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Hoffnungstechnologie Feststoffbatterie: Wann kommt die E-Auto-Revolution endlich in Serie?

In diesem Labor tüfteln die Forscher des VW-Partners QuantumScape an der Zukunftstechnologie.
In diesem Labor tüfteln die Forscher des VW-Partners QuantumScape an der Zukunftstechnologie.

Der Elektroantrieb scheint den Kampf der Antriebskonzepte augenscheinlich gewonnen zu haben. Doch zwei Dinge halten zumindest Vielfahrer noch vom Umstieg auf ein batteriebetriebenes Auto ab. Zum einen wäre da der vermeintlich kleinere Aktionsradius und zum anderen die angeblich ewig dauernden Ladevorgänge. Allerdings hat sich auf dem Gebiet der Batterieforschung in den letzten Jahren viel getan.

Die Lithium-Ionen-Akkus der neuesten Generation ermöglichen Reichweiten, die denen eines modernen Benziners teilweise schon ebenbürtig sind. Der Technologieträger EQS von Mercedes kommt nach der WLTP-Norm mit einer Füllung beeindruckende 770 Kilometer weit. Zudem dauert das Füllen der Stromspeicher an Schnellladestationen mittlerweile kaum noch länger als ein durchschnittlicher Tankvorgang. Dank seines 800 Volt-Bordnetzes lässt sich der Ladestand des neuen Hyundai Ioniq 5 beispielsweise in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent steigern.

Die Technologie dürfte den Siegeszug beschleunigen

Seit Jahren arbeiten weltweit Forscher an einer neuen Batterietechnologie, die den E-Antrieb nochmals auf ein neues Level bringen dürfte und selbst den hartnäckigsten Zweiflern an der Langstreckentauglichkeit von Elektroautos den Wind aus den Segeln nehmen dürfte. Die sogenannte Feststoffbatterie gleicht nämlich nicht nur bei der Reichweite und den Ladezeiten voraussichtlich einem kleinen Quantensprung, sondern macht das unter Kritikern als übergewichtig und brandgefährlich verrufene E-Auto gleichzeitig auch leichter und sicherer.

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Der Hauptunterschied zwischen den derzeit üblichen Lithium-Ionen-Batterien und der neuen Batterieart liegt darin, dass der konventionelle flüssige Elektrolyt von einem festen Elektrolyten als Ionenleiter ersetzt wird. Zudem wird im Minuspol kein platzraubender Graphit mehr benutzt, um das Lithium einzulagern. Stattdessen wird das Lithium direkt und unverdünnt als Metall abgeschieden. Wenn das Lithium wie bisher in der Graphitstruktur eingelagert wird, wird der elementare Rohstoff um den Faktor 8 verdünnt. Durch diese beiden Änderungen verliert die Batterie also nicht nur an Gewicht und kann kompakter gebaut werden, sondern gleichzeitig auch deutlich mehr Strom speichern.

Die Löschcontainer dürften obsolet werden

Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema E-Mobilität beschäftigt hat, dürfte das Horrormärchen des brandgefährlichen Elektroautos kennen. Dabei handelt es sich meist um Übertreibungen. Laut dem ADAC sind batteriebetriebene PKW mindestens genauso sicher wie Autos mit Verbrennungsmotor, was vor allem an der optimierten Crashstruktur liegt. Falls jedoch der seltene Fall eintritt, das die Lithium-Ionen-Batterie eines EV anfängt zu brennen, ist der Löschaufwand im Vergleich zu einem herkömmlich angetriebenen Auto aber tatsächlich deutlich größer. Aufgrund der großen Hitzeentwicklung springt das Feuer von Zelle zu Zelle über. Daher tunken Feuerwehren die brennenden Elektroautos derzeit komplett in mit Wasser gefüllte Container, um die Zellen herunterzukühlen.

Laut Maximilian Fichtner, dem stellvertretenden Direktor des Ulmer Helmholtz-Instituts, dürfte die Feststoffbatterie diesem Problem Abhilfe schaffen: „Bisher ist in Batterien ein Flüssigelektrolyt enthalten, der die Ladung zwischen den Elektroden transportiert und ähnlich entflammbar wie Benzin ist. Durch das Ersetzen dieser Flüssigkeit mit einer Art Keramik kann das dann nicht mehr brennen. Es gibt theoretisch noch die Möglichkeit, dass sich im Falle des Aufreißens einer Batterie der Minuspol entzündet. Das wäre aber ein vergleichsweise langsam ablaufender Brand“, erklärt der Batterieforscher im Gespräch mit Business Insider.

