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Nervenkrieg in Hongkong: Hundert Studenten verbarrikadieren sich in Uni

Bei dem Aufruhr ist kein Ende in Sicht. Zwar haben rund 600 Demonstranten aufgegeben. Doch 100 weitere halten sich weiter in der Polytechnischen Hochschule verschanzt.

Demonstranten verlassen den Campus. Zuvor kam es dort zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Foto: dpa
Demonstranten verlassen den Campus. Zuvor kam es dort zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Foto: dpa

Bei den Unruhen in Hongkong haben sich schätzungsweise noch rund 100 Studenten in einer von der Polizei belagerten Universität verbarrikadiert. Regierungschefin Carrie Lam sagte am Dienstag vor der Presse, die Sicherheitskräfte wollten die „Zwischenfälle“ an der Polytechnischen Hochschule friedlich lösen.

Rund 600 Studenten hätten das Universitätsgelände im Stadtviertel Hung Hom verlassen. Viele der jüngeren Demonstranten waren über Nacht von einer vermittelnden Gruppe von Mittelschuldirektoren und prominenten Persönlichkeiten vom Campus geführt worden.

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400 der Aktivisten seien umgehend festgenommen worden, so Lam. Die 200 anderen seien unter 18 Jahre alt und daher nicht in Gewahrsam genommen worden. Man habe lediglich ihre Daten aufgenommen, so Lam, behalte sich aber vor, weitere Untersuchungen zu tätigen. Lam forderte die verbliebenen Studenten in der Hochschule auf, sich zu ergeben. Die gewalttätigen Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatten bis in die Nacht angedauert.

Im Geschäftsviertel Central fand zum zweiten Mal in dieser Woche ein Mittagspausen-Protest statt. Angestellte aus umliegenden Büros hatten sich seit vergangener Woche Montag immer wieder zu den Protesten spontan zusammengefunden und Straßen blockiert. Allerdings wurde der Protest am Dienstag nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst.

Lam äußerte die Einschätzung, dass die Hongkonger Regierung mit der Situation allein klar komme. Peking hatte wiederholt gedroht, dass es eingreifen werde, sollte die Hongkonger Regierung die Situation nicht in den Griff bekommen.

Ein kurzer Aufräumeinsatz von Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee, die in Hongkong kaserniert sind, am Samstag hatte Befürchtungen befeuert, dass Peking die Armee einsetzen könnte, um die Proteste gewaltsam niederzuschlagen. „Wir sind weiterhin sehr zuversichtlich, dass wir mit der Situation klarkommen“, sagte Lam. „Wir zeigen, dass wir die Kompetenz haben, um die Situation selbst zu händeln.“

Die USA hatten sich am Montag angesichts der zunehmenden Gewalt bei den regierungskritischen Protesten in Hongkong besorgt gezeigt. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, Chinas kommunistische Führung müsse die Freiheitsrechte der Menschen in der Sonderverwaltungszone respektieren. Darauf habe sich die Volksrepublik verpflichtet.

Demos gegen wachsenden Einfluss Chinas

Schon seit fünf Monaten laufen die Demonstrationen gegen die Regierung, gegen das als brutal empfundene Vorgehen der Hongkonger Polizei und gegen den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung. Wegen der Unruhen blieben am Dienstag auch die Schulen und Kindergärten weiter geschlossen.

Die Universitäten der früheren britischen Kronkolonie hatten sich vergangene Woche zu neuen Brennpunkten der Proteste entwickelt. Daraufhin wurden die Studenten vorzeitig in die Semesterferien geschickt.

An der Polytechnischen Universität waren die Auseinandersetzungen am Wochenende eskaliert. Die Studenten setzten sich mit Barrikaden, Brandsätzen, selbst gebauten Katapulten oder auch Pfeil und Bogen gegen die Sicherheitskräfte zur Wehr.

Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein. Seit Sonntag haben die Einsatzkräfte das Hochschulgelände abgeriegelt, um die Studenten festzunehmen.

Trotzdem konnten einige Hundert über Zäune oder an Seilen aus Gebäuden flüchten. Zurück blieben ungenutzte Brandbomben. Flaschen mit entzündbaren Stoffen und Schutzkleidung, wie Hongkonger Medien berichteten.

Nach der Aufhebung des Vermummungsverbots durch ein Gericht in Hongkong hat ein chinesischer Parlamentssprecher in Peking das Urteil als nicht rechtmäßig zurückgewiesen. Jian Tiewei vom Rechtsausschuss des Volkskongresses sagte der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua, nur der Ständige Ausschuss des Pekinger Parlaments könne entscheiden, ob ein Erlass mit dem Grundgesetz Hongkongs übereinstimme.

Er äußerte seine „tiefe Sorge“ über die Entscheidung des Gerichts am Vortag in Hongkong, das das Vermummungsverbot als zu weitgehend und nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz Hongkongs abgewiesen hatte. Das Urteil habe die administrative Gewalt von Regierungschefin Lam „ernsthaft geschwächt“. Als Reaktion auf die Entscheidung hatte die Regierung die Umsetzung des Banns vorerst ausgesetzt.

In den vergangenen Wochen waren viele Demonstranten festgenommen worden, weil sie Masken und dicht schließende Brillen trugen, um sich vor Tränengas und Pfefferspray der Polizei zu schützen. Viele wollten auch verhindern, dass sie von Sicherheitskräften oder auch von ihren Arbeitgebern identifiziert werden können. Ihnen drohten Haft bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Hongkong Dollar, umgerechnet 2900 Euro.

Hongkongs Regierung hatte das Verbot Anfang Oktober in einem Rückgriff auf fast 100 Jahre alte koloniales Notstandsrecht verfügt. Die Richter stellten klar, dass sie ein Vermummungsverbot nicht grundsätzlich ablehnten oder für verfassungswidrig hielten. Der vorliegende Bann wahre aber kein vernünftiges Gleichgewicht zwischen den geschützten Rechten der Bürger und den gesellschaftlichen Zielen.

Das 106 Seiten lange Urteil sieht auch das seit 1922 geltende Notstandsrecht aus der britischen Kolonialzeit im Widerspruch zum Grundgesetz, weil es die Regierungschefin im Falle einer öffentlichen Gefahr zu weitreichenden Vollmachten ermächtige.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten.

Neuer Polizeichef ernannt

China hat unterdessen einen neuen Polizeichef für Hongkong ernannt: Chris Tang Ping-keung arbeitet seit mehr als 30 Jahren für die Polizei und übernimmt den Posten von Lo Wai-chung, der nach 35 Jahren im Dienst in den Ruhestand geht. Tangs Ernennung folgte auf „die Empfehlung und Nominierung“ durch die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam, wie ihre Regierung mitteilte. Die Personalie wurde vom Staatsrat in Peking bestätigt.

Die Entkräftung falscher Vorwürfe gegen die Polizei und die Versicherung gegenüber der Öffentlichkeit über die Mission der Polizeikräfte gehöre zu seinen Prioritäten, sagte der neue Chef Chris Tang Ping-keung am Dienstagmorgen nach seiner Amtseinführung. „Wir müssen Recht und Ordnung in Hongkong bewahren.“

Es gebe Gesetzesbrüche in massivem Ausmaß und einen gewissen Sektor in der Gemeinde, der „diese illegalen Aktivitäten duldet“. Die Ernennung ist eine weitere Machtdemonstration der Pekinger Regierung über die Institutionen der Sonderverwaltungszone Hongkong.

Demonstranten verlassen die Polytechnische Universität nach Zusammenstößen mit der Polizei. Foto: dpa
Demonstranten verlassen die Polytechnische Universität nach Zusammenstößen mit der Polizei. Foto: dpa
Mit diesem selbstgebauten Katapult wehren sich die Demonstranten an der Polytechnischen Universität gegen die Polizei. Foto: dpa
Mit diesem selbstgebauten Katapult wehren sich die Demonstranten an der Polytechnischen Universität gegen die Polizei. Foto: dpa
Polizisten nehmen in der Nähe der Polytechnischen Universität Demonstranten fest. Foto: dpa
Polizisten nehmen in der Nähe der Polytechnischen Universität Demonstranten fest. Foto: dpa