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Homeoffice im Hotel: Spanische Unterkünfte erfinden sich in der Pandemie neu

Um sich in der Coronakrise neue Einnahmen zu sichern, bieten Hotels ihre Zimmer fürs Homeoffice an. Experten sehen darin einen langfristigen Trend.

Sergio Elena hat als Gründer eines Online-Reisebüros schon seit Jahren von zu Hause aus gearbeitet. Doch nachdem er in der ersten Viruswelle wie alle Spanier wochenlang zu Hause eingesperrt gewesen war und danach sämtliche Geschäftstreffen ausgefallen waren, brauchte der Manager einen Tapetenwechsel. „Ich musste etwas anderes sehen tagsüber“, sagt er.

Seitdem arbeitet Elena zwei bis drei Tage die Woche im Hotel Aloft nahe der Madrider Prachtstraße Gran Vía. „Das ist bei mir um die Ecke, hat eine angenehme Atmosphäre und im Sommer eine wunderbare Dachterrasse, wo man etwas trinken kann.“

Viel zu tun hat er derzeit zwar nicht – der Tourismus ist die Branche, die am stärksten unter der Pandemie leidet. Aber einige wagemutige Kunden bedient der Gründer weiterhin.

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Spanien ist nach Frankreich der größte Tourismusmarkt der Welt. Nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts INE ist die Zahl der Übernachtungen von ausländischen Touristen bis November im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 81 Prozent eingebrochen. Daten für Dezember gibt es noch nicht.

Die Hälfte der Hotels blieb im November gleich ganz geschlossen, die übrigen waren gerade einmal zu 16 Prozent belegt. In der Not greifen vor allem Stadthotels zu besonderen Maßnahmen: Sie bieten ihre Hotelzimmer als Büroersatz an.

„Hotels müssen durchhalten, bis die Pandemie vorüber ist“

Die Vorteile liegen auf der Hand: Dort ist überall schnelles Internet vorhanden. Die umfassenden Hygienekonzepte machen Hotels in der Pandemie vergleichsweise sicher, und dort stören weder die eigenen Kinder noch der ebenfalls im Homeoffice arbeitende Partner die Konzentration.

„Es ist für die Hotels wichtig durchzuhalten, bis die Pandemie vorüber ist“, sagt Oriol Anguera-Torrell, Dozent und Forscher für angewandte Ökonomie im Tourismus an der Universität von Barcelona. „Dafür müssen sie innovativ sein.“ Gerade Stadthotels seien meist erstklassig gelegen und hätten meist einen eigenen Pool und ein Fitnessstudio. „Da ist es sinnvoll, diese Einrichtungen auch für Telearbeiter anzubieten“, so der Experte.

Der Immobiliendienstleister Colliers International geht davon aus, dass Hotels ihre Einnahmen um bis zu 20 Prozent steigern können, wenn sie Übernachtungen und Bürovermietung kombinieren, und erwartet, dass Stadthotels diese Angebote künftig weiter ausbauen.

Das gilt umso mehr, als sich auch in diesem Jahr die Lage noch nicht wieder komplett entspannen dürfte. Zwar haben die Impfungen gegen das Coronavirus begonnen, aber bis überall die nötige Herdenimmunität erreicht ist, könnte es noch bis zum Herbst dauern.

Studie: Spaniens Tourismus erreicht nicht vor 2024 sein altes Niveau

Die Unternehmensberatung McKinsey geht in einer Studie vom vergangenen Oktober davon aus, dass die Tourismusbranche in einigen Ländern erst im Jahr 2024 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen wird. Dies wird voraussichtlich auch in Spanien der Fall sein, da das Land besonders stark von der Pandemie betroffen war und der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Folglich leidet die spanische Wirtschaft besonders stark unter der Krise – was wiederum die Urlaubsbudgets der heimischen Touristen schmälert.

