgebiet registrieren.
Mit neuen Märkten hat das Plattform-Unternehmen schon Erfahrung. Bisher ist TaskRabbit in 70 Regionen in den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich und seit Kurzem auch in Frankreich aktiv. Vor allem mit der Übernahme durch Ikea ist das Start-up gewachsen und hat expandiert.
Kunden können zum Beispiel bei der Onlinebestellung eines Möbelstücks direkt den Aufbau dazubuchen. Die vermittelten Tätigkeiten müssen aber nichts mit dem Möbelhaus zu tun haben. Der Dienst lässt sich unabhängig davon nutzen.
Von Google zum Start-up
Für Stacy Brown-Philpot selbst hat das Geschäft noch relativ kleine Dimensionen. Bevor sie 2012 zu TaskRabbit kam, hatte sie neun Jahre lang bei Google gearbeitet und erlebt, wie das Unternehmen von tausend Mitarbeitern vor dem Börsengang auf 50.000 wuchs. Unter anderem leitete die US-Amerikanerin in Indien den Bereich Onlineverkäufe und -aktivitäten.
Als ihre erste Tochter fünf Wochen alt war, entschied sie sich, den Techkonzern zu verlassen, und machte TaskRabbit selbst zum globalen Unternehmen: „Nach langer Zeit in diesem wunderbaren Unternehmen war das eine aufregende neue Mission für mich“, sagt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin.
Wie der Fahrdienst Uber und der Essenslieferdienst Lieferando ist TaskRabbit ein Unternehmen der neuen Gig-Economy, eines hochflexiblen Arbeitsmarkts. Auftragnehmer können dort jederzeit etwas dazuverdienen – solange Aufträge da sind. Versichern müssen sie sich selbst. Laut der Start-up-Chefin Brown-Philpot bieten vor allem Studenten, Rentner und Teilzeitarbeiter auf der Plattform ihre Dienste an.
Sie legen ihren Stundenlohn selbst fest, entscheiden wann, was und wo sie arbeiten wollen. Ein Algorithmus bringt passende Auftraggeber und -nehmer zusammen. Für Vermittlung und Zahlungsverkehr erhebt TaskRabbit Gebühren.
Brown-Philpot sagt, dass ihr Unabhängigkeit wichtig ist. Um ihr eigenes Geld zu verdienen, habe sie mit ihrem Bruder auch im kalten Winter Zeitungen ausgetragen. „Aus unterschiedlichen Gründen können viele Tasker keinen Neun-bis-fünf-Job machen, aber wir sind eine Alternative für sie geworden“, sagt die Unternehmenschefin.
Keine Sorgen um die Konkurrenz
Als eine ihrer ersten Amtshandlungen als TaskRabbit-Chefin ermöglichte sie den Auftragnehmern auf der Plattform, ihre Stundenlöhne selbst anzugeben, statt die Auftraggeber den Preis festlegen zu lassen. TaskRabbit beziffert den Durchschnittsstundenlohn seiner Auftragnehmer 2018 auf 35 US-Dollar, fast das Fünffache des Mindestlohns. In Frankreich sei es das Dreifache des dortigen Mindestlohns.
Gegründet wurde TaskRabbit 2008 von einer Softwareentwicklerin von IBM in Boston. Leah Busque soll die Idee zu der Plattform so gekommen sein: Ihr ging ausgerechnet an einem Abend das Hundefutter aus, als sie zu einem Essen verabredet war und selbst kein neues kaufen gehen konnte.
So ähnlich kann man sich auch die Auftraggeber vorstellen: „Der typische Nutzer ist berufstätig, hat oft eine junge Familie und keine Zeit, sich um seine Hausarbeit zu kümmern“, sagt Brown-Philpot.
Zu anderen Nachbarschaftsnetzwerken grenzt sich TaskRabbit dadurch ab, dass es die Identität und das Führungszeugnis überprüft. Außerdem bietet es Nutzern eine Zufriedenheitsgarantie: Hängt die Garderobe am Ende schief, bringt das Unternehmen das in Ordnung. Um Konkurrenz macht sich Stacy Brown-Philpot keine Sorgen: „Wir glauben, dass allein der Hausarbeitsbereich ein Milliardenmarkt ist.“
Das Onlinemagazin „Business Insider“ hat sie vor fünf Jahren zu einer der wichtigsten Schwarzen in der Tech-Industrie gewählt – darauf ist sie stolz. „Das gibt mir die Chance, über die Bedeutung von Diversität zu sprechen und andere CEOs zu fragen, was sie tun, um das Gesicht ihrer Firma zu verändern und diverser zu machen“, sagt sie. 60 Prozent ihrer Führungskräfte seien Frauen en Frauen – bei 55 Prozent Frauenanteil in der Belegschaft.
„Überall sein, wo Ikea ist“
Gelungen sei das mit speziellen Trainings für die Personalabteilung für vorurteilsfreie Einstellungsentscheidungen und durch Kooperationen mit Programmen, die Frauen in Tech- und Ingenieurberufen fördern. „Ob Frauen in Führung gehen, hängt davon ab, wie du führst, wie du einstellst und wie du Menschen ins Management förderst“, sagt die Unternehmerin.
Das Deutschlandgeschäft von TaskRabbit wird von Portugal aus geführt. Im Laufe des kommenden Jahres soll das Angebot auch auf Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und München ausgeweitet werden. „Unsere Mission ist, überall zu sein, wo Ikea ist“, sagt Brown-Philpot.
Das schwedische Möbelhaus hat daran wohl ein ebenso großes Interesse. „Wir sind seit 75 Jahren erfolgreich mit dem bisherigen Konzept – und plötzlich merken wir: Weiter zu machen wie bisher wird nicht funktionieren“, sagte Deutschland-Chef Dennis Balslev kürzlich dem Handelsblatt. Bisher ging Ikea davon aus, dass Kunden ihre Tische, Betten und Kleiderschränke selber abholen, ins Auto laden und zu Hause aufbauen – und dafür geringere Preise bezahlen als bei anderen Möbelanbietern.
Einen Lieferservice bietet das Familienunternehmen schon seit Längerem. Die nächsten Monate werden nun zeigen, ob die Kunden noch ein bisschen mehr drauflegen, um sich den Ärger mit missverständlichen Anleitungen und fehlenden Schrauben zu ersparen und den Aufbau den Taskern von Stacy Brown-Philpot anvertrauen.