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„Das Homeschooling war eine dramatische Erfahrung“ – Studie belegt Rückstand bei Digitalisierung

Die Deutschen sind mit den Leistungen des digitalen Staats unzufriedener als Bürger vieler anderer Länder, zeigt eine BCG-Studie. Es droht eine Vertrauenskrise.

Besonders das Homeschooling zeigte während der Coronakrise, woran es beim digitalen Staat noch hapert. Foto: dpa
Besonders das Homeschooling zeigte während der Coronakrise, woran es beim digitalen Staat noch hapert. Foto: dpa

Die Coronakrise macht es möglich: Weil im ersten Lockdown viele Kfz-Zulassungsstellen in Bayern geschlossen wurden, erleichterte die Regierung des Freistaats kurzerhand das Online-Anmeldeverfahren. Statt mit der kaum genutzten elektronischen ID-Funktion des Personalausweises können sich Antragsteller mit einem Benutzernamen und Passwort anmelden. Die Anzahl der digitalen Verfahren hat sich dadurch um das Zwanzigfache erhöht.

Eine unkomplizierte und bürgerfreundliche Lösung, die Schule machen sollte, findet Ralf Kleindiek, der fast 20 Jahre in der öffentlichen Verwaltung tätig und zuletzt Staatssekretär im Bundesfamilienministerium war, bevor er 2019 zur Boston Consulting Group (BCG) wechselte.

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„Wir versuchen seit Jahren, den Personalausweis zu einem Identifizierungs- und Authentifizierungsinstrument zu machen, und erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger sich ein Kartenlesegerät anschaffen“, sagt der Berater. Digitale Verwaltung finde aber nur Akzeptanz, wenn der Zugang einfach ist – beispielsweise über das Smartphone.

Und daran hapert es in Deutschland noch zu oft. Alle zwei Jahre ermittelt die Boston Consulting Group in ihrem BCG Digital Government Citizen Survey, wie stark die Bürger im internationalen Vergleich digitale Verwaltungsdienstleistungen nutzen und wie zufrieden sie sind. Für die aktuelle Erhebung wurden 24.500 Bürger aus 36 Ländern befragt, davon 2000 hierzulande.

Deutschland fällt bei der Nutzung digitaler Verwaltungsangebote zurück

Das Ergebnis: Verglichen mit der letzten Erhebung sind die Deutschen bei der Nutzung digitaler Behördenangebote weiter zurückgefallen. Der Abstand zu den Top-Ten-Ländern, angeführt von Indien, Saudia-Arabien, Dänemark und China, hat sich noch vergrößert. Je nach abgefragter Kategorie – von der Online-Stimmabgabe bei Parlamentswahlen über die Beantragung von Baugenehmigungen oder Pässen bis hin zur Suche nach Firmeninformationen – gehört Deutschland zu den schlechtesten zehn bis 15 Prozent.

Zwar ist hierzulande rund jeder zweite Befragte zufrieden mit digitalen Verwaltungsdienstleistungen. Im Durchschnitt der untersuchten Industrieländer liegt der Anteil mit 64 Prozent aber deutlich höher – und die Zufriedenheit der Deutschen hat im Vergleich zu 2018 abgenommen. Davon, dass Bürger mit Digitalangeboten von Ämtern und Behörden ähnlich zufrieden sind wie mit denen privater Anbieter, kann Deutschland nur träumen. Ähnliche Ergebnisse hatte jüngst auch eine Studie der Beratungsagentur Next Public für den Beamtenbund erbracht.

Digitale Angebote seien nutzerfreundlich und könnten sehr individuell und passgenau auf den einzelnen Bürger zugeschnitten werden, sagte die für die Digitale Agenda zuständige Vizechefin der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), dem Handelsblatt.

„Wir müssen daher bei der Digitalisierung der Verwaltung Gas geben.“ Denn eine funktionierende Verwaltung sei „unabdingbar für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat“.

Andere Untersuchungen zeichnen dagegen ein nicht ganz so negatives Bild. Im E-Government-Monitor 2020 der Initiative D21, der die Nutzung und Akzeptanz staatlicher Digitalangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht, hat die Bundesrepublik zuletzt aufgeholt. Bei der Zufriedenheit mit digitalen Verwaltungsservices in der Corona-Pandemie schneidet sie aber am schlechtesten ab.

Und der Nationale Normenkontrollrat hatte die Bundesregierung jüngst gemahnt, dass die zusätzlichen drei Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket allein nicht ausreichten, um die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen. Vielmehr müsse man „Komplexität reduzieren und wettbewerbsfreundlich standardisieren“, schreibt das Gremium in seinem Jahresbericht.

Große IT-Projekte des Bundes hinken dem Zeitplan hinterher

Das sehen die BCG-Berater ähnlich. Allen, die sich ernsthaft damit befassten, sei klar, dass es nicht mehr gelingen werde, in den verbleibenden zwei Jahren knapp 600 Verwaltungsservices und knapp 6000 dahinterstehende Dienstleistungen digital anzubieten, sagt Kleindiek. „Man sollte sich auf die 20 oder 30 wichtigsten Dienstleistungen konzentrieren und diese dann flächendeckend einführen.“

Nicht nur das OZG sorgt für Enttäuschung. Auch andere große IT-Projekte der Bundesverwaltung hinkten ihrem Zeitplan hinterher – zum Teil um Jahre. Das gelte beispielsweise für die IT-Konsolidierung der Bundesverwaltung, das Projekt „Polizei 2020“ oder die Registermodernisierung.

Nur wenn die Register technologisch auf dem neuesten Stand seien, könne die Verwaltungsmodernisierung gelingen, sagt CDU-Politikerin Schön. „Deshalb ist es wichtig, dass das Registermodernisierungsgesetz zügig verabschiedet wird.“ Es befinde sich derzeit in der parlamentarischen Beratung.

Um in Zukunft erfolgreicher zu agieren, schlägt BCG den Aufbau eines Digitalministeriums auf Bundesebene und einer Bundesakademie für Digitalisierung vor, die das nötige Personal ausbildet. In Dänemark beispielsweise sei es dank der 2011 gegründeten dänischen Digitalisierungsagentur gelungen, die Bearbeitungszeit von Anträgen durch Behörden um 30 Prozent zu senken. Rund 70 Prozent aller Behördengänge in Dänemark lassen sich online abwickeln – mehr als in jedem anderen Industrieland.

Unions-Digitalexpertin Schön verweist auf DigitalService4Germany, eine Bundes-GmbH, die unter Einbeziehung externer Experten digitale Lösungen für die Verwaltung entwickeln kann. Schon die ersten Durchgänge hätten in den Ministerien einen Modernisierungsschub ausgelöst.

Noch steht Deutschland beim Vertrauen der Bürger in den Staat gut da. Die BCG-Studie legt aber nahe, dass Schwächen beim digitalen Serviceangebot dieses Vertrauen auf Dauer untergraben könnten. Beispielsweise hätten viele Eltern in den Lockdown-Phasen der Coronakrise „dramatische Erfahrungen“ mit dem Homeschooling gemacht, betont Kleindiek: „Solche Erfahrungen führen dazu, dass die Digitalisierungskrise zu einer Vertrauenskrise für den Staat insgesamt wird.“