Mariana Bonilla, Eventmanagerin im Hotel Only You Atocha in Madrid will die Telearbeit im Hotel so oder so fest installieren. „Für uns ist das kein Pandemie-Pflaster, sondern ein neues Projekt“, sagt sie. Only You Atocha, das zur Palladium-Hotelgruppe gehört, hat eine komplette Etage mit 40 der insgesamt 206 Betten im Hotel zu Büros umgerüstet.

Die Betten wurden aus den Zimmern entfernt, stattdessen kamen weitere Schreibtische hinzu. Bis zu sechs Personen können nun in einem Zimmer arbeiten. „Wir sind im Oktober gestartet, und im November und Dezember war rund die Hälfte der Zimmer gebucht“, sagt sie. Demnächst soll das Konzept auch in Málaga und Valencia starten.

Das Only You liegt gleich neben dem Madrider Hauptbahnhof Atocha. Manager nutzten es bereits vor der Krise für ein- oder zweistündige Meetings. Das Teleworking-Angebot richtet sich dagegen auch an die Madrider. „Die Idee ist, eine Gemeinschaft zu schaffen“, sagt sie. Dafür organisiert das Hotel Networking-Events mit Vorträgen und kooperiert unter anderem mit der Business School IE in Madrid.

Büro für 100 Euro am Tag

„Hotels schaffen sich mit Büroräumen ein zweites Standbein und sind nicht mehr nur von den Reisenden abhängig“, erklärt Tourismusexperte Anguera-Torrell. Mit bereits bestehenden Coworking-Angeboten seien sie aber nicht vergleichbar, weil individuelle Zimmer sowie die übrigen Services im Hotel eine deutlich höherwertige Offerte darstellten.

Die allerdings hat ihren Preis. Im Only You Atocha kostet ein kompletter Tag 100 Euro, im Meliá an der edlen Calle Serrano 89 Euro und im Boutique Hotel Tótem 120 Euro. Dafür gibt es dann aber die Junior Suite mit 27 Quadratmetern sowie eine zweistündige Nutzung des hoteleigenen Konferenzraums sowie des Fitnessstudios. „Für Unternehmen kann es durchaus billiger sein, tageweise Büro- und Konferenzräume im Hotel zu mieten, als jeden Monat die Miete für eigene Büroräume zu zahlen“, sagt Anguera-Torrell. „Der Trend zur Telearbeit wird schließlich bleiben.“

Firmen sparen monatliche Mietkosten

Rocío Redondo, die an der Rezeption des Madrider Hotels Aloft arbeitet, weiß das aus eigener Erfahrung. „Zu uns kommen auch Mitarbeiter eines kleinen Unternehmens, das sich in der Krise die Miete nicht mehr leisten konnte“, sagt sie. „Jetzt treffen sie sich zu Meetings bei uns und arbeiten sonst von zu Hause aus.“

Anders als die meisten Madrider Hotels vermietet Aloft keine Zimmer an Telearbeiter, sondern maximal fünf Plätze im Frühstücks- und Aufenthaltsraum sowie in der Konferenzzone. Für zwölf Euro am Tag ist darin auch das Frühstück enthalten. „Damit verdienen wir nicht viel“, sagt Rocío. „Aber es tat uns weh, das Hotel so leer zu sehen – und unsere Plätze zum Arbeiten sind meistens auch belegt.“

Dabei ist Spanien in Sachen Homeoffice ein Spätzünder. Im dritten Quartal 2020 haben rund zehn Prozent aller spanischen Beschäftigten von zu Hause aus gearbeitet. Das sind zwar doppelt so viele wie im Vorjahr. In Deutschland dagegen lag der Anteil schon vor der Pandemie mit 13 Prozent deutlich höher. Im ersten teilweisen Lockdown im April stieg er auf 35 Prozent. Und auch hierzulande bieten zahlreiche Hotels Büroräume als Flucht vor spielenden Kindern daheim oder ebenfalls im Wohnzimmer arbeitenden Partnern an. Das Portal www.homeoffice-im-hotel.de etwa listet bereits 662 Häuser.