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Hohe Verluste für Big Oil: „Das schlimmste Jahr, das die Ölindustrie erlebt hat“

Trotz leichter Erholung im vergangenen Quartal verlieren die Ölkonzerne Milliarden. Die Europäer ändern ihre Strategie – die US-Konkurrenz setzt dagegen auf noch mehr Öl.

Die Zahlen der Multis sind zwar nicht so verheerend wie im zweiten Quartal - dennoch lässt die Bilanz zu wünschen übrig.  Foto: dpa
Die Zahlen der Multis sind zwar nicht so verheerend wie im zweiten Quartal - dennoch lässt die Bilanz zu wünschen übrig. Foto: dpa

Die Ölindustrie ist wohl eine der Branchen, die durch die Folgen der Corona-Pandemie mit am schlimmsten getroffen wurden. Nun machen erneute Shutdown-Maßnahmen in vielen Ländern der Welt schon die kleinste Erholung zunichte. Wie schlecht die Lage ist, zeigt ein Blick in die am Freitag veröffentlichten Zahlen der fünf größten börsennotierten Öl- und Gaskonzerne.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben Shell, Exxon Mobil, Chevron, BP und Total ein Minus von insgesamt 36,4 Milliarden Dollar gemacht. Zum Vergleich: Im Vorjahr stand unter dem Strich noch ein Gewinn von knapp 50 Milliarden Dollar.

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Schuld ist zum einen die seit März weltweit eingebrochene Ölnachfrage, der stark gefallene Rohölpreis und das bereits vor der Pandemie herrschende Überangebot an fossilen Rohstoffen

„Das ist das schlimmste Jahr, das die Ölindustrie bislang erlebt hat. So einen Nachfrageeinbruch hat es noch nie gegeben und das hat Folgen“, sagte Ölexpertin Cornelia Meyer im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Die Situation ist ernst. Allein im dritten Quartal musste der größte börsennotierte Ölkonzern Exxon Mobil ein Minus von 680 Millionen Dollar verbuchen. Einen Tag zuvor hatte CEO Darren Woods angekündigt, 15 Prozent seiner Mitarbeiter zu entlassen. Ein Novum in der Geschichte des texanischen Ölgiganten. Zusammen streichen die „Big Five“ über 41.000 Stellen. In der gesamten Öl- und Gasbranche sollen es laut Energieberatungsunternehmen Rystad Energy gar 400.000 Jobs sein.

Lockdowns, Home Office und Reisebeschränkungen haben die weltweite Kraftstoffnachfrage bereits im Frühjahr um mehr als ein Drittel einbrechen lassen. Zwar hat sich der Konsum mittlerweile wieder etwas erholt, er bleibt aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau als noch vor einem Jahr.

Gleichzeitig zeigte sich der Ölpreis in den vergangenen Monaten besonders volatil. Von 55 Dollar im Januar für ein Barrel der US-Ölsorte WTI fiel er im März sogar kurzzeitig ins Minus, hat sich aber aktuell zwischen 36 und 40 Dollar pro Barrel (Brent/WTI) auf einem niedrigen Niveau eingependelt.

„Dass der Ölpreis jetzt wieder um ein paar Dollar gefallen ist, ist eine Reaktion auf die erneuten Lockdown-Maßnahmen in vielen Ländern. Das war die letzten Monate vielerorts etwas entspannter und das sieht man auch an den Zahlen für das dritte Quartal“, erklärt Meyer.

Denn die zeigen trotz widriger Umstände eine leichte Erholung. So übertrifft der britisch-niederländische Shell-Konzern mit einem Gewinn von knapp 490 Millionen Dollar sogar die Erwartungen der Analysten und auch die französische Total überrascht mit einem Ergebnis von 202 Millionen Dollar im Plus.

Analysten schreiben die wirtschaftliche Stärke des verhältnismäßig kleinen Pariser Unternehmens in auch der Strategie der Franzosen zu. „Total hat es geschafft das Gleichgewicht zwischen dem Wachstum seines kohlenstoffarmen Geschäfts, der Aufrechterhaltung seines Kerngeschäfts und der Aufrechterhaltung seiner Dividende zu finden“, schreibt RBC-Analyst Biraj Borkhataria in seinem Bericht. Aber auch Total sei nicht immun gegen die Folgen der Viruspandemie.

Die schwierige Marktlage sowie der Aufstieg erneuerbarer Energien stellen die gesamte Branche vor große Herausforderungen. So groß, dass der britische BP-Konzern schon den Ölboom für beendet erklärt hat.

In seinem aktuellen Energy Outlook warnt das Londoner Unternehmen, dass die Nachfrage absolut gesehen sogar sinken könnte. Deshalb bauen zumindest die europäischen Ölmultis ihr Geschäftsmodell langsam aber sicher um: Sie streichen Tausende Stellen, setzen sich klare Klimaziele und investieren Milliarden in erneuerbare Energien.

US-Konzerne im Ölfieber

Anders sieht das bei der Konkurrenz in Nordamerika aus. Durch die starke Unterstützung für den fossilen Energiesektor seitens US-Präsident Donald Trump, zeigen Exxon, Chevron oder Conocophillips keinerlei Ambitionen, ihren europäischen Wettbewerbern nachzueifern.

Statt sich zu klaren Klimazielen zu bekennen, setzt Exxon-Chef Woods alles auf Öl. Der Manager ist überzeugt, dass Öl und Gas auch in zwanzig Jahren noch die Hälfte des globalen Energiemixes bestimmen werden. „Einige glauben, dass der dramatische Nachfragerückgang aufgrund der Coronakrise eine beschleunigte Reaktion auf das Risiko des Klimawandels widerspiegelt, und gehen davon aus, dass sich unsere Branche nicht erholen wird“, sagte Woods erst vergangene Woche vor seinen rund 75.000 Mitarbeitern.

Sähe man sich jedoch die Fakten genau an, müsse man zu dem Schluss kommen, „dass die Bedürfnisse der Gesellschaft in den kommenden Jahren zu einem höheren Energieverbrauch führen werden – und dass die von uns hergestellten Produkte damit auch weiterhin benötigt werden.“ Seine geplanten Öl- und Gasprojekte hat das Unternehmen dementsprechend verdoppelt.

Auch US-Rivale Conocophillips zeigt mit dem geplanten Kauf des Schieferöl-Spezialisten Concho Resources vollstes Vertrauen in eine fossile Zukunft. Fast zehn Milliarden Dollar will der Konzern für das texanische Unternehmen auf den Tisch legen. Und auch Chevron machte erst im Juli mit der 13-Milliarden-Dollar-Übernahme des Schieferölproduzenten Noble Energy von sich reden. „Das ist schon sehr mutig“, kommentiert Meyer die massiven Investitionen mitten in der Krise.

Die Kluft zwischen den europäischen Ölmultis und ihren nordamerikanischen Konkurrenten zumindest wird immer größer. Noch macht sich das in den Zahlen nicht bemerkbar, schließlich geht es um einen langfristigen Strategieschwenk. „Die Folgen werden wir erst in zehn bis 15 Jahren sehen“, sagt Meyer. Trotzdem, einen „Green Deal“ werde es für die US-Ölindustrie nur unter einem Präsidenten Joe Biden geben, ist die Ölexpertin überzeugt.