Reichweite könnte um bis zu 80 Prozent steigen

Für den Endverbraucher dürfte jedoch eher das beträchtliche Potenzial zur Steigerung der Reichweite und der Verkürzung der Ladezeiten das Highlight der Technologie sein. Dank der deutlich gesteigerten Energiedichte wäre das E-Auto in dieser Disziplin nämlich endgültig auf Augenhöhe mit klassischen Benzinern und Dieseln und könnte diese noch schneller ablösen. „Im Vergleich zu derzeitigen Lithium-Ionen-Batterien wird das Verbesserungspotenzial je nach Entwickler zwischen 40 und 80 Prozent geschätzt. Das heißt, eine Batterie für bisher 500 km Reichweite könnte dann einen Radius von 700 bis 900 Kilometer ermöglichen. Wir müssen erstmal abwarten, was die realen Systeme wirklich können, wenn sie auf den Markt kommen“, sagt der Batterie-Experte.

Die aktuellen Batterien sind noch nicht ausgereizt

So dürften auch Reichweiten jenseits der 1.000 Kilometer-Marke auf lange Sicht keine Seltenheit mehr sein. Maximilian Fichtner verweist jedoch darauf, dass auch bei den konventionellen Lithium-Ionen-Akkus weiterhin große Fortschritte erwartet werden. Durch ein Bündel von Maßnahmen soll auch hier die Reichweite in den nächsten Jahren um bis zu 50 Prozent steigen, während die maximal erreichbare Laufleistung laut dem Forscher schon jetzt bei rund einer Million Kilometer liege.

Unter Umständen dürften sich auch die Platzverhältnisse verbessern, da die Feststoffbatterie kompakter ist und so insgesamt weniger Platz in Anspruch nimmt. Das niedrigere Gewicht könnte zudem bei den Fahrleistungen und der Effizienz der E-Autos weitere Vorteile bringen. Um wie viele Kilo die neue Batterieart tatsächlich leichter sein wird, kann man laut Maximilian Fichtner heute aber noch nicht sicher sagen: „Bisher basieren die Abschätzungen auf Simulationen und Daten von Laborsystemen. Nimmt man die aktuellen Schätzwerte, hätte die Batterie dann, bei gleichbleibender Reichweite, noch etwas mehr als die Hälfte des Gewichts.“

Der Separator in den Feststoffzellen ist hauchdünn und aus Keramik.
Der Separator in den Feststoffzellen ist hauchdünn und aus Keramik.

Keine Veränderung bei der Zellchemie

Auch wenn die Feststoffbatterien anders aufgebaut sind, werden sie laut Maximilian Fichtner die viel diskutierte Rohstoff-Thematik kaum beeinflussen: „Bei einer Feststoffbatterie ändert sich die Zusammensetzung der aktiven Materialien erstmal nicht grundlegend, insofern sind auch keine wesentlichen Änderungen in der Chemie zu erwarten.“

Allerdings haben die Hersteller die Zellchemie mittlerweile so optimiert, dass ethisch und umwelttechnisch problematische Rohstoffe wie zum Beispiel Kobalt in den aktuellen E-Auto-Batterien ohnehin kaum noch enthalten sind. Bei den Hochvoltbatterien des Mercedes EQS konnte der Anteil auf unter zehn Prozent gesenkt werden, während das Metall bei der neuesten Generation der Tesla-Akkus sogar weniger als drei Prozent ausmacht. In günstigeren E-Autos sollen zukünftig auch verstärkt die neuartigen Lithium-Eisenphosphat-Batterien eingesetzt werden, die komplett ohne Kobalt auskommen.

Trotzdem könnte die Feststoffbatterie im Endeffekt eine etwas bessere Klimabilanz haben. Die Produktion ist dank des vereinfachten Aufbaus weniger energieintensiv, was angesichts der niedrigeren Stromkosten natürlich auch die Autobauer freuen dürfte. Letztere sehen in der einfacheren und günstigeren Produktion ohnehin einen der Hauptvorteile der Technologie. Die Batterieproduktion macht in Sachen Effizienz derzeit aber insgesamt große Schritte und einige Werke werden schon jetzt ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt.

