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Telekom und Telefónica bereiten sich darauf vor, Huawei aus ihren Kernnetzen zu verbannen

Seit Wochen warnen die USA vor Sicherheitslücken beim chinesischen Netzwerkausrüster Huawei. Das Unternehmen ist Technologieführer beim Echtzeitmobilfunk 5G. Weil 5G zum Beschleuniger für die Digitalisierung der Industrie werden soll, hat das Thema höchste politische Aufmerksamkeit.

Erstmals erwägt die Bundesregierung, den Einsatz von Technik der Chinesen einzuschränken – wenn auch nur indirekt, über schärfere Sicherheitsauflagen.

Die Bundesregierung brauchte einige Zeit, um sich der Problems bewusst zu werden. Jetzt zeichnen sich die groben Linien im Umgang mit chinesischen Anbietern von Technik für das künftige 5G-Netz ab.

Wie das Handelsblatt aus Teilnehmerkreisen erfuhr, verständigten sich am Mittwoch hochrangige Regierungsvertreter über das weitere Vorgehen beim künftigen Umgang mit Netzwerkausrüstern. In den nächsten Wochen sollen das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Bundesnetzagentur die ersten Eckpunkte für die neuen Sicherheitsanforderungen festlegen.

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An dem Treffen auf Ebene der Staatssekretäre nahmen das Bundesinnenministerium, das Auswärtige Amt, das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesverkehrsministerium sowie Vertreter aus dem Bundeskanzleramt, der Bundesnetzagentur und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) teil. Bei einem vorangehenden Gespräch waren auch noch Vertreter der deutschen Netzanbieter auf Vorstandsebene anwesend, wo sie ihre Positionen vortragen konnten.

Das Auswärtige Amt, das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesinnenministerium wollten sich auf Anfrage nicht zu den Treffen oder den Inhalten äußern, das BSI bestätigte lediglich, dass ein solches Treffen stattgefunden hat.

Wie das Handelsblatt aus Teilnehmerkreisen erfuhr, hat man sich dabei darauf verständigt, dass die Bundesnetzagentur gemeinsam mit dem BSI zeitnah Eckpunkte für schärfere Sicherheitsanforderungen für den Netzausbau vorlegen soll. Hintergrund ist, dass die Netzbetreiber rasch Klarheit haben müssen. Denn die Auktion zur 5G-Frequenzvergabe steht spätestens Mitte März an.

Die neuen Sicherheitsanforderungen sollen unter anderem eine Verpflichtung zur Zertifizierung des verwendeten Equipments durch das BSI beinhalten sowie die Offenlegung der Quellcodes. Das soll ermöglichen, Hintertüren in der Programmierung zu erkennen. Die Anforderungen sollen dem Vernehmen nach für alle Bereiche gelten, also nicht nur für 5G-, sondern auch für 2G-, 3G- und 4G-Netze.

In vielen Ländern wurde in den vergangenen Monaten, auch durch Druck aus den USA, eine Neubewertung der Zusammenarbeit mit Huawei vorgenommen, auch die Bundesregierung überdachte ihre Position. Das Auswärtige Amt hatte sich erst am Mittwoch öffentlich äußerst kritisch zu Huawei geäußert.

„Selbstverständlich ist Huawei ein chinesisches Unternehmen und unterliegt auch der chinesischen Gesetzgebung“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. „Da gibt es durchaus einige Passagen, die uns mit Sorge erfüllen. Das betrifft auch die Verpflichtung chinesischer Unternehmen, mit Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten.“ Es geht dabei darum, dass chinesische Gesetze Unternehmen dazu verpflichten, ihre Daten dem chinesischen Staat offenzulegen.

Das Bundesinnenministerium teile die Sorge wegen der Rechtslage in China, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die Prüfung bezüglich der neuen Sicherheitsanforderungen dauere an. Auch mögliche Änderungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) sollen noch diskutiert werden.

Huawei bestreitet, dass chinesische Gesetze das Unternehmen zur Herausgabe von Daten an die chinesische Regierung verpflichten.

Ressourcen für den Rückbau werden an anderer Stelle fehlen

Die Bundesregierung rechnet derzeit damit, dass die Netzbetreiber aufgrund des politischen Drucks und des bestehenden Sicherheitsrisikos freiwillig darauf verzichten werden, Technik von Huawei im Kernbereich ihres 5G-Netzes zu verbauen.

Auf Anfrage wollte sich die Telekom dazu nicht äußern. Aus Branchenkreisen heißt es, die Firmen versuchten, eine Vorschrift in diese Richtung abzuwenden. „Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst“, sagte ein Telekom-Sprecher. Während der vergangenen Tage habe es Gespräche zwischen Behörden und Netzbetreibern gegeben.

Dennoch spielen die Netzbetreiber die Auswirkungen eines Verzichts von Huawei aus dem Kernnetz bereits durch. So bereiten sich etwa Telekom und Telefónica in Deutschland auf einen möglichen Bann von Huawei aus ihren Kernnetzen vor.

Wie das Handelsblatt erfuhr, haben beide Firmen Pläne aufgelegt, in denen sie durchspielen, wie sich Huawei-Technik aus den sensibelsten Bereichen ihrer Infrastruktur entfernen ließe. Vodafone verwendet nach eigenen Angaben Huawei nur begrenzt in seinem Kernnetz in Deutschland.

