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„Hotellerie und Gastronomie schwankt zwischen Wut und Verzweiflung“ – Dehoga prüft Klage

Die deutschen Wirtschaftsverbände kritisieren die neuen Corona-Beschlüsse. Der Hotel- und Gaststättenverband prüft sogar rechtliche Schritte. Die Reaktionen im Überblick.

Leere Tische und Bänke in einem Biergarten gegenüber des Bundeskanzleramts. Foto: dpa
Leere Tische und Bänke in einem Biergarten gegenüber des Bundeskanzleramts. Foto: dpa

Mit strengen Kontaktbeschränkungen für die Bürger und einem Herunterfahren fast aller Freizeitaktivitäten wollen Bund und Länder die zweite Corona-Infektionswelle in Deutschland brechen. Vor dem Hintergrund dramatisch steigender Infektionszahlen einigten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Mittwoch auf die einschneidendsten Schritte seit dem großen Lockdown im Frühjahr.

So sollen unter anderem Hotels, Restaurants, Kinos und Theater ab dem kommenden Montag für den gesamten Monat November schließen. In dieser Zeit dürfen sich auch nur wenige Menschen privat treffen.

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Merkel rief zu einer „nationalen Kraftanstrengung“ auf und betonte: „Wir müssen handeln, und zwar jetzt. Und zwar müssen wir handeln, um eine akute nationale Gesundheitsnotlage zu vermeiden.“ Schulen, Kitas und Geschäfte sollen aber anders als im Frühjahr offen bleiben.

Auf die Frage, ob die Politik den Menschen nicht sehr viel zumute, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD): „Das, was wir uns immer miteinander zumuten müssen, ist die Wahrheit.“ Wenn die Infektionszahlen stark steigen, müsse man dafür sorgen, dass das nicht immer so weitergehe. „Bevor ein unkontrollierbarer Zustand erreicht wird, müssen wir die Kontrolle zurückgewinnen“, so Scholz. „Das versuchen wir in diesem November, damit die nächsten Monate dann für uns alle etwas einfacher werden.“

Den von den Schließungen betroffenen Betrieben, Selbstständigen, Vereinen und Einrichtungen gewährt der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Diese soll ein Finanzvolumen von bis zu zehn Milliarden haben. Der Bund wird auch Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche verbessern.

Wirtschaftsverbände kritisieren die massiven Beschränkungen dennoch. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer erklärte am Mittwoch: „Es ist gut, dass Bund und Länder einen pauschalen Wirtschafts-Lockdown erkennbar vermeiden wollten, gleichwohl ist das nicht durchgängig gelungen und ein harter und bitterer Tag für viele Handwerksbetriebe.“

Dehoga will gegen Beschluss klagen

Die großen Anstrengungen und Investitionen vieler Betriebe in den vergangenen Monaten, mit ausgeklügelten Hygienekonzepten Kunden und Mitarbeiter zu schützen, hätten mehr Anerkennung verdient. „Manche Handwerksbereiche sind teils unmittelbar, teils mittelbar von den nun anstehenden Schließungen substanziell betroffen.“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) prüft gar rechtliche Schritte gegen den Beschluss an. Das kündigte Sachsen-Anhalts Dehoga-Chef Michael Schmidt am Mittwochabend im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an.

„Es ist eine große Enttäuschung, das ist wirklich dramatisch für uns“, sagte Schmidt. „Wir sind nicht der Treiber der Pandemie.“ Klagen könnten nur die Gastronomen selbst. Die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges sagte am Abend in der ARD, es hätten sich schon Mitglieder gemeldet, die klagen wollten.

Die Entschädigungen stimmt Dehoga-Landeschef Schmidt nur mäßig optimistisch. „Die Soforthilfen im Frühling kamen am Ende auch deutlich später an, als ursprünglich gedacht.“ Bei den neuen Hilfen komme es auf jeden Tag an. Bei den Mitgliedern seines Verbandes würden nun die Existenzängste aus dem Frühling wiederkommen.

Aus Sicht von Familienunternehmern sind nun vor allem Jobs in der Wirtschaft gefährdet. Der Shutdown dürfe nicht zum Knockdown werden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Albrecht von der Hagen, der Deutschen Presse-Agentur. „Viele Unternehmer der Hotellerie und Gastronomie schwanken zwischen Wut und Verzweiflung. Wenn der Staat beschließt, dass diese Betriebe geschlossen werden, muss er auch für die wirtschaftlichen Folgen Verantwortung tragen und Entschädigungen zahlen.“ Ansonsten beginnt der Kahlschlag ganzer Branchen.“ Der Entschädigungspassus im Beschluss sei viel zu unpräzise.

Von der Hagen sagte, es bestehe ein erhebliches Kontrolldefizit bei den Corona-Schutzmaßnahmen. „Hier muss der Staat nachsteuern und beispielsweise Personalressourcen in den Ministerien und Ämtern umschichten.“ Es geht um die „schwarzen Schafe“ wie etwa Maskenverweigerer, die bis jetzt noch nicht begriffen hätten, was auf dem Spiel stehe - für die Gesundheit der Menschen, aber auch für die Wirtschaft insgesamt und die Jobs, die daran hängen.

Aus Sicht des Handelsverbands Deutschland werden viele Handelsunternehmen auf die zugesagte staatliche Hilfe angewiesen sein. Positiv sei, dass in den Geschäften nun statt ursprünglich vom Bund geplant einem Kunden pro 25 Quadratmeter, zumindest ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche zugelassen sein solle. „Der faktische Lockdown gefährdet jedoch viele Einzelhändler in der Innenstadt.“

Kritik kommt auch von der Seite der Ökonomen. So warnt IfW-Präsident Gabriel Felbermayr vor „deutlichen, wirtschaftlichen Einbußen“. Das Wachstum im vierten Quartal würde vermutlich zum Stillstand kommen.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht ebenfalls die Gefahr, dass das Wirtschaftswachstum in nächsten Quartal zum erliegen kommt. Aber: „Ein begrenzter Lockdown jetzt wäre auch wirtschaftlich die deutlich bessere Option als ein „weiter so““, schreibt er weiter auf Twitter.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Guido Zeitler erwartet eine stärkere Unterstützung der Kurzarbeiter in der Branche. Durch den Lockdown müssten wieder mehrere Hunderttausende Beschäftigte der Gastronomie und Hotellerie in Kurzarbeit, sagt Zeitler den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Donnerstagsausgaben). „Das trifft vor allem jene existenziell, die im Niedriglohnbereich arbeiten. Gerade in der Gastronomie leben die Beschäftigten auch von Trinkgeldern, die jetzt wegfallen“, erklärt er.

Minijobber in der Branche hätten bislang überhaupt noch keine Hilfe erhalten. Seit dem Frühjahr sei schon jeder sechste Arbeitsplatz weggefallen.

Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller hat vor einer Benachteiligung von Verbrauchern gewarnt. „Wenn touristische und Freizeitaktivitäten nicht mehr wahrgenommen werden können, dürfen Verbraucher nicht auf ihren bereits bezahlten Kosten sitzen bleiben“, sagt Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), der Düsseldorfer Zeitung „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Wenn Unternehmen bis zu 75 Prozent ihres Umsatzverlustes ersetzt bekommen, müsse das auch bedeuten, dass es keine erneuten Zwangsgutscheine, sondern Erstattungen von Vorauszahlungen geben muss. Auch Bahn und Fluglinien müssten den Reisenden im November eine kostenlose Umbuchung ermöglichen, fordert er.