Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 4 Stunden 52 Minuten
  • Nikkei 225

    36.923,30
    -1.156,40 (-3,04%)
     
  • Dow Jones 30

    37.775,38
    +22,07 (+0,06%)
     
  • Bitcoin EUR

    57.605,05
    -587,68 (-1,01%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.264,46
    +378,92 (+40,63%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.601,50
    -81,87 (-0,52%)
     
  • S&P 500

    5.011,12
    -11,09 (-0,22%)
     

Die Hongkong-Frage entzweit China und seine Partner

Der Streit um Hongkongs Zukunft wird zur schweren Belastung der internationalen Beziehungen. Die EU muss sich entscheiden, wie sie darauf reagieren will.

Die USA haben ihre Handelsbeziehungen zu China in Reaktion auf das neue Gesetz eingeschränkt. Foto: dpa
Die USA haben ihre Handelsbeziehungen zu China in Reaktion auf das neue Gesetz eingeschränkt. Foto: dpa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist in Zugzwang. Die Verabschiedung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes für Hongkong belastet die internationalen Beziehungen Chinas zu den USA und zur Europäischen Union zunehmend. Politiker und Regierungsvertreter weltweit kritisierten das Gesetz, das Chinas Scheinparlament am Dienstag durchwinkte.

Von der Leyen hatte Konsequenzen angekündigt. Jetzt will sie mit internationalen Partnern genau überlegen, wie man reagiert. Das neue Gesetz sei weder vereinbar mit dem Basic Law Hongkongs – dem Mini-Grundgesetz der Sonderverwaltungszone – noch mit Chinas internationalen Verpflichtungen, kritisierte die Kommissionschefin.

WERBUNG

„Wir haben stets gesagt, dass China sehr negative Konsequenzen tragen müsse, wenn es das Gesetz vorantreibe, auch für das Vertrauen der Unternehmen und Chinas Ansehen in Hongkong und international“, so von der Leyen.

Die US-Regierung hatte Hongkong bereits am Montag Privilegien aus dem besonderen Handelsstatus entzogen, den die chinesische Sonderverwaltungszone genießt. Der Export von Rüstungsgütern nach Hongkong wurde gestoppt. Zudem wird die Ausfuhr von Technologien, die dem Militär dienlich sein könnten, künftig den gleichen Beschränkungen unterliegen wie Exporte nach China. Weitere Maßnahmen zur Beseitigung der differenzierten Behandlung würden ebenfalls geprüft, hieß es in einer Mitteilung von US-Handelsminister Wilbur Ross.

Auch die Wirtschaft blickt mit Sorge auf das Gesetz. Das Sicherheitsgesetz werde die Eingriffsrechte der chinesischen Zentralregierung in Hongkong deutlich erhöhen und könnte die ohnehin angespannte Lage weiter verschärfen, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.

Max Zenglein, Leiter des Wirtschaftsprogramms beim Berliner China-Thinktank Merics, warnte: „Mit dem Gesetz wird sich das Geschäftsklima in Hongkong für ausländische Unternehmen zunehmend ändern.“ Auch wenn die unmittelbaren Auswirkungen zunächst begrenzt sein dürften, stehe der Finanzmetropole ein Strukturbruch bevor.

Wachsender Einfluss Pekings

Peking argumentiert, dass das Gesetz Handlungen in Hongkong verhindern soll, die die nationale Sicherheit in der chinesischen Sonderverwaltungszone gefährden. Kritiker sehen in dem Gesetz, das Peking weitreichende Eingriffe in Hongkong gewähren soll, jedoch einen Bruch mit dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“, zu dem sich China bei der Rückgabe Hongkongs durch Großbritannien im Jahr 1997 verpflichtet hatte. Dies sieht einen weiterhin hohen Grad an Autonomie für die Sonderverwaltungszone vor.

Im vergangenen Jahr war es zu monatelangen heftigen Protesten in Hongkong gekommen, die sich gegen den wachsenden Einfluss Pekings richteten. Im Gegensatz zu Festland-China bestand in Hongkong bislang ein unabhängiges, funktionierendes Rechtssystem. Beobachter fürchten, dass Peking mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz ein paralleles chinesisches Rechtssystem in Hongkong einrichtet.

Auch in Berlin kritisierten Politiker den Schritt Pekings scharf. Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, nannte die Verabschiedung des Gesetzes einen „Akt völliger Intransparenz“. Der Tag, an dem das Gesetz in Kraft trete, werde der Tag sein, an dem das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ nicht mehr existiere. Gyde Jensen, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag und menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, forderte Sanktionen gegen die Kommunistische Partei Chinas (KP).

Die USA hatten wegen des Vorgehens von Peking in Hongkong bereits Sanktionen gegen führende Mitglieder von Chinas Kommunistischer Partei angekündigt. Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam verteidigte das neue Sicherheitsgesetz. Es werde Hongkongs hohes Maß an Autonomie nicht aushöhlen, versicherte sie in einer Videobotschaft vor dem UN-Menschenrechtsrat.

Rechte wie die Freiheit der Rede, der Presse und die Demonstrationsfreiheit würden weiter gewährleistet. Ausländischen Staaten, die das Vorgehen Chinas kritisierten, warf Lam Doppelmoral vor. „All die, die mit dem Finger auf China deuten, haben ihre eigene Gesetzgebung zur nationalen Sicherheit“, sagte sie.

Wichtige Details unklar

Lange hatten alle Beobachter auf den genauen Gesetzestext gewartet. Erst am Dienstag zu chinesischer Nachtzeit wurde er von der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlicht. Diese hatte zuvor lediglich über eine Zusammenfassung des Gesetzesentwurfs berichtet. Wichtige Details fehlten darin jedoch.

So sieht das Gesetz dem Xinhua-Bericht zufolge unter anderem vor, dass China in Hongkong ein nationales Sicherheitsbüro einrichtet, das Geheimdienstinformationen sammeln und sich mit Verbrechen gegen die nationale Sicherheit befassen soll. Was genau darunter fällt, ist nicht näher benannt.

Das Gesetz sieht zudem vor, dass alle anderen Gesetze dem nationalen Sicherheitsgesetz untergeordnet sind und Verdächtige nach China ausgeliefert werden können. Unklar ist jedoch, was genau darunter fällt und ob es zum Beispiel schon als Verstoß gegen das Sicherheitsgesetz gilt, wenn etwa ein Unternehmen eine Peking-kritische Analyse verfasst. Auch über das Strafmaß ist nichts bekannt. Anders als befürchtet soll das Gesetz aber nicht rückwirkend gelten, versicherte Lam.

Laut einer englischen Übersetzung soll Hongkong eine „Kommission zur Wahrung der nationalen Sicherheit“ einrichten. Diese akzeptiere die Aufsicht und Rechenschaftspflicht der Zentralregierung in Peking. Dem Gremium soll der Hongkonger Regierungschef vorstehen.

Das Gremium soll weitreichenden Spielraum haben. In die Arbeit der Kommission dürfe sich keine Institution, Organisation oder Individuum in Hongkong einmischen. Die Entscheidungen des Gremiums unterlägen keiner gerichtlichen Überprüfung. Informationen über seine Arbeit dürfen nicht veröffentlicht werden. Insgesamt umfasst der Gesetzestext 18 Seiten und beschreibt auch mögliche Strafmaße.

Mehr: Handel, Hongkong, Flugrechte: Die Regierungen in Peking und Washington gehen im Streit miteinander zunehmend rücksichtsloser vor. Europa gerät immer mehr zwischen die Fronten.