Telefónica Deutschland warnte vor einem langwierigen Verfahren, sollte Huawei aus dem kompletten Kernnetz (also auch 2 - 4G) ausgeschlossen werden. „Hier sprechen wir nicht von wenigen Monaten, sondern von längeren Zeiträumen“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die Ressourcen für den Rückbau würden dann an anderer Stelle fehlen. Telefónica setze in Deutschland in seinem Kernnetz neben Huawei auch Technik der europäischen Ausrüster Nokia und Ericsson ein.

Zu den Plänen der Bundesregierung für strengere Prüfungen sagte ein Huawei-Sprecher: „Wir begrüßen prinzipiell jede Initiative, die auf Basis objektiver Sicherheitskriterien Prüfmechanismen festschreibt, die die Technologie aller Lieferanten kritischer Infrastruktur unabhängig von ihrem Herkunftsland untersucht und bewertet.“

Letztlich könnte Huawei die Sicherheitssorgen nur mit strengeren Prüfungen kaum entkräften, argumentierte Jan-Peter Kleinhans vom Thinktank Stiftung Neue Verantwortung. Eine Option für Huawei könnte jedoch sein, den Firmensitz aus China wegzuverlagern, um sich einem möglichen Zugriff der chinesischen Regierung zu entziehen. Diese Möglichkeit wies Huawei allerdings zurück. „Das steht nicht zur Diskussion“, sagte ein Firmensprecher.

Die Kernnetze machen rund 20 Prozent der Ausgaben der Mobilfunkbetreiber für ihre elektronische Netzwerkausrüstung aus. Ein Ausschluss von Huawei aus dem Kernnetz in Deutschland wäre möglich, heißt es aus Branchenkreisen. Allerdings warnen Firmenvertreter davor, dass der Bann von Huawei-Technik aus dem Herzen der Netze zu massiven Mehrkosten führen und den Ausbau von 5G verlangsamen könnte.

Noch größer ist die Sorge, Huawei-Technik könnte komplett ausgeschlossen werden. „Das wäre kaum möglich“, sagte ein ranghoher Telekommunikationsmanager dem Handelsblatt. Huawei-Geräte steckten in den Netzen aller drei Mobilfunkbetreiber. Es würde einige Jahre dauern, alle Technik zu entfernen, und es hätte massive Konsequenzen für die Qualität der Netze.

Die nun von der Bundesregierung angedachten Regeln dürften den deutschen Netzbetreibern entgegenkommen, so hatte die Deutsche Telekom in einem Positionspapier in weiten Teilen gleiche Schritte vorgeschlagen. Konkret ausschließen, wie es etwa Neuseeland oder Australien gemacht hatten, will die Bundesregierung Huawei nicht.

Länder wie Großbritannien gehen einen ähnlichen Weg wie Deutschland, indem sie die Sicherheitsanforderungen hochschrauben und auf freiwillige Beschränkungen der Netzbetreiber setzen.

Neues Ungemach droht den chinesischen Anbietern Huawei und ZTE aus Brüssel, wenn auch noch nicht unmittelbar. „Es ist klar, dass die Kommission etwas unternehmen muss“, heißt es in EU-Kreisen. Die Kontrolle über die Netze zu behalten sei wichtig für die strategische Autonomie Europas. Konkrete Vorschläge seien aber erst nach der Europawahl im Mai zu erwarten, wenn die Juncker-Kommission die Geschäfte an ihre Nachfolger übergeben hat.

Was konkret auf Huawei und ZTE zukommt, ist noch offen. Die Experten der Kommission und des EU-Forschungszentrums Joint Research Center prüfen derzeit unterschiedliche Optionen, wie die Sicherheit der in den Netzen verbauten Teile gewährleistet werden kann.

Diskutiert werden etwa Vorgaben an die Mitgliedstaaten, welche Standards sie bei öffentlichen Ausschreibungen beachten sollten. Auch über eine Empfehlung zugunsten der europäischen Netzausrüster Nokia und Ericsson wird intern nachgedacht.

Zu den auf Expertenebene durchgespielten Optionen zählt auch, die seit 2016 geltende EU-Cybersicherheitsrichtlinie zu ändern, um die chinesischen Anbieter beim Aufbau von 5G-Netzen aussperren zu können. Gegen einen solchen weitreichenden Schritt gibt es aber auch intern erhebliche Vorbehalte.

„Die Europäische Kommission erwägt derzeit nicht, EU-Recht anzupassen“, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Es sei Sache der einzelnen EU-Staaten, über den Ausschluss von Unternehmen aus Sicherheitsgründen zu entscheiden.

Schon konkreter sind hingegen die Vorbereitungen für eine Sicherheitszertifizierung der Netzausrüster. Die gesetzlichen Grundlagen dafür wurden im vergangenen Jahr geschaffen, in einigen Monaten dürften die detaillierten Anforderungen an die einzelnen Produkte festgelegt werden. Die Teilnahme an der Zertifizierung ist zwar freiwillig, doch die chinesischen Anbieter dürften sich angesichts des politischen Drucks dem aber kaum entziehen können.

Die derzeitige Debatte über Huawei wird in Brüssel ausdrücklich begrüßt. „Es ist wichtig, vor den 5G-Auktionen das Problembewusstsein in der Politik zu wecken“, heißt es in EU-Kreisen. In der Kommission werden die Sicherheitsbedenken der USA durchaus geteilt – vor allem wegen der gesetzlichen Verpflichtung chinesischer Unternehmen, mit den nationalen Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten.