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Hypo-Vereinsbank gibt Eigenständigkeit sukzessive an Unicredit ab

Erst war es der Hypo-Vereinsbank gelungen, das Bild einer eigenständigen Bank aufrechtzuerhalten. Doch jetzt regiert die italienische Unicredit durch.

Es war ein frühsommerlicher Sonntagabend, als die Pressestellen in München und Mailand übereinstimmend meldeten: „Unicredit und Hypo-Vereinsbank bündeln ihre Kräfte und werden die erste wahre europäische Bank.“ Den ganzen Tag über hatten die Aufsichtsgremien beider Häuser getagt, am Ende ging es vor allem ums Geld. Als dann fünf Unicredit-Aktien für einen HVB-Anteilschein geboten wurden, war man sich handelseinig.

Rund 13 Jahre sind seit dem Zusammengehen der deutschen und der italienischen Bank vergangen. Vom „Zusammenschluss zweier annähernd gleicher Partner“, wie ihn der damalige HVB-Chef Dieter Rampl einst betitelte, ist allerdings nicht mehr viel übrig. Ihre Eigenständigkeit hat die Münchener Bank langjährigen Führungskräften zufolge über die Jahre hinweg mehr und mehr an Mailand abgegeben. Wichtige strategische Entscheidungen werden schon lange dort gefällt.

Ein schleichender Prozess, der sich seit dem vergangenen Jahr beschleunigt hat. Selbst der Name HVB gilt mittlerweile nicht mehr als sakrosankt und könnte langfristig verschwinden.

Schon jetzt redet man in Italien nur noch von der „Ex-HVB“. Eine Eigenständigkeit der Deutschen ist dort kein Thema – im Gegenteil, im Strategieplan „Transform 2019“ der Unicredit ist die deutsche Tochter ein Asset von vielen. „Das deutsche Management hat jetzt schon alle Freiheit, das Geschäft weiter auszubauen“, sagte Jean Pierre Mustier, Unicredit-Chef, vor Kurzem dem Handelsblatt. „Aber unser Differenzierungsmerkmal ist es, dass wir eine paneuropäische Geschäftsbank sind.“

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Sichtbar ist dieses Grundverständnis unter anderem im Zahlenwerk der Unicredit. Finanzdaten gibt es von der HVB nur noch alle sechs Monate, die börsennotierte Unicredit berichtet weiter in jedem Quartal.

Dort finden sich unter dem Punkt „Commercial Banking Germany“ nur Teile des deutschen Geschäfts – in einer Reihe mit der ebenfalls zu Unicredit gehörenden Bank Austria und den Vertretungen in Zentral- und Osteuropa. „Wir wachsen als Gruppe zusammen, deswegen werden Gruppenergebnisse immer wichtiger“, begründet ein erfahrener Aufsichtsrat das Vorgehen.

Was wie ein normaler Annäherungsprozess nach all den gemeinsamen Jahren klingt, hat sich seit dem vergangenen Jahr verstärkt und ist an drei Namen festzumachen. Da ist zum einen Mustier, seit Sommer 2016 Chef der Unicredit. Die Zusammenarbeit aller Teammitglieder werde Unicredit zu einem starken pan-europäischen Gewinner machen, betonte der Disziplinfanatiker kürzlich erst wieder.

Die Zahlen geben ihm recht, in den ersten drei Monaten des Jahres schaffte die Bank das beste Quartalsergebnis seit 2007. Bei so viel Gruppendynamik ist für eine eigene Hausstrategie der HVB kein Platz mehr. Stattdessen gebe es jetzt die der Gruppe, betont man dort.

Einer, der zumindest nach außen immer das Gegenteil vermittelt hat, war Theodor Weimer. Bis Ende 2017 hatte der Franke acht Jahre lang an der Spitze der HVB gestanden, ehe er auf den Chefsessel der Deutschen Börse nach Eschborn wechselte. Er hatte andere Pläne mit der Bank.

Als er im Spätsommer 2016 bei der Handelsblatt-Tagung „Banken im Umbruch“ auf offener Bühne gefragt wurde, ob er es gut fände, wenn die HVB an die Börse käme, ließ er trotz der gedrechselten Formulierung wenig Spielraum für Interpretationen: „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht Spaß machen würde, auch mit dem Kapitalmarkt enger zusammenzuarbeiten.“

Ein Jahr später sah die Realität anders aus. Als sich Mustier und Weimer in München mit dem Chef einer anderen Bank trafen, war der hinterher überrascht. „Geredet hat nur einer, das war Mustier“, erzählt er. Weimer habe weitgehend still an der Seite gesessen und wirkte wie abgemeldet.

Deshalb war es für Außenstehende nicht verwunderlich, dass Weimer ging, als die Börse nach einer monatelangen Hängepartie um mögliche Insidergeschäfte ihres CEO Carsten Kengeter einen Nachfolger suchte.

Mann der leisen Töne

Damit kommt der dritte Manager ins Spiel. Noch in der Woche von Weimers plötzlichem Abgang präsentierte die Bank Michael Diederich als seinen Nachfolger. Der 52-jährige Firmenkundenbanker, der fast sein ganzes Berufsleben bei der HVB verbracht hat, war der Wunschkandidat des Aufsichtsrats, heißt es von dort. Deswegen musste auch nicht lange überlegt oder gesucht werden.

Nur wenige Monate war Diederich 2015 an die Spitze des Kreditversicherers Euler Hermes gewechselt, ehe er anschließend als verantwortlicher Vorstand für das Investmentbanking nach München zurückkehrte. Weil er ab da auch dem Investment Committee der Gruppe in Mailand angehörte, wurde er in der Unicredit-Zentrale intensiv wahrgenommen.

„Weimer war sicher extrovertierter als Diederich. Deshalb wurde zu seiner Zeit eher kaschiert, dass die Anbindung da schon sehr eng war“, beschreibt ein Aufsichtsrat den Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung beider Führungskräfte. In Mailand wird Diederich jedenfalls hochgeschätzt, ist dort zu hören. „Wegen seiner Loyalität, aber auch, weil ihm eigene Avancen fremd sind“, heißt es.

Zu Strategiefragen, wohin er die HVB führen möchte, hat sich Diederich bisher nicht geäußert, Interviewanfragen lehnt sein Stab ab. Es gebe schließlich einen Mehrjahresplan bis 2019, der eingebettet sei in die Gruppenstrategie der Unicredit mit dem Namen „Transform 2019“. Und dazu zählen nach Mustiers Worten „Kundenentwicklung, Multikanalangebote, Prozessoptimierung, Kosteneffizienz und ein diszipliniertes Risikomanagement“. Auch die Öffentlichkeit, die sein Vorgänger immer wieder gesucht hatte, meidet Diederich weitgehend.

Beinahe untergegangen ist dabei, dass es in den vergangenen Monaten im Vorstand der Hypo-Vereinsbank weit mehr als nur an der Spitze Veränderungen gab.

Fünf der sieben Positionen im Vorstand wurden seit Theodor Weimers Abgang ausgetauscht. Jünger, weiblicher und vor allem internationaler ist das Gremium geworden. Vorbei die Zeiten, als die HVB nahezu ausschließlich von deutschen Managern regiert wurde. Umgekehrt findet der Austausch im Topmanagement zwischen München und Mailand aber auch in die andere Richtung statt.

Ende Mai schuf die Unicredit in Mailand die neue Position des Group Chief Transformation Officers. Die Mathematikerin Finja Carolin Kütz, bisher CEO für den deutschsprachigen Raum beim Berater Oliver Wyman, soll ab dem Herbst neue Initiativen starten, um das ausgerufene Ziel der „One Bank, one Unicredit“-Kultur weiter zu stärken, heißt es.

Bei dem eingeschlagenen Veränderungskurs und der strengen Kostendisziplin ist nicht mehr für jedermann in der Belegschaft der HVB Platz. So wurde im jüngsten Geschäftsbericht ein weiterer sozial verträglicher Stellenabbau noch einmal bestätigt. Die Rahmenbedingungen in der Bankbranche seien wegen des massiven Kosten- und Ertragsdrucks weiter herausfordernd, heißt es zur Begründung. Weitere Anpassungen seien somit nötig.

Schon im vergangenen Jahr schrumpfte die Zahl der Vollzeitkräfte um über 1300 auf rund 13.400. Langfristig gebe es eine Vereinbarung bis 2025, dass die Zahl der Mitarbeiter bis dahin bei knapp 11.000 liegen soll, heißt es aus dem Arbeitnehmerlager. Das sei zwar juristisch nicht bindend. „Aber Verträge mit Italienern gelten erfahrungsgemäß sehr viel mehr, als man sich das in Deutschland vorstellt“, berichtet man dort von guten Erfahrungen aus der Vergangenheit.

In der Mailänder Unicredit-Zentrale stehen andere Zahlen im Mittelpunkt. Dort gilt die HVB nach schweren Jahren der Konsolidierung wieder als Ertragsperle. Auf 1,597 Milliarden Euro hat Diederichs Vorgänger Weimer im vergangenen Jahr den Gewinn vor Steuern gesteigert, nach lediglich 297 Millionen Euro ein Jahr davor.

Wesentlicher Grund dafür war die Sparte Corporate und Investment Banking unter Führung von Diederich. Sie trug allein 906 Millionen Euro dazu bei, nach 343 Millionen Euro im Jahr 2016. Schon in den Jahren davor trug das Investmentbanking stets zwischen 50 und 75 Prozent zum Gewinn der HVB bei.

Besonders im Handel war die Bank schon immer stark, dazu kam im vergangenen Jahr wieder das Geschäft mit Börsengängen. Laut dem Datenanbieter Dealogic hat sich das Transaktionsvolumen im Vergleich zu 2016 fast verdoppelt, womit es die Bank auf Platz zwei in der entsprechenden Rangliste hinter Berenberg schaffte.

Und auch anderweitig unterscheidet sich die HVB von manchem größeren Konkurrenten. Investmentbanker bei der HVB verdienen gut, aber weniger als anderswo. Die Spannbreite lag in den vergangenen Jahren zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro, heißt es aus Unternehmenskreisen.

In Mailand, wo der ehemalige Fallschirmjäger Mustier die Bank nach ebenfalls schweren Zeiten wieder auf Kurs brachte, kommt das bestens an. „Unsere Kunden, ein deutscher Mittelständler beispielsweise, arbeiten deshalb mit uns zusammen, weil wir ein voll integriertes „Corporate & Investment Banking“ und ein Netzwerk in Zentral- und Osteuropa haben. Wir sind eine europäische Bank, wir sind nicht italienisch, französisch oder deutsch“, sagt Mustier, der auch seine internationale Kommunikationschefin aus München holte.

Das Ende der Marke HVB?

Trotzdem oder gerade deswegen hält sich in München das Gerücht, dass der Name Hypo-Vereinsbank irgendwann geopfert werden könnte.

Schon vor der Finanzkrise hatte der damalige Unicredit-Chef Alessandro Profumo den Namen Hypo-Vereinsbank zur Debatte gestellt, berichten ehemalige Aufsichtsräte. Da er aber zu keinen Gegenleistungen bereit war, sollten die Kunden der Bank den Rücken kehren, war das Thema schnell vom Tisch.

Heute gibt es in unregelmäßigen Abständen Marktforschungen bei Kunden zu diesem Thema, heißt es von Kennern der Bank. Dabei hätten Experten den Wert des Namens zuletzt bei rund 80 Millionen Euro beziffert.

Anschauungsunterricht, wie eine Umfirmierung in der Praxis vollzogen werden könnte, können Mustier und Diederich bei Italiens größtem Versicherer Generali nehmen. Ähnlich wie bei Unicredit, wo der Slogan „One Bank, one Unicredit“ lautet, fährt auch Generali unter dem neuen Chef Philippe Donnet einen One-Company-Ansatz, nach dessen Umsetzung überall nur noch der Name Generali stehen soll.

Deshalb verschwindet in diesen Tagen gerade der in Deutschland wohlbekannte Name Aachen-Münchener. Anders als der fast 200 Jahre alte deutsche Traditionsversicherer hat der Name Hypo-Vereinsbank weit weniger Tradition, entstand er doch erst vor zwei Jahrzehnten aus der Fusion der Bayerischen Vereinsbank und der Bayerischen Hypo-Bank.

Im Briefkopf der Bank steht jedenfalls schon seit geraumer Zeit „Hypo-Vereinsbank“ und daneben in gleicher Schrift, mit gleichem Logo und in beinahe gleicher Größe „Member of Unicredit“.

Völlig unübersichtlich wird es dann bei Heimspielen des FC Bayern. Während bei Bundesliga-Partien die Banner der Hypo-Vereinsbank als Sponsor des Vereins aufleuchten, sind es nur wenige Tage später bei den Spielen im europäischen Wettbewerb Champions League die Logos der Unicredit.

„Ich hatte mich schon früher darauf eingestellt, dass die sehr enge Anbindung an Mailand kommt“, erinnert sich ein langjähriger Aufsichtsrat. Jetzt sei sie eben mit über einem Jahrzehnt Verzögerung da. Unicredit-Chef Mustier spricht dagegen lieber von einem „echten paneuropäischen Gewinner“. Und klingt dabei fast wie im Jahr 2005, als von der ersten wahren europäischen Bank die Rede war.