Ein Problem verhinderte lange den Durchbruch

Angesichts all dieser Vorteile kommt die Frage auf, wieso die revolutionäre Technologie bisher noch nicht den Sprung in die Serienfertigung geschafft hat. An der mehrfachen Verzögerung des großen Durchbruchs waren laut Maximilian Fichtner vor allem zwei Herausforderungen Schuld: „Die Schwierigkeit bei der Entwicklung liegt zum einen darin, einen hochleistungsfähigen Festelektrolyten zu entwickeln, der die Lithiumionen ähnlich schnell transportiert wie der bisherige Flüssigelektrolyt. Zum anderen muss der Festelektrolyt als sehr dünne keramische Schicht zwischen den Elektroden eingefügt und dann sehr eng und dauerhaft mit den Elektroden verbunden werden. Das ist technisch sehr kniffelig.“

QuantumScape könnte in Deutschland produzieren

Zwei US-Unternehmen mit Rückendeckung aus Deutschland konnten diese Probleme offenbar überwinden und dieses Jahr schon große Fortschritte vermelden: Volkswagen hat bereits rund 300 Millionen Dollar in das Start-up QuantumScape aus dem kalifornischen San José gesteckt. Und diese Investitionen tragen offenbar Früchte. Die Kalifornier haben einige Prototypen entwickelt und zum Testen nach Wolfsburg geschickt und VW war nach seinen Tests scheinbar sehr zufrieden. Die Batterie von QuantumScape soll eine doppelt so hohe Energiedichte wie VWs bisherige Lithium-Ionen-Batterien haben.

Gleichzeitig soll sich mit ihr die Ladedauer um ungefähr 50 Prozent verkürzen. Jetzt stehen die Amerikaner scheinbar kurz davor, mithilfe einer Pilotanlage die Serienfertigung vorzubereiten. Damit dies gelingt, hat das Unternehmen niemand anderes als Celina Mikolajczak, die ehemalige Leiterin von Teslas Batterieentwicklung, verpflichtet. Da Volkswagen der Hauptkunde und Geldgeber Nummer eins ist, könnte die Großserienfertigung, wenn alles klappt, in einigen Jahren im niedersächsischen Salzgitter starten. Darüber soll Ende dieses Jahres entschieden werden.

BMW und Ford investieren in Solid Power

Die Hoffnungen von BMW und Ford liegen zu Fuße der Rocky Mountains. In Boulder (Colorado) hat das junge Unternehmen Solid Power seinen Hauptsitz. Die beiden Autobauer haben gemeinsam mit dem Kapitalgeber Volta Energy Technologies 130 Millionen Dollar in das Start-up investiert. Und dem Anschein nach ist Solid Power trotz des niedrigeren Budgets schon weiter als VWs kalifornischer Technologiepartner.

Ende letzten Jahres sollen sowohl Ford als auch BMW mehrere Hundert in Kleinserie produzierte Zellen mit einem festen Elektrolyten aus Colorado geliefert bekommen haben. Schon ab nächstem Jahr sollen in dem US-Bundesstaat im größeren Stil Batterien produziert werden, die einer Eignung für den Einsatz im Auto nahe kommen sollen. Offiziell rechnet der bayrische Autobauer aber erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mit der Massenproduktion der Feststoffbatterie.

Nio hat angeblich schon ein serienreifes Produkt

Übrigens wird auch in Fernost fleißig an der Technologie getüftelt. Nio, der wohl ambitionierteste chinesische Autobauer, hat angeblich bereits ein Elektroauto mit optionaler Feststoffbatterie entwickelt, das laut dem Unternehmen schon nächstes Jahr im Reich der Mitte auf den Markt kommen soll. Der vermeintlich revolutionäre Stromspeicher der Limousine Nio ET7 soll eine Kapazität von 150 kWh haben, sowie über eine um ein Drittel erhöhte Energiedichte verfügen. So soll der Technologieträger mit einer Ladung über 1.000 Kilometer schaffen. Allerdings halten sich die Chinesen mit näheren Details zu ihrer hauseigenen Feststoffbatterie noch zurück.

Der Batterieforscher Maximilian Fichtner schätzt jedoch, dass sich die Autobauer und Elektro-Fans noch länger gedulden müssen. Auf die Frage, wann wir voraussichtlich das erste Großserienauto mit Feststoffbatterie sehen werden, antwortet er: „Das ist schwer abzuschätzen. Selbst wenn die grundlegenden technischen Meilensteine erreicht sind, stehen immer noch Fragen im Raum, die geklärt werden müssen. Diese drehen sich um die Produktionssicherheit und Produktionsmenge, eine gleichbleibende Qualität und die Fertigungskosten. Wenn alles gut läuft, vielleicht 2024 oder 2025.“

Die Elektrolimousine Nio ET7 soll es in China angeblich schon ab 2022 mit Feststoffbatterie geben.
Die Elektrolimousine Nio ET7 soll es in China angeblich schon ab 2022 mit Feststoffbatterie geben.